29. gedruckte Duden-AuflageVon Klimakleber bis Quetschie: Der Duden nimmt neue Wörter auf
3000 neue Einträge finden sich im neuen Duden, Hunderte alte wurden gestrichen. Wer die deutschsprachige Welt verstehen will, kann auf das Standardwerk nicht verzichten.
Würde man einen Satz bilden wollen mit Begriffen, die sich künftig nicht mehr unter den 151’000 Stichwörtern der 29. gedruckten Duden-Auflage befinden, so könnte dieser lauten: «Wer darüber koldert, dass Bordürenkleid, Knaupelknochen und Saumsal ertötet wurden, wer sich bei Dampfradio, Speckhals und Wellensalat defraudiert fühlt, den dürfte zusätzlich bedünken, dass neben dem UMTS-Handy, auch Bildschirmlexikon und Haushaltungswesen barattiert wurden.» Nicht verstanden? Na, da sieht man mal wieder, wie schnell sich Sprache so verändert.
Wörter und Ausdrücke kommen und gehen. Wer sich ihnen aber widmet und sie studiert, der versteht vieles besser im Leben. Tatsächlich macht es grosse Freude, das Durchblättern der mehr als 1300 aktuellen Duden-Seiten, welche von kommendem Dienstag an im Handel erhältlich sein werden.
Unter etwa 3000 Neuzugängen seit der letzten Ausgabe des Jahres 2020 findet sich hier, logisch, viel zum Thema Corona: Corona-Leugner/-in, vulnerabel, Distanzunterricht, Verschwörungsmythos, Impfzertifikat, Virusvariante. Insgesamt, so erklärt Duden-Redaktionsleiterin Kathrin Kunkel-Razum, habe die Analyse von Milliarden deutschen Wortformen drei entscheidende Themenfelder aufgezeigt: «Krise, Krieg und Kochen.» Auf der einen Seite also: der tägliche Schrecken. Auf der anderen: Eskapismus.
Der Fleischersatz und das Onsen-Ei haben es auch geschafft
Der Eskapismus ist das Interessanteste beim Studium des für Schulen und Behörden in Fragen der Rechtschreibung weiterhin verbindlichen deutschen Regelwerks (junge Leute vertrauen hier meist mehr auf KI, aber Obacht: KI fliesst). Die Gojibeere hat es endlich auf Duden-Papier geschafft! Ebenso: die Gemüsekiste, das Onsen-Ei und der Fleischersatz. Aber auch Kiesgarten, Balkonkraftwerk und Extremwetterereignis sind mit dabei.
Ebenso wurden Ausdrücke wie matchen, ghosten, framen, Chat-GPT, Triggerwarnung, Quetschie und (freilich versehen mit Copyright, Juristen werden immer mächtiger) Firmen wie Tiktok hier aufgenommen. Das sagt dann schon was aus über die Welt.
Genauso wie die erstmals aufgeführten Wörter Klimakleber, Awareness, Neurodiversität, Regenbogenfahne und Wokeness. Und keine Angst, liebe Ältere: Auch euer vom Duden-Team zuletzt frech gestrichener Hackenporsche (Einkaufstrolley für Senioren) ist wieder zurück.
Und neben Räuchertofu und Sushireis haben es zum Glück auch der Dampfgarer, der Kaffeevollautomat und der Ottifant zwischen die gelb-schwarzen Buchdeckel geschafft. Spannend sind aber auch (im Online-Duden zum Teil schon länger existierende) Ausdrücke wie Catcalling, Intimbehaarung, Upskirting, Bondage, Nutri-Score und Frugalist (Duden: «jmd., der durch Sparsamkeit eine frühe Unabhängigkeit von Erwerbsarbeit anstrebt»).
Am Ende der Lesung jedenfalls herrscht Klarheit: Der Mocktail (Cocktail ohne Alkohol) ist deutlich sympathischer als der Ukrainekrieg (beides Neuzugänge). Und dass es neben Lieblingsmensch und Salsiccia endlich auch der Vogelschiss auf Duden-Papier geschafft hat, gibt nun wirklich Anlass zur Hoffnung.
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