US-Truppenabzug in DeutschlandDurchsichtiges Manöver der Trump-Regierung
Trotz aller grossen Worte wollen die USA offenbar ihre militärische Infrastruktur weitgehend unberührt lassen. Die deutsche Regierung und die Nato reagieren gelassen.
Maximal unaufgeregt – so reagierte die Merkel-Regierung auf den geplanten Abzug von 11’900 US-Soldaten aus Deutschland. Die Ankündigung von US-Verteidigungsminister Mark Esper nehme man «zur Kenntnis». Im Moment gilt in Berlin: nicht viel sagen, nüchtern bleiben. US-Präsident Donald Trump soll nicht noch zusätzliche Munition für seinen Wahlkampf geliefert werden. Auch die Nato reagierte gelassen.
In der Sache, so die Beurteilung in Berlin und Brüssel, gerät Europas Sicherheit nicht ins Wanken. Ausserdem dauere es, bis ein Truppenabzug umgesetzt sei. Am Ende tue sich Amerika keinen Gefallen. Es werde nur alles komplizierter und teurer – für die USA.
Gemäss der offiziellen Begründung der Amerikaner sind es ausschliesslich sicherheitspolitische Gründe, die dazu führen, dass 5600 Soldaten in andere europäische Länder verlegt werden und knapp 6400 zurück in die USA gehen sollen. Man habe den laufenden Prozess beschleunigt, die Stationierung von US-Truppen in Europa zu überprüfen, heisst es aus dem Pentagon.
Das grösste US-Kontingent in Europa wird weiterhin in Deutschland sein.
Was Verteidigungsminister Esper nur am Rande streifte, ist die Vorgabe von Präsident Trump, das Kontingent in Deutschland auf 25’000 Soldaten zu reduzieren. Und das ist als Strafaktion gegen das angeblich säumige Deutschland gedacht. Ob damit den amerikanischen Sicherheitsinteressen in Europa gedient ist, bezweifeln aber nicht nur parteiübergreifend Verteidigungspolitiker in beiden Kammern des US-Kongresses. Den Widerspruch auszuräumen, bemühte sich Esper nicht. Er verwies darauf, dass noch immer das grösste US-Kontingent in Europa in Deutschland stationiert bleibe. Einige Einheiten sollten von Mitteleuropa näher an die südöstliche und nordöstliche Flanke der Nato verlegt werden – näher an potenzielle Einsatzgebiete.
So soll eine Luftwaffen-Einheit mit etwa 20 F-16-Kampfjets von Spangdahlem in der Eifel nach Aviano in Norditalien umziehen und damit näher an die Schwarzmeerregion. Betroffen davon wären etwa 4000 Soldaten und ihre Familien. Der grösste Verband, der Deutschland Richtung USA verlassen soll, ist das mit Stryker-Schützenpanzern ausgerüstete 2. Kavallerie-Regiment aus Vilseck mit 4500 Soldaten.
Standortschliessungen sind kein Thema
Wie das zur stärkeren Abschreckung Russlands beitragen soll, ist Insidern bei der Nato schleierhaft: Die Kampffähigkeit der US-Landstreitkräfte in Europa würde sich damit um ein Drittel verringern. Stattdessen sollen künftig routinemässig kleinere Einheiten zeitweise nach Polen und in die baltischen Staaten rotieren. Das ermögliche es dem US-Militär, flexibler auf die Sicherheitslage zu reagieren und verschiedene Einheiten mit einem höheren Bereitschaftsgrad nach Europa zu bringen, sagte Esper. In der Allianz aber wird das sehr kritisch gesehen. Logistisch sei ein solches Vorgehen wesentlich aufwendiger.
Was die USA offenbar unberührt lassen, ist ein Grossteil ihrer militärischen Infrastruktur in Deutschland, vom Logistik-Drehkreuz Ramstein über das Militärspital Landstuhl bis zu weiteren Einrichtungen, die dazu dienen, im Krisenfall schnell Truppen nach Europa zu verlegen. Auch war von Standortschliessungen keine Rede. Allerdings sagte Vize-Generalstabschef General John Hyten, bisher habe man nur ein Konzept erarbeitet – keine konkreten Pläne.
Wird Joe Biden neuer US-Präsident, bleibt womöglich alles, wie es ist.
Zwar hat der US-Präsident in der Aussen- und Sicherheitspolitik weitreichende Handlungsfreiheit. Der Kongress aber verfügt über die Budgethoheit. Und dort gibt es massiven Widerstand gegen Trumps Pläne. Das Repräsentantenhaus verlangt in seiner Version des Verteidigungshaushalts für das Finanzjahr 2021, das Pentagon müsse dem Kongress bestätigen, dass ein Abzug aus Deutschland weder die Sicherheitsinteressen der USA noch jene ihrer Alliierten beeinträchtigt und keine erheblichen Mehrkosten entstehen. Auch dürften Truppen erst nach Ablauf einer Frist von 180 Tagen verlegt werden. Jetzt laufen Verhandlungen mit dem Senat. Es ist gut möglich, dass das Parlament Trumps Pläne zumindest verzögert.
In weniger als 100 Tagen wird zudem in den USA gewählt. Sollte der Demokrat Joe Biden, der in Umfragen deutlich führt, gewinnen, könnte sich die Lage wieder «substanziell» ändern – womöglich bleibt alles, wie es ist.
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