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Meinung

Bund verschärft Ethanol-Engpass
Dieses Krisen-Amt ist nicht krisenfest

Handgels statt Schnaps: Weil der Bund seine Ethanol-Reserven auflöste, produzieren Brennereien wie Morand in Martigny heute Desinfektionsmittel.
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Der Artikel war schmeichelhaft für die Schweiz. Das Land verfüge über riesige strategische Reserven an Nahrungsmitteln und Rohstoffen, berichtete die «Financial Times» vor wenigen Tagen. 63’000 Tonnen Zucker, 160’000 Tonnen Mehl und vieles mehr schlummere in unseren Speichern und beruhige das Volk. Während anderswo Panikkäufer die Läden leer räumten, gebe es in Schweizer Geschäften höchstens einen Mangel an Konsumenten.

Das englische Finanzblatt wusste sogar, wem das alles zu verdanken ist: dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung.

Es mangelt gerade an vielem in der Schweiz. An Schutzmaterial. An Medikamenten. An Desinfektionsmitteln.

So wohltuend es sich in dieser Krise anfühlt, vom Ausland gelobt zu werden: Die «Financial Times» lag falsch. Nicht nur, weil es auch bei uns Panikkäufe gab. Sondern vor allem, weil es um die Versorgung der Schweiz eher schlecht bestellt ist. Es mangelt gerade an vielem. An Schutzmaterial. An wichtigen Medikamenten. An Desinfektionsmitteln.

Natürlich geht es für die Politik derzeit um die Bewältigung der Corona-Pandemie. Dennoch bedarf die schlechte Krisenvorbereitung der Schweiz dereinst einer gründlichen Aufarbeitung.

Fragen wirft just jene Abteilung auf, die von der «Financial Times» so gelobt wurde, das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL). Es ist ein Relikt vergangener Zeiten und führt im Allgemeinen eine stille Existenz im Berner Apparat. Das hat mit seiner Aufgabe zu tun: Das BWL muss Vorbereitungen treffen für den Fall machtpolitischer und kriegerischer Bedrohungen sowie für Mangellagen. In normalen Zeiten: keine aufregende Sache.

In Krisen wird dafür umso deutlicher sichtbar, wie das BWL seine Aufgaben erfüllt. Es zeigen sich derzeit grobe Mängel. Fast 80 Jahre lang lagerte die Schweiz Tausende Tonnen Ethanol zur Herstellung von Desinfektionsmitteln. Doch mit der Privatisierung der Eidgenössischen Alkoholverwaltung 2018 gab das BWL diese Reserve einfach auf. Still und heimlich. Weder das Parlament noch der Bundesrat wurden in diesen Entscheid einbezogen.

Dieses Amt, das eigentlich der Krisenbewältigung dienen sollte, ist zu oft selbst Auslöser von Krisen.

Es ist nicht der erste folgenschwere Alleingang des BWL. Auch bei der Hochseeflotte liess das Amt übergeordnete Stellen bei wichtigen Weichenstellungen und Ereignissen im Dunkeln.

Zu Beginn der Nullerjahre pumpte das BWL Hunderte Millionen Franken in die Schweizer Hochseeflotte. Als sich nach 2008 die Krise der Schifffahrtsbranche zuspitzte, schwieg man gegenüber den Vorgesetzten. Die jährlichen Risikoreportings für das Wirtschaftsdepartement erstellte das Amt im Copy-Paste-Verfahren. Ganze Kapitel blieben von 2009 bis 2015 unverändert.

Als das BWL den damaligen Departementschef Johann Schneider-Ammann endlich einweihte, war es zu spät, ein Grossteil der maroden Flotte nicht mehr zu retten. Der Schaden für die öffentliche Hand beläuft sich auf rund 350 Millionen Franken. Vorläufig.

Das BWL, das eigentlich der Krisenbewältigung dienen sollte, ist zu oft selbst der Auslöser von Krisen. Es stellt sich die Frage, wie viele Fehler sich ein Amt leisten darf. Für die Politik drängt sich ein fundamentaler Entscheid auf: Entweder das BWL wird von Grund auf erneuert. Oder es wird aufgelöst. Momentan spricht wenig gegen Letzteres.