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Corona in Frankreich
Die Zahlen steigen – und die Stimmung sinkt

Auch im Freien gilt in ganz Paris die Maskenpflicht: Eine Familie beim Eiffelturm. 
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Die Rückkehr in den Alltag lässt sich an verschiedenen Faktoren ablesen. An den Stauwarnungen fürs Wochenende zum Beispiel, in denen empfohlen wird, die Autobahnen, die Mittelmeer, Atlantik und Alpen mit Paris verbinden, zu meiden. Oder daran, dass in den grossen Kaufhäusern Stifte, Hefte und Schultaschen nun die Hälfte der Verkaufsfläche zu füllen scheinen.

Am 1. September beginnt für 12,3 Millionen französische Schulkinder nach acht Wochen Sommerferien wieder der Unterricht, die kollektive Rentrée steht bevor. Nur ist es diesmal keine Rückkehr zu den gewohnten Routinen. Die Städte füllen sich wieder, aber die Gesichter verschwinden. Von Freitag an gilt unter anderem im Grossraum Paris, in Marseille und in Strassburg die Maskenpflicht.

Velofahrer und Jogger werden verschont

Wie nervös die Politik in diesem Jahr auf die Rentrée blickt, zeigt der Mix aus Anordnungen und Widersprüchen, der die letzten Tage vor dem Neustart dominiert. Hiess es am Donnerstagabend noch, in Paris müssten auch Velofahrer und Jogger Masken tragen, wurde die Regelung schon am Freitag wieder rückgängig gemacht. Teilte das Bildungsministerium zunächst mit, Lehrer und Lehrerinnen in der Vorschule müssten keine Maske tragen, wurden am Freitag auch diejenigen, die mit Drei- bis Sechsjährigen arbeiten, dazu verpflichtet, Mund und Nase zu bedecken.

Warnen und gleichzeitig beruhigen, so lässt sich der Schlingerkurs der Regierung gut beschreiben. Noch ist unklar, wie gut es sich im Dauerzustand der wachsamen Unruhe miteinander leben lässt. «Die Verbreitung des Virus setzt sich im gesamten Land fort», sagte Premierminister Jean Castex diese Woche, ein exponentielles Wachstum der Covid-19-Fälle sei «möglich, wenn wir nicht schnell reagieren». Und er betonte gleichzeitig, man befinde sich «in keiner ernsten Situation». Es sei «nicht sinnvoll, die Menschen aufzuschrecken».

Schwanken zwischen Panik und Beruhigung: Der französische Premier Jean Castex (links) und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire.

Tatsächlich haben Frankreichs Politiker betont gelassen darauf reagiert, dass andere Länder Paris und Teile der Mittelmeerregion zu «Hochrisikogebieten» erklärt haben. Es gibt Reisewarnungen, doch Frankreich probt die maskentragende Normalität.

Schaut man auf die Zahlen, die das Gesundheitsministerium veröffentlicht, zeichnet sich zweierlei ab: Ein rasanter Anstieg der Zahl der Corona-Infizierten; allein von Mittwoch auf Donnerstag wurden 6111 neue Fälle gemeldet. Das sind so viele wie auf dem ersten Höhepunkt der Pandemie im April. Und gleichzeitig eine vergleichsweise entspannte Situation in den Spitälern. Mitte April wurden in den Intensivstationen mehr als 7000 Covid-19-Patienten behandelt, aktuell sind es weniger als 400.

Frankreichs Strände waren diesen Sommer gut gefüllt, doch Paris war leer.

Mediziner gehen davon aus, dass die Reduzierung der schweren Verläufe darauf zurückzuführen ist, dass Risikogruppen inzwischen besser geschützt werden, beziehungsweise sich selbst besser schützen. Die höchste Infektionsrate weisen in Frankreich zurzeit die 20- bis 30-Jährigen auf – diejenigen also, bei denen deutlich seltener schwere Krankheitsverläufe diagnostiziert werden.

Zudem hat Frankreich seine Testkapazitäten massiv ausgebaut. Mitte März wurden täglich 5000 Tests durchgeführt, das Institut Pasteur geht davon aus, dass im Frühling maximal jeder zehnte Corona-Fall auch als solcher erkannt und gezählt wurde. Heute werden in Frankreich täglich 90’000 Corona-Tests durchgeführt. Castex kündigte an, dass im September eine Million Tests pro Woche durchgeführt werden sollen.

60 Prozent weniger Besucher

Gleichzeitig ist völlig offen, wie sich die Zahlen entwickeln werden, wenn alle Schüler und Angestellten in ihre Klassenräume und Büros zurückgekehrt sind. Man sei im Notfall darauf vorbereitet, wieder lokale Ausgangssperren und Einschränkungen anzuordnen, heisst es von der Regierung. Sicher war bislang nur, dass gerade die Pariser eine neue Stille erwartet, egal ob ein Lockdown kommt oder nicht. Frankreichs Strände waren diesen Sommer gut gefüllt, vor allem durch einheimische Touristen, doch Paris war so leer wie seit Jahren nicht. Das Regionalkomitee für Tourismus veröffentlichte die Zahlen des ersten Halbjahres 2020: 9,4 Millionen Menschen besuchten zwischen Januar und Juni die Hauptstadt. 2019 waren es im selben Zeitraum 23,7 Millionen. Die Besucherzahl ist um 60 Prozent geschrumpft.

Und so sind es nicht nur die allgegenwärtigen Masken, die in diesem Spätsommer das Strassenbild verändern. Es sind auch die vielen Restaurants, die geschlossen bleiben. Die Geschäfte, deren Schaufenster mit Papier abgeklebt sind. Die vielen Schilder, die auf Räumungsverkäufe hinweisen. Die langen Schlangen vor den Essensausgaben der Suppenküchen. Würde man nicht nur die Zahl der Infizierten mit einer Kurve illustrieren, sondern auch die Stimmung in der Hauptstadt, dann könnte man einen klaren Abwärtstrend sehen.