Zürcher Abstimmung Stimmrechtsalter 16Knappes Ja der Stadt, klares Nein des Kantons
Schlappe für die Jugendlichen und die Mehrheit der Parteien: Das Zürcher Stimmvolk will den 16- und 17-Jährigen nicht mehr politische Rechte geben. Wir berichteten live.
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Das Wichtigste in Kürze:
Die Zürcher Stimmberechtigten haben am Sonntag die Senkung des Stimm- und Wahlrechtsalters von 18 auf 16 Jahre auf kantonaler und kommunaler Ebene klar abgelehnt.
Die Befürworter waren SP, GLP, Grüne, Die Mitte, EVP und AL. Sie wurden überstimmt.
Die Gegner waren SVP, FDP und EDU. Sie sind die Sieger der Abstimmung.
Auch beim Bund und in anderen Kantonen gibt es Bestrebungen, das Stimmrechtsalter zu senken. Die Meinungen gehen auseinander, ob man die Übungen angesichts des klaren Resultats im Kanton Zürich nun abblasen soll.
Schlussresultat
Mit 271’948 gegen 148’004 Stimmen hat das Zürcher Stimmvolk die Senkung des Wahl- und Stimmrechtsalters auf kantonaler und kommunaler Ebene klar abgelehnt. Das entspricht einem Nein-Anteil von 64,8 Prozent. Die Stimmbeteiligung betrug 45.8 Prozent.
161 von 162 Gemeinden sagten Nein.
Nur die Stadt Zürich befürwortete das Vorhaben mit 51,6 Prozent. Die meisten Befürworterinnen und Befürworter findet man im Stadtzürcher Kreis 4 und 5, wo 67,8 Prozent ein Ja einwarfen. Fünf städtische Wahlkreise sagten aber Nein.
Kantonsweit die stärkste Abfuhr gab es in Oberembrach mit einem Nein-Anteil von 85,1 Prozent. Auf Bezirksebene verwarf der Bezirk Dielsdorf das gesenkte Stimmrechtsalter am deutlichsten, mit 77 Prozent.
Das sagt die nationale Befürworterin

Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne, BS) hatte das Stimmrechtsalter 16 mit einem Vorstoss in die grosse Kammer gebracht, welche im vergangenen März mit 99:90 Stimmen entschieden hat, die entsprechende Kommission mit der Ausarbeitung einer konkrete Vorlage zu beauftragen.
Arslan bedauert das Zürcher Abstimmungsresultat, doch sie lässt sich nicht entmutigen. «Es wird langfristig eine Lösung geben müssen, welche die Jugend besser in den politischen Prozess einbezieht», sagt sie auf Anfrage. Denn die Jungen hätten gerade während der Corona-Zeit oder hinsichtlich der aktuellen Weltlage gezeigt, dass sie Verantwortung übernehmen wollen. Doch ein Teil der Bürgerlichen biete leider keine Lösungen an.
Arslan erachtet die nationale Vorlage als eine Chance, um gerade auch auf eidgenössischer Ebene über die Senkung des Stimmrechtsalters und folglich für eine Stimme für junge Menschen zu diskutieren.
«Es braucht mehr denn je eine nationale Debatte», sagt sie überzeugt. Beim Frauenstimmrecht habe es auch mehrere Anläufe gebraucht, bis die Männer den Frauen das Stimmrecht zugestanden. Dass eine nationale Lösung bei der Stimmbevölkerung chancenlos ist, glaubt Arslan nicht. Denn eines der Hauptargumente der Gegner in den Kantonen sei stets gewesen, dass es keine Unterschiede zwischen dem nationalen und den kantonalen Stimmrechtsalter geben soll.
Das sagt der nationale Gegner

Die nationale Vorlage fürs Stimmrechtsalter 16 wird sich von selbst erledigen. Das ist die Meinung von FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. «Das Zürcher Resultat ist sehr deutlich, es wird eine grosse Signalwirkung auf die nationale Vorlage haben», sagt er auf Anfrage. Die Vorlage ist derzeit in der zuständigen Kommission, geht darauf in die Vernehmlassung und kommt irgendwann wieder zurück ins Plenum des Nationalrats. Dann könnte es ein Nein geben, so Silberschmidt. «Ansonsten wird allerspätestens der Ständerat der Vorlage das Ende bereiten.»
Ein Notstopp, wie er teils von Bürgerlichen gefordert wird, ist technisch gar nicht möglich, da der Nationalrat der Kommission mit 99:90 Stimmen den Auftrag für die Ausarbeitung einer Vorlage gegeben hat.

Der Regierungsrat hatte die Vorlage zur Senkung des Stimmrechtsalters befürwortet. Nun stellte die zuständige Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP) fest, dass es dieser Vorlage ähnlich erging wie vielen, welche das Stimm- und Wahlrecht ausweiten wollen. Sie fühlt sich erinnert ans Frauenstimmrecht, das lange keine Zustimmung gefunden hatte.
Fehr sagte, dass die Stimmberechtigten im Durchschnitt immer älter werden – derzeit liegt der Median bei 58 Jahren. Die Hälfte der Stimmenden ist also älter. Die Vorlage wäre also ein Mittel für den Generationenausgleich gewesen, so Fehr. Auch seien die Jungen am längsten von den politischen Entscheiden betroffen.
«Das Thema bleibt national aktuell», stellte sie fest.
Auf die Stimmen, welche einen Abbruch der Übung auf nationaler Ebene fordern, hat Fehr eine klare Replik: «Der politische Weg zum Fortschritt führt meist über Niederlagen», sagte sie am Rande der Medienkonferenz. «Deshalb braucht es weitere Vorlagen, welche in Richtung Ausweitung des Stimmrechts gehen.»
Zürcher Stadtkreise sagen Ja
Nun sind erste Resultate aus der Stadt Zürich eingetroffen. Vier Kreise (3, 4+5, 6, 10) stimmen der Senkung des Stimmrechtsalters mit Anteilen zwischen 53,1 und 67,8 Prozent zu. Auch der Winterthurer Kreis Altstadt sagt Ja.
Am Endergebnis wird dies allerdings nichts ändern.
Stimmung bei Jungen gedrückt

Im «Abstimmungszentrum» der Jungparteien von SP, GLP, Grünen, Mitte, EVP und AL ist die Stimmung erwartungsgemäss gedrückt. Sie haben sich in einem Restaurant im Zürcher Kreis 4 getroffen.
Das sagt der SVP-Gegner

«Es ist ein guter Tag», bilanziert Andreas Leupi. Der 25-Jährige ist SVP-Gemeinderat von Oberengstringen und leitete die Nein-Kampagne seiner Partei, welche als aggressiv galt («Eine linksradikale Gruppe von Minderjährigen soll mit dem Stimmrechtsalter 16 über den Kanton Zürich bestimmen»). Leupi räumt ein, dass «teils überspitzt formuliert» wurde, doch stimme, dass die laute (Klima-)Jugend links sei. Ausserdem hätten die Argumente dahinter gestochen. «Die Bevölkerung will nicht, dass Jugendliche Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen, wenn sie selber keine Verantwortung für sich selbst übernehmen können», sagt Leupi. Ein grosses Manko der Vorlage sei des Weiteren die Aufsplittung gewesen: Einerseits zwischen nationalen auf der einen Seite und kommunale und kantonale auf der anderen Seite. Anderseits zwischen dem aktiven und passiven Wahlrecht.
Jetzt appelliert der Jungpolitiker an die Nationalrätinnen und Nationalräte: «Spart euch den Aufwand einer nationalen Vorlage.» Das Verdikt des grossen Kantons Zürich sei derart klar, dass es nichts bringe. Sogar städtische Kreise in Winterthur seien gegen die Senkung des Stimmrechtsalters.
5. Hochrechnung
Da bewegt sich nicht mehr viel: 64,4 Prozent Nein lautet die letzte Prognose.
Jetzt ist ein erster städtischer Kreis ausgezählt. Auch Winterthur-Töss sagt mit 59,6 Prozent klar Nein. Es sind noch keine Stadtzürcher Kreise ausgezählt.
Das sagt der FDP-Gegner

«Die Deutlichkeit des Resultats lässt keine Interpretation zu», sagt FDP-Präsident Hans-Jakob Boesch auf Anfrage. «Die Leute wollen keine Senkung des Stimmrechtsalters.» Er spricht von einer Fehlkonstruktion der Vorlage, weil das aktive vom passiven Wahlrecht entkoppelt wurde. Konkret: 16-Jährige hätten wählen, aber nicht gewählt werden dürfen.
Boesch sieht das Ergebnis aber nicht als Misstrauensvotum gegenüber der Jugend. Dieses Argument hatte die SVP mit ihrer Kampagne geschürt, in der davor gewarnt wurde, dass die linke Klimajugend künftig die Politik bestimmen werde. «Das ist nicht unsere Schiene», stellt der FDP-Präsident klar. Es geht ihm um das Alter und nicht um die politische Ausrichtung. Auch ermuntert er alle Jugendlichen, sich politisch zu engagieren: im Jugendparlament, in den Jungparteien, mit Demonstrationen, mit Petitionen. «Ich traue der Jugend viel zu», sagt er.
Das Volk wolle aber nicht Pflichten und Rechte auseinandernehmen, analysiert Boesch. Wenn man das Stimmrechtsalter senken wolle, müsse man auch über die Senkung des Alters für die Volljährigkeit diskutieren. Dann könnten auch 16-Jährige Verträge unterschreiben, wäre strafrechtlich gleich behandelt wie die Erwachsenen etc.
Die nationalen Ambitionen, das Stimmrechtsalter zu senken, müssen gemäss Boesch gestoppt werden: «Wenn ein so grosser Kanton wie Zürich so klar Nein sagt, muss man die nationale Vorlage lieber früher als später beerdigen.»
4. Hochrechnung
Das Nein ist klar: Die 4., wohl immer genauere Hochrechnung kommt auf einen Nein-Anteil von 64,5 Prozent.
137 Gemeinden von 162 sind ausgezählt, zwei Bezirke sind fertig mit Zählen. Der Bezirk Affoltern sagt mit 69,6 Prozent Nein, im Bezirk Andelfingen gibt es eine satte Dreiviertelmehrheit gegen die Senkung des Stimmrechtsalters: 75,2 Prozent.
3. Hochrechnung
AM Resultat wird sich wohl nichts Grundsätzliches mehr ändern. Die 3. Hochrechnung prognostiziert einen Nein-Anteil von 64,2 Prozent.
Es sind 115 von 162 Gemeinden ausgezählt. Keine stimmt zu, der Ja-Anteil variiert zwischen tiefen 14,9 und 40,7 Prozent.
Das sagt die Befürworterin

Kantonsrätin Sonja Gehrig (GLP) zeigt sich enttäuscht über das Resultat. Sie ortet eine Unsicherheit der Erwachsenen gegenüber den Jugendlichen – «und dann sagt man im Zweifelsfall Nein», wie sie auf Anfrage meint. Die Gegenseite – SVP, FDP und EDU – habe, so Gehrig weiter, ein Bild der Jungen projiziert, das den Erwachsenen nicht gefällt, aber nicht stimmt: Unreif, undifferenziert, desinteressiert. «Es wäre zu begrüssen gewesen, dass sich wenigstens jene Jungen beteiligen können, die sich engagieren und interessieren.»
Positiv findet sie, dass die Politik «weiter ist als vor 15 Jahren». Damals sagten zwei Drittel der Kantonsratsmitglieder Nein zum Stimmrechtsalter 16. Jüngst stimmte der Regierungsrat und eine klare Mehrheit von 95:73 Kantonsrätinnen und Kantonsräten für das Anliegen.
Allerdings hat der Meinungsumschwung beim Volk (noch?) nicht stattgefunden. Trotzdem sieht sie keinen grundsätzlichen Gegensatz zwischen Politik und Volk. «Es ist ein Meinungsprozess, der Zeit braucht», analysiert Gehrig. Die Politik sei in der Meinungsbildung weiter, sagt Gehrig und zieht einen Vergleich zum Frauenstimmrecht. Es habe auch mehrere Anläufe gebraucht, bis die Männer den Frauen das Stimmrecht verliehen.
Einen politischen Konsens sieht Gehrig immerhin im Anliegen, die politische Bildung an den Schulen zu stärken.
Nun hofft die GLP-Politikerin trotz des Rückschlags, dass es national weitergeht mit dem Anliegen, den 16- und 17-Jährigen mehr politische Rechte zu geben. Im März hatte der Nationalrat mit 99:90 Stimmen entschieden, eine konkrete Vorlage zu formulieren.
GLP-Politikerin Gehrig hatte zusammen mit der BDP und auf Betreiben der Mitte-Links-Jungparteien das Stimmrecht ins Parlament gebracht.
2. Hochrechnung
Der Trend hält an: Die 2. Hochrechnung von 12.28 Uhr ergab einen Nein-Anteil von 64.6 Prozent.
Inzwischen sind 89 von 162 Gemeinden ausgezählt. Keine sagt Ja. Neuer Spitzenreiter beim Ja-Anteil ist Flurlingen im hohen Norden des Kantons: Dort sagten 40,7 Prozent Ja zur Senkung des Wahl- und Stimmrechtsalters von 18 auf 16 Jahre.
1. Hochrechnung
Kein Vertrauen in die Jugend: Knapp zwei Drittel der Stimmenden im Kanton Zürich wollen den 16- und 17-Jährigen kein Stimm- und Wahlrecht geben. Die 1. Hochrechnung des Statistischen Amts des Kantons Zürich von 12 Uhr prognostiziert einen Nein-Anteil von 65,2 Prozent.
Bisher sind 64 von 162 Gemeinden ausgezählt. Den höchsten Nein-Anteil verzeichnet bisher Oberembrach mit 85,1 Prozent. Den tiefsten findet man in Rifferswil: 62 Prozent.
Sind 16-Jährige Kindsköpfe? - «Natürlich nicht!»

«Bei vielen Jungen fehlt das politische Interesse», sagt Lea Sonderegger (18, Jungfreisinnige). «Die Erfahrungen mit dem Stimmrechtsalter 16 im In- wie im Ausland sind positiv», antwortet Annette Schaudt (17, Junge GLP). Die beiden Zürcher Jungpolitikerinnen sind sich uneinig über die Stimm- und Wahlrechtsfrage. In einem munteren Streitgespräch haben sie ihre Argumente ausgetauscht.
Stimmrechtsalter 16 - der Podcast
Im Podcast «Apropos» 1 wird die Vorlage erklärt und werden die Chancen der Vorlage beurteilt.
Zürcher Teenager im Video
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Wollen Jugendliche überhaupt wählen und abstimmen? Das wollten wir von ihnen wissen. Die Meinungen sind geteilt: «Ich hätte jetzt Lust abzustimmen», sagt Nina (17). «Stimmrechtsalter 20 fände ich besser», sagt hingegen Daniel (18) im Video.
Und hier ist der Podcast «Apropos» 2 mit den Stimmen der Jugendlichen dazu:
Ausgangslage
Kantons- und Regierungsrat schlagen vor, dass das Stimmrechtsalter von 18 auf 16 Jahre gesenkt wird. Die 16- und 17-Jährigen sollen also auf kantonaler und kommunaler Ebene abstimmen und wählen können. Selbst gewählt werden dürften sie aber nicht. Das passive Stimmrecht bleibt bei 18 Jahren.
SP, GLP, Grüne, Die Mitte, EVP und AL stimmen dem Vorhaben zu. Sie wollen, dass die jungen Menschen früher am politischen Leben teilhaben können. Das helfe auch, das Ungleichgewicht zur immer älter werdenden Wählerschaft auszugleichen. Ausserdem seien die Jungen länger betroffen von den Entscheiden, die heute getrofen werden.
SVP, FDP und EDU bekämpfen die Vorlage. Sie erachten die 16- und 17-Jährigen als noch nicht reif genug für wichtige politische Entscheide. Rechte und Pflichten gingen einher, so sollen Minderjährige, die noch keine Steuern bezahlen, nicht über teure Projekte bestimmen können.
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