Fotoreportage zu GastrotrendEin Abend in der Geisterküche
Restaurants ohne Speisesaal boomen. Auch Food Hero aus Basel setzt ganz auf Take-away und Lieferdienst. Wir haben das Team mit der Kamera begleitet.

Sein Job sei ein bisschen wie Spielen, sagt Gael Di Giusto. Der 38-Jährige sitzt an seinem Laptop, hinter ihm rollen seine Mitarbeiterinnen Sushi und befüllen Tortillas, aus den Stereoanlagen dröhnt laute Popmusik.

Es ist Donnerstagabend, 19 Uhr, im Basler Take-away- und Delivery-Hub Food Hero herrscht Hochbetrieb.



Dass Di Giusto einmal Inhaber eines Lieferdienstes sein würde, war so eigentlich nicht geplant. Doch dann kam Corona, legte die Gastroszene lahm und brachte den grossen Lieferdienst-Boom mit sich. Und Gael Di Giusto und seine beiden Geschäftspartner merkten: Delivery macht Spass – und hat gegenüber der traditionellen Gastronomie gewisse Vorteile.

Angefangen hat alles 2016, als Di Giusto den Einstieg in die Gastronomie wagt. Gemeinsam mit seinem Bruder Lucas Di Giusto und seinem Kindheitsfreund Loic Vrignaud eröffnet er das Restaurant La Manufacture im Gundeli Quartier. Spezialität: Burger und Brunch.

Eigentlich ist Di Giusto gelernter Industriedesigner. Doch als er 2014 von einer Weltreise zurückkommt, erinnert er sich daran, was er und seine Freunde sich als Kinder immer gesagt haben: «Wir wollen immer zusammenbleiben, alles zusammen machen.» Weil er gutes Essen liebt und sein Bruder und sein Kindheitsfreund gelernte Köche sind, scheint ein Gastroprojekt naheliegend.

2017 folgen ein zweites Restaurant im Elisabethenquartier und ein Essensstand in der Foodhalle Klara. Es läuft gut – bis der Lockdown kommt und die Restaurants schliessen müssen.
Doch schon nach drei Wochen eröffnen die Jungunternehmer als Take-away wieder. Zuerst liefern sie ihre Burger nur über etablierte Lieferservices wie Uber Eats, Just Eat und Velogourmet aus. Später eröffnen sie ihren eigenen Webshop und fahren das Essen auch selbst zu ihren Kundinnen und Kunden. «Niemand von uns fährt besonders gern Velo», sagt Gael Di Giusto und lacht. «Aber Uber erhebt hohe Provisionen.»


Die Kindheitsfreunde fangen aber nicht nur an, Essen auszuliefern, sondern auch mit ihrem Angebot zu experimentieren. Und hier beginnt die eigentliche Geschichte von Food Hero. Denn das Lokal an der Binningerstrasse ist kein normales Take-away. Es ist eher so was wie ein Gastro-Experimentierlabor, eine Spielwiese dreier Kindheitsfreunde.

Zuerst verkaufen die Jungunternehmer in ihrem Onlineshop nur Burger, dann auch Brunch-Pakete und Do-it-yourself-Kits für Pancakes und Burger. Ende 2020 kreieren sie ihre erste Marke, die nur auf Delivery ausgerichtet ist: Ghostacos. Das sind French Tacos, also Fladenbrote gefüllt mit Pommes frites, Käse, Fleisch und verschiedenen Toppings. Das «Ghost» im Namen steht dafür, dass die Tacos nur online bestellbar sind, also in keinem Restaurant serviert werden.


Damit sind die drei Freunde in der Schweizer Gastroszene Vorreiter. Denn heute, rund vier Jahre später, sind sogenannte Virtual Brands laut dem Lieferdienst Just Eat der Foodtrend Nummer eins in der Schweiz.
Virtual Brands sind Marken, die ihre Produkte nur online bewerben und keinen eigenen Standort haben. Vereinfacht gesagt also Foodkonzepte, die nicht als Restaurant konzipiert sind, sondern nur als Delivery oder Take-away. Bekannte Virtual-Brands-Unternehmen in der Schweiz sind Future Kitchens und Just Virtual. Ihre Gerichte werden in den Küchen von Partnerrestaurants produziert und von dort ausgeliefert oder abgeholt, aber unter dem Namen ihrer Marke verkauft.



Ein Vorteil der virtuellen Marken ist, dass sie flexibel sind. «Delivery erlaubt es uns, Neues auszuprobieren und schnell auf Trends zu reagieren», sagt Gael Di Giusto. Auch das sei ein Grund, wieso Take-away heute rund 50 Prozent seines Gastrounternehmens ausmache. «Eigentlich war Delivery nur als Übergangslösung gedacht. Aber es hat uns Spass gemacht, zu experimentieren.»


Kurzerhand kreieren die drei Jungunternehmer nach der Pandemie weitere Foodkonzepte. Inzwischen sind es sieben Virtual Brands: Die Marke Waku Waku mit japanischem Streetfood, Wild Garden mit Poké-Bowls und Salaten, Hey Buddy mit Smash Burgern, Nonna mit Pastagerichten, Gringos mit mexikanischem Essen und seit wenigen Tagen die Marke Most Original Burgers mit Burgern ohne Tamtam. Hinzu kommen die Burger ihrer Restaurants, die sie auch ausliefern.

Im Juli 2021 eröffnen die Kindheitsfreunde eine Art Take-away-Hub, in dem sie alle Gerichte ihrer verschiedenen Brands selbst zubereiten. Hier unterscheidet sich Food Hero vom klassischen Konzept der Virtual Brands. Die Produktion einzelner Marken in Partnerbetrieben ist aber bereits in Planung.


Im Hub ist alles auf Delivery ausgerichtet. In der Produktion gibt es eine Warm- und eine Kaltküche, hinter den Theken ein Regal, das die fertigen Bestellungen von oben wärmt und die Getränke unten kühl hält. Es gibt einen eigenen Bereich für die Thermorucksäcke der Kurierinnen, eine Bestellinsel für die Laufkundschaft und nur wenige Tischchen.


Jeder Virtual Brand existiert als einzelne Marke in den Webshops der etablierten Lieferservices. Inzwischen betreibt Food Hero aber auch eine eigene Bestell-App und beschäftigt eigene Kuriere. Die Kundinnen und Kunden können so unterschiedliche Brands mit einer einzigen Bestellung zu sich nach Hause liefern lassen. «Wenn jemand Japanisch essen will und jemand anderes Italienisch, ist das bei uns kein Problem», sagt Di Giusto.

Das Geschäft mit den Virtual Brands ist schnelllebig. Uber Eats und Co. zeigen den Kundinnen und Kunden neue Foodkonzepte ganz oben an. So merke man schnell, wenn eine Marke nicht gut ankomme, sagt Di Giusto. Dann reagieren die Jungunternehmer. «Wenn eine Marke nicht läuft, nehmen wir sie wieder von der Website und probieren etwas anderes aus», sagt Di Giusto. In der traditionellen Gastronomie sei das nicht so einfach möglich. Aus einer Pizzeria könne man nicht plötzlich ein japanisches Restaurant machen.


Aber natürlich bringt der Delivery-Bereich auch Nachteile mit sich. Zum Beispiel sei die IT sehr aufwendig. «Das haben wir am Anfang unterschätzt», sagt Di Giusto. Die Bestellungen von verschiedenen Apps, das Kassensystem, die Küche, die Kurierinnen – alles muss koordiniert werden. Dazu brauche es ein gutes System. Und damit sei es noch nicht getan. «Wir haben rund 300 Produkte und über 30 Konten auf den Apps der Lieferdienste, wir müssen immer ein Auge darauf haben, dass alles online ist und sich keine Fehler einschleichen», sagt Di Giusto.



Für die Zukunft haben die drei Jungunternehmer bereits viele Ideen. Sie wollen sich neue Küchen erschliessen und ihre Virtual Brands in andere Städte ausweiten. Was gleich bleiben soll, ist die Freude am Experimentieren.
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