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Kommentar zu Staatsinterventionen
Panik in der Krise

Rudolf Sägesser links und Hermann Baumert posieren auf dem Schrottplatz. Anlässlich einer Reportage über das Stahlwerk in Gerlafingen,  am 30.10.2024.  Foto: Christian Pfander / Tamedia AG
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Damit kein Missverständnis entsteht: Jeder Abbau von Arbeitsplätzen ist bedauerlich und für die Betroffenen eine Tragödie. Doch was sich im Moment in der Schweiz rund um die Stahlbranche abspielt, ist eine Posse, die nun wirklich keine Schule machen darf.

Da haben sich also die Wirtschaftskommission des Ständerats und die Nationalräte der Umweltkommission für die Unterstützung der zwei grössten Schweizer Stahlwerke ausgesprochen, genauso wie die lokalen Zeitungen von CH-Media. Die Werke seien systemrelevant und erst noch ökologisch, so die Begründung. Die Gewerkschaften sind dafür, die Besitzer der Werke sowieso und sogar die Grünen. Neuerdings sind die Stahlwerke ein unverzichtbarer Bestandteil der «Kreislaufwirtschaft» und überdies systemrelevant.

Je rund 120 Arbeitsplätze sind betroffen. Im Moment machen die Werke in Emmenbrücke und in Gerlafingen Verlust. Das hat verschiedene Ursache, der starke Franken und die hohen Strompreise sind dabei ein Faktor. Aber der Hauptgrund ist, neben wirtschaftlichen Fehlentscheiden, die massive Überkapazität beim Stahl in Europa. Das liegt an der serbelnden Autoindustrie, der Elektrifizierung und der Verlagerung der Autoproduktion nach China und Indien.

Seit der Übernahme des Stahlwerks in Gerlafingen haben die italienischen Besitzer, die Familie Beltrame, nach eigenen Angaben rund 440 Millionen Franken investiert, angeblich um «unter anderem Stahl mit einem sehr kleinen CO2-Abdruck» zu produzieren. 100 Millionen Verlust produzierte das Werk im letzten Jahr, dieses Jahr soll es etwas weniger sein. In Emmenbrücke residiert die Swiss Steel. Sie produzierte im ersten Halbjahr 100 Millionen Franken Verlust. Fehlinvestitionen in Frankreich produzierten in den letzten Jahren nochmals 300 Millionen Franken Verlust. 350 Millionen Franken investierte der 5 Milliarden Franken schwere Martin Haefner letzten Frühling in die Swiss Steel, und mangelnde Voraussicht führt dazu, dass wohl nächsten Frühling das Geld wieder ausgehen könnte. Wer dann einspringt, ist unklar, denn Haefner lässt durchblicken, dass er nichts mehr einschiesst. Das Werk in Emmenbrücke produziert übrigens vor allem für die Autoindustrie in Italien.

Nun sollen also je 5 Millionen Franken vom Bund helfen, die Arbeitsplätze zu retten. Das zu glauben, setzt eine gehörige Portion Optimismus voraus. Wenn schon, wird das eine Einladung sein, noch mehr zu fordern. Und da sind sie schon, die Forderungen: eine Senkung des Tarifzuschlags für Stromreserven, die Reduktion der Stromnetzkosten, Förderprogramme über das Klimaschutzgesetz. Und irgendwann kann man nicht mehr anders, als die Werke durchzufüttern, sonst wäre ja alles vergebens gewesen.

Natürlich ist es so, dass die Schweiz per Notrecht wegen der Credit Suisse mit 259 Milliarden Franken ins Risiko ging. Und dies, obwohl da auch viele Arbeitsplätze im Ausland gerettet wurden. Doch in der Schweiz hing das ganze Finanzsystem mit an der zweitgrössten Bank. Wer, ausser den Direktbetroffenen, kommt zu Schaden, wenn die Stahlwerke geschlossen werden?

Gestern machte in den Lokalzeitungen von CH-Media noch eine andere Meldung die Runde. Flyer, der Velopionier aus Huttwil, muss seine Produktion in der Schweiz schliessen, weil sie zu teuer ist. 150 Arbeiterinnen und Arbeiter werden da entlassen, das sind ebenfalls 150 Schicksale. Doch bei denen ruft nicht einmal die Regionalzeitung nach Staatshilfe. Warum eigentlich nicht? Immerhin findet ja gegenwärtig in Baku die Klimakonferenz statt, und die Veloproduktion scheint mir deutlich ökologischer und zukunftsgerichteter als die Stahlproduktion in der Schweiz.