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Gregor Kobel im Champions-League-Final
Gegen Real kann er beweisen, dass Murat Yakin sich irrt

PARIS, FRANCE - MAY 07: Gregor Kobel of Borussia Dortmund looks on as the shot from Nuno Mendes of Paris Saint-Germain (not pictured) hits the post as he dives whilst attempting to make a save during the UEFA Champions League semi-final second leg match between Paris Saint-Germain and Borussia Dortmund at Parc des Princes on May 07, 2024 in Paris, France.  (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)
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Als Gregor Kobel im vergangenen Oktober seinen Vertrag in Dortmund vorzeitig bis 2028 verlängerte, gab es das grosse Schulterklopfen von seinen Chefs. «Seine sportliche Entwicklung hat uns tief beeindruckt», sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Und Sportchef Sebastian Kehl hob Kobel auf «Weltklasse-Niveau». Mit dem Lob verbunden war eine satte Gehaltserhöhung, von 3,5 auf ebenso geschätzte 10 Millionen Euro im Jahr.

Mit 40 Millionen gibt Transfermarkt.de den Marktwert Kobels an. Nur Diogo Costa, der Portugiese aus Rothrist beim FC Porto, wird bei den Torhütern höher eingeschätzt, um 5 Millionen. Gianluigi Donnarumma von Paris St-Germain und Mike Maignan von Milan teilen sich mit Kobel den zweiten Platz in dieser Rangliste. Kaliber wie Manuel Neuer, Marc-André ter Stegen oder Alisson werden zum Teil deutlich tiefer eingestuft, weil sie wesentlich älter sind als Kobel.

Wer nun so bewertet wird wie dieser 26-jährige Gregor Kobel aus Zürich, für den kann nur die grosse Bühne gut genug sein. In Dortmund findet er sie, weil zu jedem Heimspiel 81’305 Zuschauer kommen. Und am Samstag hat er sie, weil er mit der Borussia den Final der Champions League (ab 21 Uhr im Ticker) bestreiten kann. Im Wembley gegen Rekordsieger Real Madrid – imposanter geht es nicht im Clubfussball.

Kobel erfüllt sich einen Traum

Wenn Kobel nun unter der Woche in einer Medienrunde über diesen Match redet, tönt das so richtig nach Sportler-Slang: «Es wird eine Riesenchallenge, weil Real eine Riesenmannschaft ist. Aber genau für solche Spiele lebt man als Profisportler. Davon hast du immer geträumt. Es wird eine richtig geile Sache werden.»

Im Wembley wird Kobel in einen kleinen Kreis von Schweizern vordringen, die schon einmal in einem Champions-League-Endspiel zum Einsatz kamen. Stéphane Chapuisat machte 1997 mit Dortmund beim Triumph gegen Juventus den Anfang. Stephan Lichtsteiner folgte 2015 mit Juventus bei der Niederlage gegen Barcelona. Der bislang Letzte ist Manuel Akanji, als er vor einem Jahr mit Manchester City das Triple komplettierte.

Dass es die Dortmunder jetzt bis nach London geschafft haben, nach einer für ihre Verhältnisse höchst bescheidenen Bundesliga-Saison mit Tabellenplatz 5, hat einiges mit Kobel zu tun. In dieser Champions League hat er mehr Schüsse abgewehrt als jeder andere Goalie, und das gegen Teams wie Milan, Newcastle, Atlético Madrid oder gleich zweimal Paris St-Germain.

Wer ist besser: Kobel oder Sommer?

Solche Fakten mehren seinen Ruf, einer der besten Goalies der Welt zu sein. Wenn dieses Urteil von Philipp Degen kommt, ist das immer auch parteiisch, Degen ist sein Berater. Bei Jörg Stiel, dem früheren Nationaltorhüter, tönt das dagegen unverdächtig.

Damit beginnt bereits die Diskussion, die Degen nicht mehr hören mag: wer denn der beste Torhüter der Schweiz ist. Yann Sommer oder eben Kobel, neun Jahre jünger und zwölf Zentimeter grösser?

Sommer hat 2014 nach der WM in Brasilien die Nachfolge des zurückgetretenen Diego Benaglio angetreten. Seither steht er unbestritten im Tor der nationalen Auswahl, egal ob mit Vladimir Petkovic als Trainer oder seit knapp drei Jahren mit Murat Yakin. An ihm hat es nie ein Vorbeikommen gegeben, allen voran für Marwin Hitz und Roman Bürki nicht.

Im Rückblick hat Hitz die NZZ wissen lassen, wo das Problem lag: «Die Bindung des Trainers zu seiner Nummer 1 war zu eng. Er liess Roman und mich sehr schnell spüren, wer die Nummer 1 ist.» Hitz redete von Goalietrainer Patrick Foletti, dem vor der EM 2016 der bedeutungsvolle Satz gelungen war, Sommer sei wie ein Sohn für ihn.

Der Ärger von Berater Degen

Hitz gab 2018 auf, nach zwei völlig belanglosen Länderspiel-Einsätzen. Bürki, dazumal immerhin die Nummer 1 in Dortmund, folgte ihm im Jahr darauf. Nach neun Einsätzen hatte er genug von der «undankbaren Aufgabe», gegen San Marino oder Andorra spielen zu dürfen.

Jetzt ist es Kobel, der daran arbeitet, die Festung Foletti/Sommer einzunehmen. Bislang ist auch er gescheitert, und daran haben seine Leistungen in den vergangenen drei Jahren in Dortmund nie etwas geändert, auch nicht die Tatsache, dass ihn das Fachblatt «Kicker» zuletzt zweimal zum besten Torhüter der Bundesliga wählte.

11.11.2021; Rom; Fussball Nationalmannschaft - Training Schweiz; 
Torhuetertrainer Patrick Foletti (L) mit Torhueter Yann Sommer (SUI, R)
(Toto Marti/Blick/freshfocus) 
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Es ist nun nicht so, dass es Grund gäbe, an Sommer etwas zu mäkeln. Sommer ist in den vergangenen zehn Jahren eine gute bis sehr gute erste Wahl gewesen. Auch darum ist Yakin im Dezember schon auf die Idee gekommen, ihm einen Freipass für die anstehende EM in Deutschland auszustellen.

Doch genau daran hat sich Kobels Berater Degen gestört, wie sehr, brachte er beim Fernsehsender Sky zum Ausdruck: «Diese Entscheidung zu diesem Zeitpunkt setzt das Leistungsprinzip praktisch ausser Kraft. Gregor ist einer der besten Keeper der Welt, und man sagt ihm, dass seine Leistungen nicht relevant sind – das halte ich für ein ganz schlechtes Zeichen.» Und schob nach, dass das enge Verhältnis Folettis mit Sommer «einen sehr, sehr faden Beigeschmack» hinterlasse.

Kobel kennt Foletti seit seinen Juniorenzeiten bei GC, allerdings hat der mit seinem Weg an die internationale Spitze nichts zu tun. Mit 16 entschloss er sich, das Gymnasium abzubrechen und sich in Hoffenheim ausbilden zu lassen. Er wurde für ein halbes Jahr nach Augsburg ausgeliehen, um Spielpraxis zu bekommen, und gleich darauf für zwei Saisons nach Stuttgart. Beim VfB überzeugte er derart, dass Dortmund ihn 2021 für 15 Millionen Euro verpflichtete und Hitz sowie Bürki zu seinen Stellvertretern degradierte.

Für Andorra ist Kobel gut genug

Kaum in Dortmund, durfte er sein erstes Länderspiel machen. Es war zum Debüt von Yakin als Nationalcoach beim Test gegen Griechenland. Vier Einsätze sind seither dazugekommen, alle belanglos, ausser an der WM in Katar im dritten Gruppenspiel gegen Serbien. Da war er ausnahmsweise gefragt, weil Sommer kränkelte. Beim 1:6 im Achtelfinal gegen Portugal nahm er wieder seinen Stammplatz auf der Bank ein.

DOHA, QATAR - DECEMBER 02: Dusan Vlahovic (R) of Serbia is challenged by Gregor Kobel of Switzerland during the FIFA World Cup Qatar 2022 Group G match between Serbia and Switzerland at Stadium 974 on December 02, 2022 in Doha, Qatar. (Photo by Marvin Ibo Guengoer - GES Sportfoto/Getty Images)

Zwei Spiele verpasste Kobel im vergangenen Herbst, weil er kurzfristig muskuläre Probleme hatte. Es wären die besonderen Herausforderungen gegen Andorra und Kosovo gewesen, die man ihm gönnen wollte. Dass er, kaum war er weg von der Nationalmannschaft, für Dortmund gleich wieder im Tor stand, mochte Zufall sein. Vielleicht aber auch ein Zeichen dafür, dass die Chemie zwischen ihm und Foletti besser sein könnte.

Ende letzten Jahres mutmasste der frühere Nationalspieler Stéphane Henchoz in der «SonntagsZeitung»: «Ich habe nicht den Eindruck, dass Kobel Lust hat, nächsten Sommer fünf Wochen als Nummer 2 zu erleben. Dann zieht er es lieber vor, Ferien zu machen.» Und: «Sommer wird eines Tages nicht mehr die Zukunft sein. Unglücklicherweise wird dieser Tag vor der EM sein müssen – damit Kobel nicht wie Bürki handelt.»

Henchoz’ Prognose ist zwar nicht eingetroffen, Kobel meldet sich als Nummer 2 für die EM zum Dienst. Aber nach diesem Turnier wird er kaum mehr stillhalten. Dafür ist er zu ehrgeizig. Und zu gut.