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Rechtsradikaler Mob in Dublin
Nach der schlimmsten Gewaltnacht seit Jahr­zehnten fragt sich Irland: Warum?

An Garda Siochana at the scene in Dublin city centre after five people were injured in an attack, including three young children. Violent scenes have unfolded close to the site of the attack in Dublin city centre as crowds of protesters gathered. Picture date: Thursday November 23, 2023. (Photo by Brian Lawless/PA Images via Getty Images)
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Es sind Szenen der Gewalt, wie sie Irland seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat: In der Nacht auf Freitag zog ein rechtsextremer Mob durch Dublin und hinterliess eine Spur der Verwüstung. Irlands Polizeichef Drew Harris berichtete am Tag danach von «schrecklichen Vorfällen», die teils vermummten Krawallmacher seien «voller Hass» gewesen. Bereits am Donnerstagabend hatte er eine «von rechtsextremer Ideologie getriebene Hooligan-Fraktion» für die Ausschreitungen verantwortlich gemacht. Wie es aussieht, sind die Sicherheitsbehörden von den Krawallen überrascht worden.

Die Tat ereignete sich vor einer Schule in Dublin. Nach Berichten von Augenzeugen ging ein Mann um die 50 mit einem Messer auf Kinder los. Ein fünfjähriges Mädchen und eine Frau im Alter zwischen 30 und 40 wurden mit schweren Verletzungen ins Spital gebracht. Ein Fünfjähriger und eine Sechsjährige wurden leicht verletzt. Passanten gelang es, den Mann zu überwältigen und ihm das Messer abzunehmen. Er wurde noch vor Ort von der Polizei festgenommen und zunächst mit ernsten Verletzungen im Krankenhaus behandelt.

Spekulationen über Nationalität des Täters

Die Nachricht verbreitete sich rasant in den sozialen Medien. Die Garda, wie die Polizei in Irland heisst, rief die Bevölkerung dazu auf, «Desinformation und Gerüchte» nicht zu beachten. Das Motiv für den Messerangriff sei noch unklar, nichts könne ausgeschlossen werden. Zur Identität des mutmasslichen Täters machte die Polizei zunächst keine Angaben. Erst müssten die Fakten geklärt werden, hiess es.

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Doch da war es schon zu spät. Am Donnerstagabend versammelten sich immer mehr Menschen in der Innenstadt. Sie zogen durch die Strassen und riefen ausländerfeindliche Parolen wie «Get them out» («Schafft sie aus»). Auf Videos in sozialen Medien war zu sehen, wie vermummte Randalierer Flaschen und Feuerwerkskörper auf Polizisten warfen. Die irische Justizministerin Helen McEntee sprach von einem Mob aus Schlägern und Kriminellen, die den entsetzlichen Messerangriff nutzten, «um Spaltung zu säen und Chaos anzurichten».

34 Personen festgenommen

Am Tag danach beschäftigten Irland nicht nur die Aufräumarbeiten in Dublin, sondern auch die Frage, warum die Lage so eskalieren konnte. In den irischen Medien wurden vor allem zwei mögliche Gründe für die Ausschreitungen thematisiert: Migration und Wohnungsnot. Zum einen sind da die Zahlen des nationalen Statistikamts: Von April 2022 bis April 2023 sind 141’600 Menschen nach Irland eingewandert – so viele wie seit 16 Jahren nicht mehr. Darunter sind viele Asylsuchende, die von der Regierung in Hotels untergebracht worden sind.

A burned out bus is removed from O'Connell Street in the aftermath of violent scenes in the city centre on Thursday evening, in Dublin, early Friday, Nov. 24, 2023. The unrest came after an attack on Parnell Square East where five people were injured, including three young children. (Brian Lawless/PA via AP)

In rechten Kreisen wird das bereits seit längerer Zeit scharf kritisiert. Der Vorwurf an die Regierung lautet: Für die irische Bevölkerung gebe es nicht genügend Wohnraum, für die Flüchtenden sei hingegen allerlei Geld da, um Hotelzimmer zu bezahlen.

Tatsächlich zählt die Wohnungsnot laut Meinungsumfragen zu den grössten Problemen des Landes, vorwiegend in der Hauptstadt Dublin. Dort fehlt es an Wohnungen – und wenn es welche gibt, sind die Mieten meistens so hoch, dass es sich diese nur noch Gutverdienende leisten können. Der Mangel an Wohnraum ist wiederum die Folge eines Booms, dem Irland seinen wirtschaftlichen Aufschwung zu verdanken hat. Die irische Regierung lockte vor allem grosse Techkonzerne mit grosszügigen Steuervergünstigungen ins Land.

Apple, Meta – und Zelte mitten in Dublin

Über die Jahrzehnte hinweg haben sich multinationale Unternehmen in Dublin niedergelassen, weil sie dort sagenhaft wenig Steuern zahlen. Da ist zum Beispiel Meta, früher bekannt als Facebook. Jeder zehnte der weltweit 60’000 Angestellten ist in der irischen Europazentrale beschäftigt. Oder Google: Der US-Konzern hat hier 8000 Mitarbeiter. Auch Apple, Twitter und Linkedin steuern ihr Europa-Geschäft von Irland aus. Hinzu kommen Standorte von Amazon, Paypal, Etsy und Airbnb.

A homeless man by his tent talking to Garda as protesters demonstrate outside the International Protection Office in Dublin. Issue date: Saturday May 13, 2023. (Photo by Niall Carson/PA Images via Getty Images)

Doch der Boom hat eben seine Schattenseiten. Die Schere zwischen Arm und Reich ging in den vergangenen Jahren immer stärker auseinander. Auf den Strassen von Dublin stehen Zelte, in denen Menschen leben, die sich keine Wohnung leisten können. Viele Irinnen und Iren fühlen sich abgehängt – und als Verlierer der Globalisierung, die man in Dublin in Gestalt von Bürogebäuden sehen kann, in denen Menschen aus aller Welt für multinationale Konzerne arbeiten, die meisten davon mit Hauptsitz in den USA.

Immer wieder rechtsextreme Proteste

Inwieweit diese Entwicklungen den Hass auf Einwanderer befeuert haben, wird die Debatten wohl noch für längere Zeit dominieren. Fest steht jedenfalls, dass es bereits in den vergangenen Monaten immer wieder zu rechtsextremen Protesten in der Innenstadt von Dublin gekommen ist. Im Sommer wurde ein Tourist aus den USA von Schlägern so brutal angegriffen, dass er ins Koma fiel. Damals zeigte sich die irische Regierung schockiert und versprach ein 10-Millionen-Euro-Paket, um die Polizeipräsenz in Dublin zu verstärken.

Nun, in der Nacht auf Freitag, waren die Beamten anfangs überfordert. Und zwar so sehr, dass Polizisten aus dem ganzen Land nach Dublin kommen mussten, um die Krawalle einigermassen unter Kontrolle zu bekommen. Für die nächsten Tage scheinen die Sicherheitsbehörden besser vorbereitet zu sein. Irlands Polizeichef Harris sagte am Freitag, er gehe davon aus, dass es zu weiteren Gewaltausbrüchen kommen könnte.