Kriegsreporter in der UkraineEin chinesischer Journalist begleitet die russische Armee – und wirft Fragen auf
Lu Yuguang berichtet für das chinesische Staatsfernsehen aus der Ukraine, wohl als einziger Ausländer auf russischer Seite. Dabei verbreitet er auch ungefilterte Propaganda der Invasoren.
Lu Yuguang ist momentan wahrscheinlich der einzige ausländische Journalist, der mit russischen Truppen im Ukraine-Krieg unterwegs ist. Aufgefallen sind seine Berichte, weil sein Sender Phoenix TV diese auch über Twitter teilte. Seither haben der «Guardian» und andere Medien über den chinesischen Kriegsreporter berichtet und dabei die Frage gestellt, ob die exklusiven Einblicke hinter die Front wohl auch auf eine Zusammenarbeit zwischen China und Russland in diesem Krieg schliessen lassen könnten.
Englischsprachige Medien von Grossbritannien bis Neuseeland halten die Einsätze von Lu Yuguang zumindest für problematisch. Sicher ist, dass der Reporter den Krieg aus russischer Perspektive betrachtet und diese in die Stuben seiner Heimatnation sendet, zu Hunderten Millionen Zuschauenden. Er interviewt die Soldaten, mit denen er unterwegs ist, und berichtet von der «Befreiungsaktion» in der Ostukraine.
Im Februar war Lu Yuguang noch an der russischen Grenze zu den Regionen Luhansk und Donezk unterwegs und redete mit russischsprachigen Ukrainerinnen und Ukrainern,die aus dem Krisengebiet über die Grenze flohen. Danach ging der Chinese offenbar mit russischen Truppen mit in die umkämpften Regionen, bis nach Mariupol, der heftig unter Beschuss geratenen Stadt im Süden der Region Donezk.
Russische Propaganda
Von dort verbreitet Lu Yuguang auch russische Propaganda, etwa, dass ukrainische Soldaten die Zivilbevölkerung als Schutzschilde nutzten. Deshalb scheiterten die Evakuierungsbemühungen seit Tagen, rapportiert er. Auch die angeblichen Biowaffen-Laboren der USA thematisiert Lu. Der Reporter spricht zudem mit der «befreiten» Zivilbevölkerung und zeigt, wie russische Ambulanzfahrzeuge an die Front eilen.
In einem von Phoenix TV via Twitter verbreiteten Video trifft Lu Yuguang auf eine ukrainische Frau und ihre kleine Tochter. Die beiden suchen verzweifelt nach Essen und Wasser. Der Reporter beschliesst kurzerhand, die beiden mit dem Auto nach Donezk mitzunehmen, wo die beiden in Sicherheit seien.
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Die Berichterstattung dürfte für viele Chinesen das Bild des Krieges in der Ukraine prägen. Wie in Russland wird bei Phoenix TV dabei immer von einer «militärischen Spezialoperation» gesprochen, auch das Wort Invasion wird offenbar nicht benützt. Lu Yuguang stellt die ukrainischen Truppen als Aggressoren dar, zu übermächtig für die Milizen in Luhansk und Donezk. Dank der russischen Hilfe sei man nun aber «auf Siegeskurs».
Die russischen Truppen würden kaum einen ausländischen Journalisten in den eigenen Reihen akzeptieren, wenn sie nicht absolut sicher wären, dass dieser nur ihre Sicht der Dinge darstellen werde, sagt Professor Steve Tsang dem «Guardian». Der Asien-Experte vermutet, dass die Russen Lu Yuguang gut kennen und ihm vertrauen würden.
Das lässt auch eine Internet-Recherche erahnen. Wie zuverlässig die Informationen über den chinesischen Kriegsreporter sind, ist nicht überprüfbar. Gemäss den Angaben seines Fernsehsenders berichtet Lu Yuguang aber schon seit vielen Jahren aus russischen Konfliktgebieten.
Davor diente er in der chinesischen Volksarmee, wo er auch ein Buch schrieb. Die Armee erkannte offenbar sein Talent und liess ihn Interviews mit Soldaten führen. Später bildete er sich zum Journalisten aus. Dabei studierte er auch Russisch und schloss sein Journalismus-Studium in Moskau ab. Sein Sender Phoenix TV entsandte ihn 2003 nach Russland, später berichtete er demnach als Kriegsreporter über den Tschetschenienkrieg.
Helden-Epos wie aus einem Film
Chinesische Nachrichtenseiten erzählen aus dieser Zeit eine Geschichte, die Lus Leben geprägt haben soll und sich wie ein hollywoodreifes Helden-Epos anhört. Der Kriegsreporter soll in Tschetschenien von einer Spezialeinheit geschützt worden sein. Dabei warf sich einer dieser Soldaten während eines Angriffs vor den Journalisten und rettete ihm so das Leben. Je nach Quelle geschah dies während einer Attacke auf das Fahrzeug oder als ein Schütze aus dem Hinterhalt auf Lu schoss, während der Reporter seine Kamera testete.
Auf jeden Fall soll Lu dem sterbenden Soldaten dann versprochen haben, sich um das finanzielle Wohlergehen seiner Frau und des Sohnes zu sorgen. Aus der Sorge um die Witwe entstand Liebe, und Lu heiratete die Frau seines Lebensretters, bald darauf kam eine gemeinsame Tochter zur Welt. Die chinesischen Medien zeigen Bilder des Paars mit einem Mädchen; ob die Geschichte so wirklich stimmt, ist aber unklar. Die Liebe hielt offenbar nicht, es kam zur Scheidung.
Die Heldengeschichte könnte die tiefe Loyalität des Kriegsreporters zu den russischen Truppen erklären. Lu verwende den Rest seines Lebens, um die Schuld zu begleichen, die bei der Rettung durch den Soldaten entstand, heisst es in chinesischen Medien. Einerseits, indem er sich auch nach der Scheidung weiter finanziell um die Frau kümmerte und deren Sohn wie seinen eigenen aufzog. Andererseits wohl durch Loyalität gegenüber dem russischen Militär.
Soweit diese Geschichte wahr ist. Klar ist, dass die Berichte von Lu in Russland sehr gut ankommen. Seit 2003 wurde er von Moskau mehrfach ausgezeichnet für seine Einsätze, nicht nur in Tschetschenien, sondern auch in Georgien und Syrien.
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