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«Oster-Lockdown» statt Lockerungen
Diesmal wirkte Merkels Drohung

Am Ende von langen, schweren Verhandlungen mit den Bundesländern: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, als sie um halb drei Uhr morgens vor die Presse trat.
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Angela Merkels Klage in den Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer klang eigentümlich vertraut. Nachdem die Kanzlerin mit Vorschlägen für Ausgangssperren und verpflichtende Tests in Schulen und Kitas gescheitert war und manche Länder stattdessen Lockerungen für Osterferien an der deutschen Küste verlangten, platzte ihr der Kragen.

In einer Phase, in der sich das Virus erneut exponentiell verbreite, reiche es nicht, schimpfte Merkel, einfach zu bekräftigen, was man vor drei Wochen beschlossen, aber in den Ländern nie richtig umgesetzt habe. Lockerungen für Ferien seien exakt das falsche Signal. «Ich glaube nicht, dass man damit vor der Öffentlichkeit bestehen kann.» Sie jedenfalls könne dazu nicht stehen.

Am gleichen Punkt wie vor fünf Monaten

Fünf Monate zuvor, am 14. Oktober 2020, hatte Merkel ziemlich genauso genervt getönt, als sie am Anfang der zweiten Welle mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten um schärfere Massnahmen stritt. «Das reicht einfach nicht, was wir hier machen», klagte sie damals. So könne man «das Unheil» nicht mehr abwenden. «Dann sitzen wir in zwei Wochen halt wieder.» Gemeint war: Um zu beschliessen, was aus ihrer Sicht längst nötig war.

Damals gab Merkel am Ende klein bei (und bekam dafür zwei Wochen später recht), weil sie einsah, dass die Länder die Lage viel weniger dramatisch einschätzten als der Bund. Im Rückblick gilt jenes Zögern auch bei den Ministerpräsidenten als wichtigster Fehler der zweiten Pandemiewelle.

Als man noch im Plenum diskutierte: Merkel mit Michael Müller, dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz. 

Wohl deswegen blieb Merkel diesmal hart und suchte die Konfrontation. Was ihr dabei half: Sie ahnte, dass sie sich einen Eklat vermutlich eher leisten konnte als die Ministerpräsidenten. Dass es ernst werden würde, dürfte den Länder-Chefs spätestens gedämmert haben, als die Kanzlerin die Marterwerkzeuge ihrer legendären Zermürbungskunst präsentierte: Erst liess sie die Sitzung unterbrechen, dann bearbeitete sie in stundenlangen Vierergesprächen die Verhandlungsführer der Länder, überraschte die grosse Runde am Ende mit einem radikalen Vorschlag und präsentierte nach 12 Stunden schliesslich eine Einigung, die nicht mehr viele erwartet hatten.

Von Gründonnerstag bis Ostermontag wird Deutschland nun also in einen harten, kurzen Lockdown gehen, wie es ihn hierzulande bislang allenfalls lokal gegeben hat. Alle Läden und Betriebe bleiben zu, es gelten zudem scharfe Kontaktbeschränkungen sowie ein Verbot von öffentlichen Ansammlungen. Wäre es nach Merkel gegangen, hätten am Ostersamstag nicht einmal die Supermärkte offen bleiben dürfen.

Doch wie gehts weiter?

Aus Sicht von Merkel und den meisten Ministerpräsidenten soll der «Oster-Lockdown» als Beleg dafür dienen, dass die deutsche Politik die dritte Welle ernster nimmt als im Oktober die zweite. Die Lage sei «sehr, sehr ernst», sagte die Kanzlerin nach den Verhandlungen. Wegen der Variante B1.1.7, die «infektiöser und tödlicher» sei, habe man es eigentlich mit einer «neuen Pandemie» zu tun. Wolle man einen Kollaps des Gesundheitssystems und viele unnötige Todesfälle verhindern, müsse man schärfer reagieren als zuletzt.

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So mühselig wie in der Nacht auf Dienstag war eine Einigung zwischen Bund und Ländern aber noch nie. Die ersten Reaktionen fielen mehrheitlich kritisch aus. Denjenigen, die weitere Lockerungen herbeisehnten, gingen die neuerlichen Einschränkungen zu weit, den Vorsichtigen hingegen fielen die Massnahmen zu zaghaft aus. Merkels Kraftakt sei eher eine «Verzweiflungstat» als ein «Befreiungsschlag» gewesen, lautete der Tenor.

Angesichts der grossen Impferfolge in Israel, Grossbritannien und den USA fühlt sich der seit Monaten andauernde Lockdown in Deutschland auf viele Bürger zunehmend demoralisierend an. Impfen und Testen wirken (noch) nicht schnell genug, die Erschöpfung wächst. Dabei hebt die dritte Welle erst gerade richtig an.

Dass Merkel bereits zu diesem Zeitpunkt ihre ganze Autorität aufs Spiel setzen musste, um die Regierungen der Bundesländer noch einmal von ihrer vorsichtigen Linie zu überzeugen, verheisst für die Zukunft nichts Gutes.

Nach Ostern, so sagen die Experten voraus, dürften die Zahlen der Neuinfektionen und der Spitaleinweisungen wieder ähnlich hoch liegen wie an Weihnachten – «Oster-Lockdown» hin oder her. Die Stimmung aber könnte dann nochmals erheblich schlechter sein. Nicht nur die Mahnungen der Politik haben sich in den letzten Monaten zunehmend abgenutzt, den Drohungen der scheidenden Kanzlerin im Kreis der Ministerpräsidenten geht es genauso. Doch wer setzt dann noch durch, was nötig ist?