Zweite Corona-MobilmachungDieses Mal sollen die Soldaten nicht herumstehen
Der Bundesrat löst wegen der Corona-Pandemie abermals eine Mobilmachung aus. Wir beantworten die acht wichtigsten Fragen zum neuen Ernstfall-Einsatz der Schweizer Armee.
Zum zweiten Mal mobilisiert der Bundesrat gegen Covid-19 die Armee. Bereits heute rücken erste Sanitäts- und Spitaltruppen ein, um in den Kantonen den Kollaps des Gesundheitswesens zu verhindern. Anders als beim ersten Corona-Einsatz im Frühling sollen die aufgebotenen Soldaten dieses Mal nicht mehr herumstehen, versichert Verteidigungsministerin Viola Amherd.
Warum braucht es schon wieder die Armee?
Mehrere Kantone sagen, sie könnten die Pandemie in ihren Spitälern ohne Hilfe des Militärs nicht mehr bewältigen. Den ersten Hilferuf an die Armee hat der Kanton Freiburg am 27. Oktober ausgesandt. Inzwischen haben mindestens fünf weitere Kantone Unterstützungsgesuche an die Armee gerichtet: Jura, Genf, Wallis, Bern und Tessin. Die Kantone rufen primär nach Sanitäts- und Logistikpersonal sowie Sanitätsfahrzeugen.
Aufgrund dieser Gesuche hat der Bundesrat am Mittwoch den zweiten Assistenzdienst der Armee in diesem Jahr ausgelöst. Weil der Einsatz länger als drei Wochen dauern soll, wird ihn das Parlament in der Dezembersession nachträglich bewilligen müssen.
Ist die Situation in den Spitälern wirklich so schlimm?
Das Bundesamt für Gesundheit und die wissenschaftliche Covid-Taskforce warnen, dass die Intensivstationen schon Ende Woche voll belegt sein könnten. Ob sich dieses Schreckensszenario wirklich bewahrheitet, ist offen. Die Taskforce überarbeitet derzeit ihre Prognose und will darüber am Freitag wieder informieren.
Fakt ist, dass aktuell schweizweit noch immer rund 300 Plätze auf den Intensivstationen frei sind. Das sind nur leicht weniger als am 23. Oktober (342 freie Plätze). Damals hatte die Taskforce zum ersten Mal öffentlich vor einer baldigen Überlastung der Intensivstationen gewarnt. Die Zahl der Corona-Patienten, die dort behandelt werden, ist seither von rund 150 auf etwas mehr als 350 angestiegen. Im gleichen Zeitraum wurde die Zahl der Betten auf den Intensivstationen schweizweit etwas erhöht und die Zahl der Nicht-Corona-Patienten reduziert – etwa indem auf nicht zwingende Eingriffe verzichtet wurde.
Gesundheitsminister Alain Berset sagt dazu, schweizweit sei derzeit zwar noch rund ein Drittel der Intensivpflegeplätze frei. Dabei gebe es aber sehr grosse Unterschiede. In gewissen Kantonen sei die Grenze bereits jetzt überschritten, und Patienten müssten ausserkantonal untergebracht werden.
Was bringt den Spitälern die Armee?
Laut Bundesratsentscheid sollen die Soldaten in Spitälern das zivile Pflegepersonal unterstützen, etwa bei der Vordiagnose oder bei Testabstrichen. Besonders geeignetes Sanitätspersonal soll auf den Intensivstationen eingesetzt werden, etwa in sogenannten Lagerungsteams. Zudem sollen die Soldaten Patienten mit Armee-Ambulanzen transportieren.
Was ist anders als beim ersten Corona-Einsatz?
Der Bundesrat will die Hilfsgesuche der Kantone restriktiver bewilligen als im Frühling. Er reagiert damit auf die Kritik, wonach in der ersten Welle mindestens ein Teil der aufgebotenen Sanitätssoldaten nicht wirklich gebraucht wurde und herumstand (hier lesen Sie mehr dazu).
«Wir haben aus dem ersten Armeeeinsatz die Lehren gezogen», sagt Verteidigungsministerin Viola Amherd (CVP). Deshalb müssen die Kantone dieses Mal nachweisen, dass sie sämtliche zivilen Mittel ausgeschöpft haben – namentlich den Zivilschutz, den Zivildienst und die Feuerwehr. Die Kantone müssen in ihren Hilfsgesuchen auch aufzeigen, dass sie für die benötigte Hilfe keine Arbeitslosen und keine zivilen Freiwilligen (etwa Medizinstudenten) gefunden haben. Dieses Mal komme die Armee nur zum Einsatz, «wenn die Kantone wirklich am Limit sind», versichert Amherd.
Was heisst «am Limit» konkret?
Im Kanton Freiburg, der zuerst nach der Armee gerufen hat, würden die Sanitäts- und Spitalsoldaten dieses Mal viel dringender benötigt als in der ersten Welle, sagt Didier Page, Sprecher des kantonalen Führungsorgans. Er belegt die Dringlichkeit mit zwei Zahlen: In der ersten Corona-Welle waren in Freiburg nie mehr als 89 Corona-Patienten gleichzeitig im Spital. Am letzten Dienstagabend waren im Kanton Freiburg bereits 190 Menschen mit Covid hospitalisiert – und der Höhepunkt scheint noch nicht erreicht. Zudem falle in der zweiten Welle mehr Pflegepersonal selber wegen Covid aus als in der ersten Welle, so Page.
Wie viele Soldaten bietet der Bundesrat auf?
Der Bundesrat limitiert den Umfang des zweiten Covid-Einsatzes vorderhand auf maximal 2500 Armeeangehörige. Er soll bis längstens am 31. März 2021 laufen. Es werden aber immer nur so viele Soldaten aufgeboten wie nötig, und der Bund will die Gesuche der Kantone einzeln prüfen. Zum Vergleich: Bei der ersten Mobilmachung im Frühling kamen bis 6000 Soldaten gleichzeitig zum Einsatz, davon rund 3800 im Gesundheitsbereich. Weitere Truppen waren zur Unterstützung des Grenzwachtkorps im Einsatz.
Maximal verfügt die Schweizer Armee über rund 3800 Sanitäts- und Spitalsoldaten. Ein Militäreinsatz an der Landesgrenze ist in der zweiten Corona-Welle vorerst nicht vorgesehen.
Ab wann läuft der Einsatz?
Ab sofort. Bereits heute sollen im Kanton Freiburg 75 Sanitäts- und Spitalsoldaten einrücken. Bis Freitag durchlaufen sie eine kurze Ausbildung, bereits ab Samstag sollen sie an verschiedenen Standorten des Freiburger Spitals zum Einsatz kommen.
Gibt es Freiwillige?
Ja. Und Freiwillige möchte die Armee in erster Priorität einsetzen; in zweiter Priorität sind es dann WK-Truppen und Durchdiener. Bereits letzte Woche hat die Armee per SMS 5000 Soldaten angefragt, ob sie zu einem freiwilligen Einsatz bereit seien. Laut Armeeangaben haben sich auf diesen Aufruf bisher rund 220 Soldatinnen und Soldaten gemeldet.
Falls es mehr Personal braucht, kann die Armee innert 96 Stunden weitere Truppen aufbieten. So wie beim Militäreinsatz im Frühling werden diesen Armeeangehörigen maximal 38 Einsatztage an ihre Militärdienstpflicht angerechnet – das entspricht zwei Wiederholungskursen. Darüber hinausgehende Diensttage werden nicht angerechnet.
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