Corona ausser KontrolleDiese Bilder zeigen das Corona-Drama in Brasilien
Nächtliche Beerdigungen, überfüllte Spitalgänge und Feldlazarette – im Epizentrum der Pandemie spielen sich dramatische Szenen ab.
Brasilien ist zum Epizentrum der Corona-Pandemie geworden. Die Lage im Land ist verheerend. Am Sonntag wurden 44’326 neue Fälle gemeldet, pro Stunde sterben etwa 125 Menschen im Zusammenhang mit dem Virus. Nach Angaben von AP ist das Land momentan für ein Viertel der täglichen Covid-19-Todesfälle weltweit verantwortlich. Insgesamt hat die Pandemie mehr als 300’000 Brasilianern das Leben gekostet.
Mehr als ein Jahr nach Beginn der Pandemie sind die Todesfälle in Brasilien auf ihrem Höhepunkt. Das ist einerseits auf hoch ansteckende Varianten des Coronavirus zurückzuführen, andererseits auf die Regierung unter dem rechtsradikalen Präsidenten Jair Bolsonaro. Dieser hat die Bedrohung durch das Virus stets herunterspielt und als «Grippchen» bezeichnet. Erst am Donnerstag erneuerte er seine Kritik an den Lockdown-Massnahmen in mehreren Bundesstaaten.
Im Februar schlugen Ärzte und Gesundheitspersonal aus dem ganzen Land Alarm und forderten strengere Massnahmen – ohne Erfolg. Nun ist das Gesundheitssystem vielerorts zusammengebrochen oder steht kurz vor dem Kollaps. Sauerstoffvorräte und Intubationsmaterial werden knapp, die Intensivstationen sind überfüllt. Aus 16 der 26 brasilianischen Bundesstaaten wird von einem katastrophalen Mangel an verfügbaren Intensivbetten berichtet. Viele haben nur noch eine Kapazität von weniger als 10 Prozent. Laut Fiocruz, einem brasilianischen Institut für öffentliche Gesundheit, handelt es sich um den grössten Gesundheits- und Spitalkollaps in der Geschichte des Landes.
Patienten sterben beim Warten auf Betten
Im Hospital Restinga e Extremo Sul, einer der wichtigsten medizinischen Einrichtungen in Porto Alegre, ist die Notaufnahme zu einer überfüllten Corona-Station mutiert, in der viele Patienten auf Stühlen versorgt werden müssen, weil keine Betten mehr frei sind. Ein 29-jähriger Apotheker erzählt gegenüber der «New York Times» von seiner 63-jährigen Tante, die Mitte März wegen Atemproblemen hospitalisiert werden musste. Da keine Betten zur Verfügung gestanden hätten, sei sie auf dem Gang einer überfüllten Abteilung mit Sauerstoff und einer Infusion behandelt worden. Drei Tage später sei sie gestorben. «Meiner Tante wurde nicht das Recht gegeben, um ihr Leben zu kämpfen», sagte der Neffe. «Sie wurde in einem Korridor zurückgelassen.»
Es ist kein Einzelfall. In den brasilianischen Medien und auf Social-Media-Plattformen gibt es zahlreiche Berichte über Patienten, die beim Warten auf Betten sterben, und über Leichen, die in Krankenhausfluren abgelegt werden. Staaten und Städte im ganzen Land kämpfen darum, weitere Todesfälle zu verhindern und mit den unzähligen Leichen umzugehen, die Leichenhallen und Friedhöfe überfluten.
«In acht Jahren als Krankenschwester habe ich noch nie so viel Schmerz empfunden wie in dieser Nacht.»
Am 17. März weinte die Krankenschwester Polyena Silveira im nordöstlichen Bundesstaat Piauí neben einem Corona-Patienten, der in einem öffentlichen Spital auf dem Boden starb. Ein Foto, das diesen Moment festhält, ging viral und sollte ein nationaler Weckruf werden. «Als er weg war, hatte ich zwei Minuten Zeit, um zu trauern, bevor ich zum nächsten Patienten ging», sagte die 33-Jährige zur AP. «In acht Jahren als Krankenschwester habe ich noch nie so viel Schmerz empfunden wie in dieser Nacht. Ich bin nahe an meiner Grenze, körperlich und geistig.»
Die dramatischen Bilder aus dem Corona-Hotspot Brasilien gehen um die Welt:
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