Rüffel der FinanzkontrolleBund kommt mit elektronischer Verwaltung kaum vom Fleck
Der Bund treibt die Digitalisierung der Verwaltung voran. Laut der Eidgenössischen Finanzkontrolle ist von 16 geprüften Projekten aber nur ein Viertel auf einem guten Weg.
Das elektronische Patientendossier des Bundes ist bislang ein Flop, weil zu umständlich und kaum gefragt. Besser soll es mit der Entwicklung einer elektronischen ID kommen, die der Bund aus eigenen Kräften entwickeln will. Ob das eine gute Idee ist?
Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) kommt nach 16 Prüfungen von digitalen Transformationsprojekten nämlich zu einem ernüchternden Fazit. In einem Synthesebericht über sämtliche 16 Berichte hält sie fest: «Nur ein Viertel der 16 für Prüfungen ausgewählten Projekte war auf dem richtigen Weg.» Bei der Hälfte der Projekte habe man «wesentliche Mängel festgestellt und das restliche Viertel lag dazwischen», schreibt die EFK, das höchste Kontrollorgan über die Bundesverwaltung.
Probleme bei Führung und Strategie
Sie konstatiert unter anderem Schwächen bei der strategischen Führung, zu wenig ambitionierte Projektziele und unzureichende Steuerung und Strukturen. Die Projekte orientierten sich häufig zu wenig an den Bedürfnissen der Nutzer, Rechtsgrundlagen würden nicht konsequent genug angepasst und Daten als Schlüsselressource schlicht «nicht ausreichend beachtet».
Zu den Digitalprojekten, welche die EFK überprüfte, gehörten etwa solche zu Direktzahlungskontrollen in der Landwirtschaft, Onlineverwaltung der Sonderabfälle, aber auch ein Programm des Bundesamts für Zoll und Grenzschutz, das bis 2026 sämtliche Zoll-, Abgaben- und Kontrollprozesse vereinfachen, optimieren und digitalisieren will.
«Die Schweiz liegt bei den elektronischen Behördenleistungen auf Rang 28 von 36 europäischen Staaten.»
Die Digitalisierungsprobleme der Bundesverwaltung sind nicht neu und selbst im Ausland bekannt. Darauf verweist auch die EFK. Sie schreibt: «Obwohl die Schweiz auf allen Staatsebenen zahlreiche Aktivitäten lanciert hat, liegt sie gemäss dem E-Government-Benchmark 2022 der Europäischen Kommission bei den elektronischen Behördenleistungen auf Rang 28 von 36 europäischen Staaten.» Digitalisierungsvorhaben seien zwar «anspruchsvolle und komplexe Vorhaben», in erster Linie aber «ein wichtiges Instrument für die Gestaltung der Zukunft», heisst es im EFK-Bericht.
Die Bundeskanzlei, die in die digitale Transformation des Bundes involviert ist, stellt in einer schriftlichen Stellungnahme die Methodik der Finanzkontrolle infrage: «Ob die EFK bewusst Projekte mit exemplarischen Schwierigkeiten gewählt hat oder ob die Auswahl (aus den Hunderten Projekten) zufällig erfolgte und damit die Aussagen zu den Quoten repräsentativ sind, können wir nicht beurteilen.»
Klagen über Personalmangel
Den Vorwurf, man habe sich ausschliesslich auf Probleme fokussiert, weist die EFK zurück. «Es fand keine Vorselektion statt im Sinne, dass nur Berichte über Projekte mit exemplarischen Schwierigkeiten im Synthesebericht berücksichtigt worden wären», teilt Brigitte Christ, stellvertretende EFK-Direktorin, auf Anfrage mit. Ihre Behörde wähle für Prüfungen gezielt Vorhaben und Projekte aus, «die einen höheren Risikogehalt aufweisen als andere», so Christ. Dies ermögliche «einen gezielten Einsatz der Ressourcen».
Als ein Problem macht die EFK aus, «dass in etwa einem Viertel der Fälle die Verantwortung für digitale Transformationsprojekte von der Spitze nach unten delegiert und dort mangels Durchsetzungskraft nicht konsequent umgesetzt wird». Zudem werde «immer wieder die Schwierigkeit genannt, zu wenig geeignete Fachkräfte und Stellen intern zu haben und rekrutieren zu können». Stattdessen müssten viele externe Projektmitarbeiter eingesetzt werden, auch in Schlüsselpositionen, wodurch schnell eine allzu grosse Abhängigkeit von externem Know-how entstehe.
«Für junge IT-Leute ist der Bund als Arbeitgeber heute schlicht nicht attraktiv genug.»
Dass die Digitalisierungsprobleme des Bundes mitunter auf einen Fachkräftemangel zurückzuführen sind, beobachtet man auch beim Verein CH++, der die Wirksamkeit der Schweizer Politik und Verwaltung durch Technologie und Wissenschaft erhöhen will.
Um die Probleme in den Griff zu bekommen, sollte die Schweiz dringend mehr IT-Spezialisten ausbilden und der Bund müsste die Arbeitskultur innerhalb seiner Ämter grundlegend verändern sowie für mehr technologische Kompetenz auf der Führungsebene sorgen, betont Olga Baranova, Geschäftsführerin von CH++. Es sei für junge Fachleute heute schlicht wenig attraktiv, für den Bund und damit den Service public zu arbeiten, weil Hierarchien zu starr seien und es kaum Raum für selbst organisiertes Arbeiten und das Eingehen von Risiken gebe.
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