Gastkommentar zur VerrechnungssteuerDiese Reform wird sich auszahlen
Die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer erhöht die Steuereinnahmen und vergünstigt Investitionen in unsere Infrastruktur und in nachhaltige Projekte.
Besser als Polemik sind Fakten. «Wer gibt überhaupt Obligationen heraus?» Das fragt Rudolf Strahm in seiner Kolumne und antwortet gleich selbst: Abgesehen von staatlichen Emittenten seien es nur etwa 200 «Grossfirmen». Strahm bleibt aus gutem Grund vage. Wäre er konkreter, würde sein nach Klassenkampf tönendes Argument in sich zusammenfallen. Fakt ist, dass hinter den «Grossfirmen» auch viele Energieversorger, Spitäler, ÖV-Betriebe oder Kantonalbanken stehen. Unternehmen also, die ganz oder teilweise dem Staat gehören und wichtigen Service public erbringen. Dazu werden rund 20 Prozent aller Obligationen direkt durch Bund, Kantone und Gemeinden platziert.
Wenn die Stadt Bern, das Zürcher Universitätsspital oder die Netzgesellschaft Swissgrid Geld für Investitionen benötigen, platzieren sie Obligationen. Investoren – beispielsweise Pensionskassen – kaufen diese und bekommen dafür einen Zins. Dabei handelt es sich um ein konservatives, meist sehr langfristiges Anlageinstrument. Diese Obligationen sind also nicht irgendein «Finanzvehikel», wie Strahm schreibt, sondern ein verbreitetes und bewährtes Instrument zur Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur.
Für ausländische Anleger ist es aber wenig attraktiv, ihr Geld am Schweizer Obligationenmarkt anzulegen. Grund ist die Verrechnungssteuer. Und so zahlt die öffentliche Hand auf dem schrumpfenden Kapitalmarkt unnötig hohe Zinsen für ihre Obligationen. Die Reform der Verrechnungssteuer belebt den Markt und senkt damit die Zinsbelastung für die Herausgeber der Obligationen.
Gemäss Schätzungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung sind allein für die öffentliche Hand jährliche Einsparungen von bis zu 200 Millionen Franken möglich. Der Kanton Bern bestätigt, dass für ihn auf dieser Basis eine jährliche Einsparung von bis zu 5 Millionen Franken resultiert.
Heute gibt allein Luxemburg im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt 190-mal mehr Obligationen heraus als die Schweiz.
Mit der Reform wird auch die Herausgabe von Green Bonds vereinfacht. Diese dienen der Investition in nachhaltige Projekte und können somit den Übergang in eine klimaneutrale Zukunft ermöglichen. Auch hier hinkt die Schweiz im internationalen Vergleich hinterher.
Die Reform der Verrechnungssteuer lohnt sich auch mit Blick auf die Steuereinnahmen. Heute gibt allein Luxemburg im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt 190-mal mehr Obligationen heraus als die Schweiz. Mit der Reform wird es attraktiv, Obligationen in der Schweiz herauszugeben. Wir holen also Wertschöpfung und damit Steuereinnahmen in die Schweiz zurück.
Die Vorlage wirkt zudem sehr gezielt. Einzig neu herausgegebene Obligationen werden von der Verrechnungssteuer befreit. In über 90 Prozent der Fälle bleibt die Verrechnungssteuer unverändert bestehen, beispielsweise bei Dividenden auf Aktien. Entsprechend wird die Vorlage breit getragen: Bundesrat und Parlament sagen klar Ja.
Auch die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren unterstützt die Reform. Sie hält fest, dass die «positiven Effekte die erwähnten Einnahmeausfälle bei weitem kompensieren». Diese Fachpersonen scheinen mir deutlich vertrauenswürdiger, denn sie tragen im Gegensatz zu den Referendumsführern die Verantwortung für die Kantonsfinanzen und sind an einer konkurrenzfähigen und innovativen Schweiz interessiert.
* Jürg Grossen ist Nationalrat und Präsident der GLP Schweiz.
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