Proteste nach PutschDie Wut der Demonstranten in Burma wächst
Auch am Dienstag gehen vor allem junge Menschen auf die Strasse und demonstrieren gegen das Militär. Das hat Ausgangssperren und Versammlungsverbote verhängt.
Am Dienstag gingen die Proteste in Burma weiter, auch wenn sich das Risiko für die Menschen vergrössert hat. Einer der Lehrer, die in der grössten Stadt des Landes Yangon demonstrierten, sagte dem Online-Magazin «Frontier Myanmar»: «Wir tun das für die nächste Generation.» Es waren insgesamt weniger Menschen, dafür viele junge Leute auf der Strasse zu sehen, nachdem das Militär-Regime am Montag Rede- und Versammlungsverbote erlassen hatte, unter anderem für Yangon und Mandalay im Zentrum des Landes. Im staatlichen, also militärischen Fernsehsender war gewarnt worden, «das Handlungen folgen würden».
Es dürfen seit Dienstag nicht mehr als fünf Menschen zusammenkommen, öffentliche Ansprachen sind nicht erlaubt. Also gehen die jungen Frauen und Männer in Sitzstreik. Auch die Eisenbahnmitarbeiter schlossen sich den Protesten an, nachdem am Montag bereits die Mönche, Taxifahrer, Ärztinnen und Krankenpfleger auf die Strasse gegangen waren, wie Blogger und Journalisten in Burma berichteten. Zehntausende protestierten gegen das Militär, das vor einer Woche die Macht übernommen hatte. Die Demonstranten trugen häufig rote T-Shirts, Schals und Fahnen, die Farbe der bis vor Kurzem regierenden Partei Aung Sang Suu Kyis, der «Nationalen Demokratischen Liga» (NLD).
In Yangon wurden am vierten Tag der Proteste wieder Wasserwerfer gegen die Demonstranten eingesetzt. General Min Aung Hlaing hatte sich am Montagabend im Fernsehen an die Burmesen gewendet und seinen Verdacht wiederholt, die Wahl sei nicht korrekt gelaufen. Unter anderem zweifelte er die hohe Wahlbeteiligung von über 70 Prozent an, in Zeiten einer Pandemie. Doch die Protestierenden fordern weiter die sofortige Freilassung von «Mutter Suu», wie die inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi genannt wird. Und sie zeigten den Drei-Finger-Gruss aus den «Tribute von Panem»-Filmen, mit dem bereits die Demonstranten in Thailand gegen ihre Militärregierung protestiert hatten. Am Dienstag veröffentlichte die «Myanmar Times» Portraits von professionellen Billard- und Snooker-Spielern, die sich offen mit dem Gruss in der Zeitung abbilden liessen und dazu sagten: «Wir verurteilen ausdrücklich die Diktatur, die am 1.2.2021 die Macht übernahm.»
Mit dem 3-Finger-Gruss aus «Tribute von Panem»
Sie forderten die sofortige Freilassung von «Mutter Suu», wie die inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin genannt wird. Und sie zeigten den 3-Finger-Gruss aus den Filmen «Tribute von Panem», mit dem bereits die Demonstranten in Thailand gegen ihre Militärregierung protestiert hatten.
Auch vor der Botschaft Burmas und der UNO-Vertretung in Bangkok versammelten sich am Wochenende viele Menschen, bevor die Polizei die Kundgebungen rasch auflöste. Viele Burmesen leben und arbeiten in Thailand. Am Montag sammelten sich Gastarbeiter in Chiang Mai, im Norden Thailands, nahe der Grenze zu Burma, ebenfalls mit 3-Finger-Gruss und Sicherheitsabstand.
Die thailändische Regierung betrachtet den Putsch im Nachbarland als «innere Angelegenheit». Genau wie China, der viel grössere Nachbar im Norden. Gemeinsam mit Russland hatte China vergangene Woche gegen eine Verurteilung der Generäle durch die Vereinten Nationen gestimmt. Das war den alten und neuen Machthabern sicher wichtig, denn ohne China geht in der Region nichts.
Aber ohne das Volk wird es auch schwierig. Und das Volk scheint nach einer Woche eher mehr als weniger aufgebracht zu sein. Jeden Tag demonstrieren mehr Menschen. Es waren auch Unterstützer des Militärs auf den Strassen, die sich am Montag, teilweise auf Militärtransportern, in die Innenstadt von Rangun begaben, wo sie von den Demonstranten mit Schmährufen begrüsst wurden: «Wir brauchen keine K5000-Protestierer», schrien sie laut dem Onlinemagazin «Frontier Myanmar». 5000 Kyat entsprechen gut drei Franken. So viel soll den Demonstranten, die sich für das Militär starkmachten, bezahlt worden sein.
«Die Protestierer filmten mit ihren Smartphones und fanden Wege, die Bilder in der Welt zu verbreiten.»
Am Wochenende hatten die alten und neuen Machthaber das Internet und den Mobilfunkverkehr blockiert, dann aber langsam wieder hochgefahren. Doch selbst ohne Netz waren Nachrichten ins Ausland gelangt, durch VPN-Kanäle und Verbindungen von SIM-Karten aus Thailand und Singapur. Die Protestierer filmten mit ihren Smartphones und fanden Wege, die Bilder in der Welt zu verbreiten. Wie den Clip des Einsatzes der Wasserwerfer in der Hauptstadt Naypyidaw, mit denen Demonstranten vor dem Regierungssitz in Schach gehalten wurden.
Wie es «Mutter Suu» derweil geht, ist unklar. Die Journalistin Aye Min Thant, die seit mehr als einer Woche bis zur Erschöpfung live über den Coup twittert, schrieb am Sonntag, dass die Strasse zu Aung San Suu Kyis Haus, in dem diese 15 Jahre lang unter Arrest gestanden hatte, von der Polizei gesperrt worden sei. Auch andere ehemalige Regierungsvertreter sitzen im Hausarrest fest.
Sogar Beamte schliessen sich dem Zusammenschluss für zivilen Ungehorsam an.
Dass auch Mönche in Mandalay auf die Strasse gingen, gibt den Kundgebungen zusätzlich Wucht, denn von ihnen gingen die Proteste im Jahr 2007 aus, die sogenannte Safran-Revolution, die sich auf die leuchtend orangerote Farbe ihrer Gewänder bezog. Bei der Niederschlagung der Proteste wurden einige Nonnen und Mönche getötet, am Ende aber gab das Militär die Macht aus der Hand. Zumindest ein Stück weit.
Ein Beobachter berichtet, dass es Schiessereien in Myawaddy gegeben habe, aber sonst seien die Proteste bisher «weitgehend friedlich» verlaufen. Sogar Beamte schliessen sich dem Civil Disobedience Movement an – dem Zusammenschluss für zivilen Ungehorsam.
Öffentliche Ansprachen verboten
Nachdem die Generäle die Macht wieder an sich gerissen haben, gingen sie in der vergangenen Woche daran, die Covid-19-Massnahmen zu lockern und Parks zu öffnen. Vermutlich um gute Stimmung beim Volk zu machen. Die Ansteckungsraten waren gerade erst ein bisschen gesunken. Versammeln allerdings darf man sich seit Montagabend nicht mehr in Gruppen von mehr als fünf Personen – öffentliche Ansprachen sind ebenfalls verboten. Die Generäle haben eine Ausgangssperre von 20 bis 4 Uhr erlassen. Die Auseinandersetzung spitzt sich zu, denn es ist nicht anzunehmen, dass die Protestierenden sich dem beugen werden.
General Min Aung Laing wendete sich im Fernsehen an die Burmesen und wiederholte seinen Vorwurf, die Wahl sei nicht korrekt gelaufen. Unter anderem zweifelte er die hohe Wahlbeteiligung von über 70 Prozent an, in Zeiten einer Pandemie. Nach dem bemerkenswert schlechten Abschneiden der Militärpartei hatte er Zweifel an der Rechtmässigkeit geäussert, aber keine Belege dafür vorlegen können. Er versuchte, ausländische Investoren zu beruhigen, und stellte sogar eine Rückkehrmöglichkeit für die Rohingya in Aussicht. Die muslimische Minderheit war vom Militär mit äusserster Brutalität aus dem Land getrieben worden.
General Min Aung Hlaing drohte den Demonstrierenden am Montag in seiner Fernsehansprache nicht direkt, sprach nur von einer «ehrlichen und disziplinierten Demokratie», die wieder hergestellt werden solle. Doch wenn man die Bilder vom Dienstag sieht, ist nicht anzunehmen, dass die Protestierenden sich nach seinem Wunsch verhalten werden.
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