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Umstrittene Abstimmungsparole
Wie es dazu kam, dass die SVP-Delegierten die Parteispitze im Regen stehen liessen

SVP-DV in der Sporthalle Schachen, Aarau. 12.10.24

Weicht die Partei-Basis bei den Gesundheitsleistungen schon wieder von der Position ihrer Parlamentarier ab (wie zuletzt beim Stromgesetz)?

Und wie schlagen sich die Befürworter gegen die vereinigte Parteispitze? Bericht von der DV in Aarau
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In Kürze:
  • Die SVP-Delegierten stimmten für die Gesundheitsfinanzierung Efas trotz Parteispitze-Widerstand.
  • Efas sieht eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Behandlungen vor.
  • SVP-Gesundheitsdirektoren und prominente Politiker warben für die Zustimmung zur Reform.
  • Kritik kommt von der SVP-Spitze und von Gewerkschaften wegen erhöhter Prämienkosten.

Toni Bortoluzzi prägte während 20 Jahren die Sozial- und Gesundheitspolitik der SVP im Parlament. Seit 2015 sitzt er nicht mehr im Nationalrat, aber für diese Schlacht ist der 77-Jährige am Samstag extra zur Delegiertenversammlung nach Aarau gereist.

Er sei erschüttert, wie dieses Thema – die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (Efas) – in der Partei behandelt werde, sagt er vor den Delegierten. «Es fehlt die nötige Ernsthaftigkeit.»

Damit spielt Bortoluzzi auf die Ablehnung der Vorlage durch die Parteispitze um Präsident Marcel Dettling und Fraktionschef Thomas Aeschi an – und auf die Auswahl der Referenten, die vor den Delegierten über Efas informieren. Denn für die Pro-Seite spricht Nationalrat Thomas Bläsi, der erst ein Jahr im eidgenössischen Parlament sitzt und kein Mitglied der Sozial- und Gesundheitskommission (SGK) ist.

Zur Abstimmungsvorlage für den Autobahnausbau darf hingegen der Transportunternehmer Benjamin Giezendanner reden, Mitglied der nationalrätlichen Verkehrskommission. Für die beiden Mietrechtsvorlagen legt sich Nationalrat Gregor Rutz, Präsident des Hauseigentümerverbandes, ins Zeug. Zu Efas hätte gern die Aargauer Nationalrätin Martina Bircher informiert, die als Mitglied der Gesundheitskommission die Beratungen zu Efas nah mitverfolgt hatte. Zumal sich die Partei im Kanton Aargau trifft, wo Bircher am nächsten Wochenende für den Regierungsrat kandidiert. Trotzdem lässt sie nicht Bircher, sondern den Genfer Bläsi die Pro-Seite vertreten – was unter den Efas-Befürwortern für Unverständnis sorgt.

Erste wesentliche Reform seit 12 Jahren

Doch die Parteispitze hat die Rechnung ohne die amtierenden und ehemaligen Gesundheitspolitiker gemacht. Bei Efas handle es sich um die erste Reform in der obligatorischen Krankenversicherung seit 12 Jahren, sagt Bortoluzzi, als er das Wort ergreift. «Diese Vorlage ist ein Gewinn.» Er und andere Befürworter warnen zwar vor übertriebenen Hoffnungen auf eine Kostensenkung. Aber wenn heute 20 Prozent der Gesundheitskosten überflüssig seien, so könne dieser Anteil mit Efas allenfalls auf 18 Prozent gesenkt werden, sagt Bortoluzzi. Zudem stärke die Vorlage die Mitsprache der Kantone und ihrer Bevölkerungen. Denn die Kantone könnten ihren gesetzlichen Finanzierungsanteil später auch erhöhen, falls sie dies wollten.

Mit Efas sollen sich die Kantone künftig an den Kosten sämtlicher medizinischer Behandlungen beteiligen, und zwar mit 26,9 Prozent. 73,1 Prozent würden dann die Krankenkassen übernehmen – und zwar unabhängig davon, ob eine Behandlung ambulant oder stationär stattfindet. Die SVP-Spitze stösst sich aber wie auch die Gewerkschaften daran, dass die Langzeitpflege ebenfalls nach dem neuen Kostenschlüssel finanziert werden soll. Dies verursache massive Mehrkosten für die Prämienzahlenden, so ihre Kritik.

SVP-DV in der Sporthalle Schachen, Aarau. 12.10.24

Weicht die Partei-Basis bei den Gesundheitsleistungen schon wieder von der Position ihrer Parlamentarier ab (wie zuletzt beim Stromgesetz)?

Und wie schlagen sich die Befürworter gegen die vereinigte Parteispitze? Bericht von der DV in Aarau

Auch für das Nein-Lager referiert keiner aus der ersten Reihe, sondern der ehemalige Nationalrat Heinz Brand, früherer Präsident des Kassenverbandes Santésuisse. Efas senke keine Kosten. Die Kantone könnten auch ohne die einheitliche Finanzierung die günstigeren ambulanten Behandlungen fördern, indem sie Listen von Eingriffen erstellten, die zwingend ambulant durchgeführt werden müssten. Der Einbezug der Langzeitpflege in die Reform sei jedoch eine «finanzielle Zeitbombe», für die Folgen müssten die Prämienzahler aufkommen.

«Wir dürfen uns nicht mit den Linken ins Bett legen»

Auch andere Redner kritisieren, dass Efas keine Kosten senke, sondern diese nur anders verteile. Das Grundproblem liege in der obligatorischen Grundversicherung, die eine «Vollkaskoversicherung» sei, sagt ein Delegierter. «Mit Efas wird eine üble Situation zementiert und nichts eingespart», sagt Nationalrat und SGK-Mitglied Andreas Glarner.

Die Befürworter warnen hingegen davor, mit einer Nein-Parole ein Referendum der Gewerkschaften zu unterstützen. «Wollen Sie wirklich Cédric Wermuth und Pierre-Yves Maillard hinterherrennen, die für eine Staatsmedizin sind?», fragt Ständerat Hannes Germann in den Saal. «Wir dürfen uns nicht mit den Linken ins Bett legen, die nur die Einheitskasse wollen», warnt Nationalrat Benjamin Fischer.

SVP-DV in der Sporthalle Schachen, Aarau. 12.10.24

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Und wie schlagen sich die Befürworter gegen die vereinigte Parteispitze? Bericht von der DV in Aarau

Am Ende überzeugen die amtierenden und die ehemaligen Gesundheitspolitiker sowie die Ja-Appelle der SVP-Gesundheitsdirektoren und von Doyen Christoph Blocher die Mehrheit der 383 Delegierten im Saal. Sie fassen mit 248 zu 90 Stimmen die Ja-Parole zu Efas. Das Resultat überrascht vor allem in der Deutlichkeit. Während der angeregten Debatte mit rund 20 Rednern hielten sich Befürworter und Gegner nämlich etwa die Waage.

Fraktionschef Thomas Aeschi sieht das Votum der Delegierten nicht als persönliche Niederlage. Er wie auch Präsident Marcel Dettling hätten im Vorfeld die Meinung geäussert, dass sie nicht an die kostensenkende Wirkung von Efas glaubten. Eine Mehrheit der Delegierten sehe das offensichtlich anders.

Zu den Vorlagen zum Autobahnausbau und zum Mietrecht, über die das Volk ebenfalls am 24. November befindet, beschlossen die Delegierten in Aarau diskussionslos Ja-Parolen.