«Writer in Residence» in ZürichDjaimilia Pereira de Almeida kreiert eine «Sinfonie des Widerstands»
In Portugal sind ihre Werke vielfach preisgekrönt, in der Schweiz kennen sie nur wenige. Das wird sich nun ändern.

Die Beschreibung klingt vielversprechend: «Fast schwindlig wird einem inmitten der Schönheit der Worte, der Klänge. Eine berauschende Lektüre.» So wird der 2019 erschienene Roman «A Visão das Plantas» der portugiesischen Autorin Djaimilia Pereira de Almeida in der Folha de São Paulo beschrieben. Sie hat die grösste Reichweite aller Tageszeitungen Brasiliens.
Im portugiesischen Sprachraum ist Djaimilia Pereira de Almeida längst eine literarische Grösse. In der Schweiz kennen sie nur wenige. Das dürfte sich aus zwei Gründen bald ändern: Im Februar erscheint der oben erwähnte Roman unter dem Titel «Im Auge der Pflanzen» in deutscher Übersetzung. Und ebenfalls ab Februar wird die Autorin für fünf Monate als «Writer in Residence» in Zürich leben.

Djaimilia Pereira de Almeida wurde 1982 in Luanda, Angola, geboren und wuchs in Lissabon auf, wo sie heute noch zusammen mit Humberto Brito, ebenfalls Autor, lebt. Sie hat als Literaturtheoretikerin promoviert und mittlerweile sieben Romane und drei Essaybände veröffentlicht. Auch schreibt sie regelmässig für verschiedene portugiesische oder brasilianische Zeitschriften und Magazine.
In allem, was sie schreibt, ist sie Sprachkünstlerin und politisch engagierte Autorin zugleich. «Meisterhaft verwebt die Autorin Wörter zu Sätzen, erschafft ein ebenso zartes wie starkes Geflecht», wird ihre Sprache wiederum im Folha de São Paulo beschrieben. Und weiter: «Der Reichtum ihrer Sprache liegt in deren Einfachheit. Aussergewöhnlich.» Und die «New York Times» schreibt: «Almeidas Prosa liest sich wie ein lyrischer Gedankenstrom.»
Es geht um die Kolonialzeit
Aussergewöhnlich sind auch die Themen, denen sie sich annimmt. Der Roman «Im Auge der Pflanzen» ist die Geschichte eines alten Kapitäns mit dunkler Vergangenheit, der hingebungsvoll seinen verwilderten Garten pflegt. Es geht um die in der Kolonialzeit begangenen Verbrechen. Und es geht darum, ob Schuld jemals gesühnt werden kann.
Eine Antwort darauf gibt es nicht. Das wäre auch zu einfach. In der portugiesischen Tageszeitung «Público» schreibt eine Journalistin über das Buch: «Djaimilia Pereira de Almeida bringt Politik, Ethik und Ästhetik miteinander in Dialog und komponiert so eine Sinfonie des Widerstands.» Und: «Ihre Werke haben die Kraft, die Gesellschaft zu verändern.»
Eingeladen, nicht ausgeschrieben
Djaimilia Pereira de Almeida ist die 23. Gastautorin des Zürcher Writer-in-Residence-Programms. Dieses startete im Dezember 2010 mit dem finnischen Autor Olli Jalonen und wird seither zweimal pro Jahr für jeweils sechs Monate vergeben.
Das Stipendium wird nicht ausgeschrieben, sondern erfolgt auf Einladung. Die Auswahl nimmt das Literaturhaus Zürich vor. Die gemeinnützige Wohnungsbaustiftung PWG stellt eine möblierte 2-Zimmer-Wohnung im Stadtzürcher Kreis 7 zur Verfügung. Finanziell unterstützt wird das Projekt von Stadt und Kanton Zürich.
Beidseitiger Kulturaustausch
Eingeladen werden vorab jüngere Autorinnen und Autoren aus der ganzen weiten Welt. Zuletzt waren dies Tadeusz Dabrowski (Polen), Shumona Sinha (Indien/Frankreich), Viktor Martinowitsch (Weissrussland), Ken Bugul (Senegal) und Hernán Ronsino (Argentinien). Die Idee ist, ihnen ein halbes Jahr unbeschwertes und intensives Schreiben zu verschaffen.
Umgekehrt, so betont die Leiterin des Literaturhauses, Gesa Schneider, sollen nicht nur die Autorinnen und Autoren einen Einblick in eine andere Kultur erhalten. «Auch für Zürich ist das Programm eine Chance zu einem breiteren Zugang zur Welt.»
Auch von diesem Gesichtspunkt aus scheint die Wahl von Djaimilia Pereira de Almeida vielversprechend. Ist sie doch Beraterin von Portugals Präsidenten Marcelo Rebelo de Sousa für Menschenrechte, Chancengleichheit und Nicht-Diskriminierung.
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