Neue Regierung in IsraelDie zerbrechliche Anti-Netanyahu-Koalition
Acht Parteien von weit rechts bis links, darunter erstmals eine Vertretung der arabischen Minderheit, einigen sich auf ein Regierungsbündnis. Doch Streitfragen bleiben. Und der bisherige Premier will nicht aufgeben.

In einem dramatischen Ringen haben sich in Israel die Gegner des amtierenden Premierministers Benjamin Netanyahu am späten Mittwochabend auf die Bildung einer neuen Regierung geeinigt. Mehr als zwei Monate nach der Wahl und kurz vor Ablauf der dafür gesetzten Frist um Mitternacht Ortszeit verkündeten sie die Einigung auf eine aus insgesamt acht Parteien bestehenden Koalition.
«Die Regierung wird alles in ihrer Macht stehende tun, um alle Teile der israelischen Gesellschaft zu vereinen», versicherte der bisherige Oppositionsführer Jair Lapid dem Präsidenten Reuven Rivlin, der ihm vor einem Monat den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt hatte.
Das äusserst heterogene Bündnis reicht von weit rechts bis links, beteiligt ist erstmals in Israels Geschichte auch eine Partei der arabischen Minderheit. Premierminister soll in einem Rotationsverfahren zunächst Naftali Bennett von der rechten Jamina-Partei werden. Nach zwei Jahren soll ihn Lapid von der liberalen Zukunftspartei ablösen, der zunächst als Aussenminister vorgesehen ist.
Netanyahu wird in den nächsten Tagen alle Hebel in Bewegung setzen, um das neue Regierungsbündnis zu zersetzen.
Die neue Regierung würde das Ende der Ära Netanyahu markieren, der ununterbrochen seit zwölf Jahren regiert und bereits seit einem Vierteljahrhundert die Geschicke des Landes mitbestimmt. Er steht in Jerusalem wegen Korruption vor Gericht. Auch in der vierten Wahl binnen zwei Jahren war es ihm nicht gelungen, eine tragfähige Mehrheit zu erreichen.
Zu erwarten ist jedoch, dass Netanyahu bis zur noch ausstehenden Vereidigung der neuen Regierung alle Hebel in Bewegung setzen wird, das neue Regierungsbündnis zu zersetzen. Einen Vorgeschmack darauf gab bereits die Endphase der Koalitionsverhandlungen.
Drohungen der Likud-Anhänger
Anhänger Netanyahus und seiner rechtsnationalen Likud-Partei versammelten sich zum Protest vor dem Hotel im Tel Aviver Vorort Ramat Gan, in dem die Parteienvertreter um letzte Kompromisse rangen. Gedroht wurde dabei teilweise mit offener Gewalt. Protagonisten des neuen Bündnisses haben bereits verstärkten Personenschutz bekommen.
Wie fragil das neue Bündnis ist, zeigte sich bis hinein in die Schlussphase der Verhandlungen. Zum einen versuchte die rechte Jamina-Partei von Bennett, ihren Einfluss immer weiter auszudehnen. Bennett steht unter Druck, weil möglicherweise mehrere seiner insgesamt sieben Fraktionsmitglieder bis zur Abstimmung noch abspringen könnten. Zum anderen bestand die arabische Raam-Partei auf zahlreiche konkrete Zugeständnisse zur Verbesserung der Lage ihrer Klientel.

Als Moderator in den Verhandlungen bewährte sich der bisherige Oppositionsführer Lapid, der eine Partei nach der anderen zur Unterschrift unter eine Koalitionsvereinbarung bewegte. Als Letzter unterzeichnete Bennett kurz vor Mitternacht, sodass Lapid dem Präsidenten Rivlin den erfolgreichen Abschluss melden konnte. Weitere Streitfragen dürften jedoch auch noch in den nächsten Tagen zu klären sein.
Weitgehend unstrittig scheint dagegen das Personaltableau der neuen Regierung zu sein. Neben Bennett als Premier und Lapid zunächst als Aussenminister wird Benny Gantz wie bisher das Verteidigungsministerium führen. Finanzminister soll Avigdor Lieberman werden, Justizminister Gideon Saar. Merav Michaeli, die Chefin der linken Arbeitspartei, ist als Transportministerin vorgesehen. Die arabische Raam-Partei verzichtet offenbar auf Ministerposten zugunsten von inhaltlichen Zugeständnissen.
Ideologische Streitfragen sollen in der Regierungsarbeit ausgeklammert werden. Sie dürften jedoch von Beginn an die Arbeit belasten. Netanyahu hat angekündigt, im Falle eines Machtverlusts als Oppositionsführer die neue Regierung unter Druck zu setzen.
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