Präsidentenwahlen im IranDiplomat gegen Generäle
Der gemässigte Aussenminister Mohammed Jawad Sarif überlegt sich eine Kandidatur bei den Wahlen im Juni. Dann würde die Präsidentenwahl zu einer Abstimmung über das Atomabkommen.

Irans Präsident Hassan Rohani scheidet im Sommer aus dem Amt. Er darf nach der Verfassung nicht mehr antreten bei der Wahl am 18. Juni, die als Richtungsentscheidung für die Islamische Republik gilt. Doch versucht er erkennbar Einfluss zu nehmen auf den Ausgang und das Kandidatenfeld.
«Sicherlich ist die Aufgabe der Streitkräfte nicht nur militärischer Natur. Aber sie ist auch nicht, in die Politik einzusteigen», sagte der als moderater Konservativer geltende Politiker in einer Rede zum Tag der Armee in Teheran.
Der Rat des Regierungschefs, das Militär solle sich darauf beschränken, die Souveränität des Landes zu verteidigen, und der vom Volk gewählten Regierung dienen, ist eine wenig verhüllte Warnung. Davor, dass die Revolutionsgarden im Sommer das höchste Regierungsamt an sich reissen und damit die Richtung des Landes grundlegend ändern könnten. Alle der bislang als aussichtsreich gehandelten Kandidaten waren hochrangige Kommandanten der Eliteeinheit.
Dagegen haben die Moderaten, Rohanis Lager also, ebenso wie die mit ihm verbündeten Reformer bislang keinen Bewerber aufgestellt, der sich Siegeschancen ausrechnen könnte.
Hardliner wollen Atomdeal mit USA verhindern
Aussenpolitik ist Innenpolitik: Selten trifft dieses Diktum so zu wie bei der bevorstehenden Wahl im Iran. Einer Öffnung des Landes stehen die Kandidaten aus den Reihen der Revolutionsgarden ebenso kritisch gegenüber wie dem Atomabkommen von 2015 und den Versuchen Rohanis, eine Rückkehr der USA in den Vertrag auszuhandeln. Gelingt dies, müsste sich der Iran wieder an strikte Beschränkungen für sein Atomprogramm halten.
Vor allem aber lehnen die Männer aus den Revolutionsgarden kategorisch die von den Europäern und den USA angestrebten Verhandlungen über Irans Rolle in der Region oder sein Programm zum Bau ballistischer Raketen ab – beides steht unter der Kontrolle der Garden. (Lesen Sie dazu den Kommentar «Für immer Feind».)

Unterstützung aus dem Machtzentrum des Regimes kann Hossein Dehghan für sich beanspruchen. Der frühere Kommandant der Luftwaffe der Revolutionsgarden im Rang eines Brigadegenerals war in der ersten Rohani-Regierung Verteidigungsminister. Derzeit dient er dem Obersten Führer, Ayatollah Ali Khamenei, als Militärberater und hat Rohani in dessen zweiter Amtszeit häufiger kritisiert.
Zwar decken sich die Positionen der Revolutionsgarden häufiger mit jenen der Hardliner in Teheran, die seit der Wahl im Februar 2020 eine klare Mehrheit im Parlament stellen. Dehghan aber hat in den vergangenen Wochen seine Unabhängigkeit von allen politischen Lagern betont. Linientreu ist er dagegen gegenüber Khamenei. Damit hat er gute Chancen, dass der Wächterrat seine Kandidatur zulässt.
Militär hat grossen Einfluss auf die Wirtschaft
Als Kandidat der jüngeren Generation präsentiert sich Saeed Mohammad, der kürzlich als Chef von Khatam al-Anbiya zurücktrat, der von den Revolutionsgarden kontrollierten Unternehmensgruppe. Zu ihr gehören Irans grösstes Bauunternehmen, eine Fluggesellschaft, Ölfirmen und eine Reihe Rüstungsbetriebe. Der Ingenieur ist 1968 geboren und hat anders als viele seiner Konkurrenten nicht im Krieg gegen den Irak gekämpft. Er würde zweifellos die ohnehin grosse Macht des Militärs in der Wirtschaft weiter ausbauen.
Neben ihm werden auch Mohsen Rezai, von 1980 bis 1997 Kommandant der Revolutionswächter, Chancen eingeräumt. Ebenso Mohammed Baqer Qalibaf, der als Bürgermeister von Teheran Karriere gemacht hat und jetzt Sprecher des Parlaments ist. Bei der Wahl 2017 musste er auf Druck Khameneis seine Bewerbung zurückziehen.
Sollten Präsident Rohani und sein Aussenminister Mohammed Jawad Sarif bei den Atomverhandlungen in Wien das Ende der US-Sanktionen erreichen, könnte sich das von Konservativen dominierte Rennen um die Präsidentschaft wenden.
Sarif hatte eine Kandidatur lang ausgeschlossen. Dass ihn die Konservativen als Person wie seiner Politik wegen zum zentralen Wahlkampfthema machen, vor allem die Atomverhandlungen, soll aber einen «Prozess des Umdenkens» ausgelöst haben. Erklärt hat sich Sarif noch nicht. Offen ist auch, ob der Wächterrat ihn zulassen würde. Dann allerdings würde die Präsidentenwahl zur Volksabstimmung über das Atomabkommen. (Lesen Sie zur politischen und sozialen Lage im Iran ein Interview mit Iran-Kennerin Natalie Amiri.)
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