Trauer um Ebrahim RaisiSoll man beim Tod von Despoten kondolieren?
Aussenminister Ignazio Cassis hat nach dem Absturz des iranischen Präsidenten sein Beileid ausgesprochen. Mitte-Präsident Gerhard Pfister findet, die Schweiz hätte besser geschwiegen.
Wie weit darf die Diplomatie gehen? Ist es angebracht, beim Ableben von Despoten zu kondolieren? Diese Frage wird gegenwärtig ausgiebig diskutiert, nachdem der iranische Präsident bei einem Helikopterabsturz ums Leben gekommen ist.
Ebrahim Raisi werden schwere Menschenrechtsverbrechen zur Last gelegt – insbesondere im Zusammenhang mit den Massenhinrichtungen von Marxisten und anderen Linken im Jahr 1988. Damals war er stellvertretender Staatsanwalt des Revolutionsgerichts in Teheran. Er hat aber stets jegliche Verantwortung bestritten.
Unter seiner Führung wurden auch die Proteste der Frauen im Iran niedergeschlagen. Und der mit 63 Jahren verstorbene Ultrakonservative trat als vehementer Gegner von Israel auf. Er sicherte der Hamas die Unterstützung des Irans zu und liess Hunderte Drohnen und Raketen auf Israel abfeuern.
Beileid explizit verweigert
Nun ist der Mann tödlich verunglückt, was zahlreiche Beileidsbekundungen ausgelöst hat. Nicht nur aus der arabischen Welt und von Verbündeten wie Wladimir Putin und Xi Jinping. Auch der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis hat am Sonntag über X (ehemals Twitter) kondoliert. Er sprach den Familien aller Absturzopfer und den betroffenen iranischen Bürgerinnen und Bürgern sein Beileid aus.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Cassis’ Post löste rund tausend Antworten aus, in denen er auch harsch kritisiert wird. Ein prominenter Kritiker ist Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Seiner Ansicht nach hätte die Schweiz besser geschwiegen. Auch wenn sie mit dem Iran wichtige Beziehungen pflegt, indem sie die Briefträger-Funktion zwischen den USA und dem Iran wahrnimmt.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Pfister lobt stattdessen die deutsche Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner, die das Beileid explizit verweigert. «Einfach mal als Idee für die Kommunikationsabteilung im EDA bei künftigem Ableben von ausländischen Regimevertretern mit ähnlichem Profil», so Pfister auf X. Dem gebe es nichts beizufügen, findet der Mitte-Präsident, die Posts sprächen für sich.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Unterstützung erhält er von Kijan Espahangizi, Privatdozent am Historischen Seminar der Uni Zürich. Auch dieser findet es falsch, in einer solchen Situation zu kondolieren. «Ebrahim Raisi kann als Massenmörder bezeichnet werden. Da sollte man sich nicht hinter diplomatischen Gepflogenheiten verstecken», so der Historiker. «Ich denke, die Welt wäre nicht untergegangen, wenn man einfach nichts gesagt hätte.»
«Minimalstandard an Höflichkeit»
Der Nahostexperte und langjährige TV-Journalist Erich Gysling hingegen sieht es anders. Die Schweiz habe nun einmal Beziehungen zum Iran. Da könne man nicht einfach schweigen. Es bleibe daher nichts anderes übrig, als mit dürren Worten zu kondolieren. Geboten sei in einem solchen Fall «ein Minimalstandard an Höflichkeit» – mit Betonung auf Minimalstandard. Das entspreche in etwa dem, was Ignazio Cassis gemacht habe.
Als Zeichen für einen «Minimalstandard» kann auch gewertet werden, dass sich Bundespräsidentin Viola Amherd nicht zu Wort gemeldet hat. Laut dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) war das Vorgehen mit dem Departement Amherd abgesprochen. Cassis habe kondoliert, weil er sowohl den iranischen Präsidenten als auch den ebenfalls verstorbenen iranischen Aussenminister persönlich gekannt habe. Es gehöre zu den diplomatischen Gepflogenheiten, beim Tod eines Regierungsoberhaupts zu kondolieren.
Auch andere westliche Regierungen wie die USA, Frankreich, Italien und die EU haben ihr Beileid bekundet. Der UNO-Sicherheitsrat gedachte Raisis gar mit einer Schweigeminute.
Fehler gefunden?Jetzt melden.