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Die Zürcher Diplomatenmacher

Pascale Baeriswyl (vorne im blauen Kleid) und Didier Burkhalter an einer Botschafterkonferenz. Foto: Peter Klaunzer (Keystone)
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Der Weg in die Chefetage des Aussendepartements führt über die Zürcher Innenstadt. Am Limmatquai 76 hat die Personalberatungsfirma Mensch, Psychologie, Wirtschaft (MPW) ihren Hauptsitz. Dort prüft MPW im Auftrag des Aussendepartements (EDA) aufstiegswillige Diplomaten und konsularische Sacharbeiter in Führungsassessments. Die Firma prüfte auch Pascale Baeriswyl, bevor Aussenminister Didier Burkhalter sie vor einem Jahr zur Staatssekretärin machte. Baeriswyls damaliger Gutachter ist heute ihr persönlicher Coach.

MPW soll herausfinden, ob EDA-Mitarbeiter als Missionschefs und Konsule taugen. In den letzten drei Jahren schickte das EDA pro Jahr zwischen 28 und 43 Angestellte durchs Zürcher Nadelöhr. Die Einzelassessments dauern einen Tag. Gemäss Redaktion Tamedia-Recherchen müssen Diplomaten in Rollenspielen Mitarbeitergespräche führen, Management- und Sozialkompetenzen unter Beweis stellen, Bilderreihen fortführen und für fiktive Mitarbeiter Planungsarbeiten verrichten – alles unter Zeitdruck.

Ein geschlossenes System

Sechs Kompetenzen werden überprüft. Bei maximal zwei dürfen EDA-Bewerber unter dem geforderten Niveau abschneiden. Andernfalls verweigert MPW eine Beförderungsempfehlung, und im Personaldossier prangt künftig der Vermerk «nicht zur Beförderung empfohlen». Nach den Assessments erhalten Kandidaten mündliche Feedbacks. Wochen später folgt ein mehrseitiger Schlussbericht, der auch an die EDA-Direktion für Ressourcen geht. Gemäss Redaktion Tamedia-Recherchen verdient MPW pro Assessment rund 8000 Franken. Das sei der marktübliche Preis, heisst es im EDA.

Das EDA-Personal weiss: Ohne positiven MPW-Bericht wird fast niemand befördert. Ein schlechtes Abschneiden bei MPW kann die positivsten Potenzial- und Leistungsbeurteilungen zunichtemachen, die jemand während seiner Karriere bekommen hat. Betroffenen bleiben nur geringe Chancen, je Botschafter oder Konsul zu werden. Das ist bitter. Denn anders als in der Privatwirtschaft kann man im EDA bei Enttäuschungen nicht einfach kündigen und sich einen neuen Arbeitgeber suchen. Die Diplomatie ist ein geschlossenes System, in das man als junger Mensch mit dem Bestehen des mehrstufigen «diplomatischen Concours» kommt und dann als Mitglied des Diplomatischen Korps ein Berufsleben lang verbleibt.

Das EDA ist das einzige Departement mit einer Assessmentpflicht für höhere Kader.

Maria Bernasconi, Generalsekretärin des Personalverbands des Bundes, betont: «Das EDA führt viel mehr Assessments durch als die anderen Departemente.» Die Grundlage für die Wahl der obersten Kader in der Bundesverwaltung ist eine vom Bundesrat im November 2014 erlassene Weisung. Die Regierung schreibt den Departementen vor, Findungskommissionen einzusetzen. Diese müssen «mit geeigneten Instrumenten (strukturiertem Bewerbungsgespräch, Assessment, Persönlichkeitstest, Sprachtest usw.) die Eignung der Kandidaten prüfen.» Als einziges Departement wird dabei das EDA explizit erwähnt: «Die Grundelemente für die Vorbereitung von Wahlgeschäften von Missionschefs und Missionschefinnen werden durch das EDA definiert.»

Das EDA ist denn auch das einzige Departement, bei dem eine Assessmentpflicht für höhere Kader besteht. Die übrigen Departemente lassen sich mehr Spielraum. So sagt Philipp Schwander, Sprecher im Justizdepartement: «Ob ein Assessment durchgeführt wird, hängt von der konkreten Stelle ab.» Dominique Bugnon, Sprecher im Umweltdepartement, betont, man habe keine Verpflichtung, Assessments durchzuführen. Solche würden allenfalls als Zusatzinstrumente gebraucht. Markus Binder, Sprecher im Innendepartement, sagt: «Für die Besetzung von Geschäftsleitungsstellen wird in der Regel ein Assessment durchgeführt.» Ein Obligatorium bestehe aber nicht. Und im Wirtschaftsdepartement sind Assessments Teil eines Ganzen. «Für die Wahl der Topkader sind sie ein mögliches Instrument der Eignungsabklärung», so Sprecherin Irène Harnischberg.

Durchfallquote gegen 50 Prozent

Im EDA setzen die Assessments Bewerber auf Kaderstellen unter erheblichen Druck. Die Durchfallquote beträgt gemäss Redaktion Tamedia-Recherchen gegen 50 Prozent. Sie soll in den letzten Jahren stark angestiegen sein, auch weil Kaderstellen gestrichen wurden. Doch Zahlen zur Durchfallquote hält das Aussendepartement selbst intern unter Verschluss.

Das EDA dementiert, das Niveau der Assessments erhöht zu haben. Sprecher Jean-Marc Crevoisier sagt aber: «Aufgrund der Entwicklung der Bundesfinanzen und der verschiedenen Konsolidierungs- und Sparpakete der vergangenen Jahre mussten Stellen beim Kader eingespart und gestrichen werden.» Man berücksichtige diese Entwicklungen bei Neurekrutierungen. Crevoisier betont: «Ein Assessment kann einmalig wiederholt werden.» Jedoch frühestens nach zwei Jahren, zudem besteht kein Rechtsanspruch auf eine Wiederholung. Wenn ein Mitarbeitender «Entwicklungsschritte nachweisen konnte», habe man bisher eine Wiederholung ermöglicht, so Crevoisier.

Trotz Assessmentpflicht haben neun Prozent der Missionschefs und Topkader in der EDA-Zentrale in Bern kein solches absolviert. Wie kann das sein? Crevoisier sagt, «zum Zeitpunkt des heutigen Beförderungswesens war eine Reihe von Mitarbeitenden schon in entsprechenden Funktionen, oder sie haben bereits früher eine äquivalente Funktion innegehabt.»

Einfluss dürfte zunehmen

Der Einfluss der Personalberatungsfirma MPW auf das Aussendepartement dürfte noch zunehmen. Das EDA wird die Beförderungskommission für Diplomaten und konsularische Mitarbeiter abschaffen. Die Kommissionen, in denen EDA-Angestellte aller Hierarchiestufen und Vertreter der Personalabteilung sitzen, haben bei Assessments gescheiterte Bewerber in Einzelfällen trotzdem befördert, wenn sie exzellente Bewertungen hatten oder man davon ausging, dass sie am Tag des Assessments ihr Leistungsniveau nicht erreichten. Anstelle der Kommissionen richtet das EDA nun ein sogenanntes Management-Development-Programm ein, das gemäss Jean-Marc Crevoisier «erlauben wird, Führungspotenzial zu identifizieren und zu fördern».

MPW selbst antwortete auf Anfrage von Redaktion Tamedia, man nehme keine Stellung zu aktuellen und ehemaligen Kundenbeziehungen.