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Meinung

Analyse zu Urteil in Russland
Die USA stecken in der Griner-Zwickmühle

Brittney Griner vor Gericht in Moskau. Russland hat keine Eile mit ihrem Austausch gegen einen oder zwei russische Häftlinge im Ausland.
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Man kann sich regelrecht vorstellen, wie Wladimir Putin sarkastisch lächelnd im Kreml sitzt angesichts der Zwickmühle, in die Russland die Vereinigten Staaten manövriert hat: Ein Gericht in Moskau hat US-Basketballspielerin Brittney Griner zu neun Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt; und nach allem, was über diesen Fall bekannt ist, entspricht das genau dem, was Moskau geplant hat. Die treffendste Analyse liefert wohl das kurze, gemeinsame Statement von Cathy Engelbert und Adam Silver; die Chefs der beiden Basketball-Profiligen in den USA nennen das Urteil «ungerechtfertigt und bedauerlich, aber nicht überraschend».

Griners Anwälte kündigten an, gegen das Urteil Einspruch einzulegen; das übliche Strafmass bei Vergehen wie diesem seien fünf Jahre, ein Drittel aller Strafen würde zur Bewährung ausgesprochen. Rein theoretisch hätte es einen Freispruch für Griner geben können, die Wahrscheinlichkeit dafür lag jedoch bei null Prozent.

Beamte hatten im Februar bei einer Kontrolle am Flughafen von Moskau eine Kartusche mit Haschisch-Öl im Gepäck gefunden, sie war wegen Drogenschmuggels angeklagt worden. Griner bekannte sich schuldig und nannte die Mitnahme ein Versehen. Die US-Regierung bezeichnete die Festnahme im Mai als «unrechtmässig», Präsident Biden nannte das Urteil nun «inakzeptabel».

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Genau das – und das führt zur Zwickmühle für die Amerikaner in diesem Fall – behaupten die Russen auch über Festnahme und Verurteilung des russischen Waffenhändlers Wiktor But. Sie fordern seit Jahren seine Freilassung mit der Begründung, er sei ein politischer Gefangener. But, der auch «Merchant of Death» (Kaufmann des Todes) genannt wird, befindet sich seit 2008 in Haft; er käme im März 2033 frei – in knapp elf Jahren also, zwei Jahre später als Griner. Moskau brauchte die Verurteilung von Griner, um einen Gefangentausch herbeizuführen, doch nun wird es kompliziert.

«Was passiert denn nun wirklich mit unserer Königin Brittney Griner?»

Die USA hatten übereinstimmenden Medienberichten zufolge angeboten, But freizulassen, um Griner und Paul Whelan zurück in die Heimat zu holen. Whelan, gebürtiger Kanadier, ist ehemaliger Soldat der US-Marines und nun Manager einer Sicherheitsfirma; er wurde 2020 wegen Verdachts auf Spionage zu 16 Jahren Haft verurteilt. Russland ging nicht auf dieses Angebot ein, ein Telefonat zwischen den beiden Aussenministern Antony Blinken und Sergej Lawrow am vergangenen Freitag – das erste seit Russlands Angriff auf die Ukraine – blieb offenbar ohne Ergebnisse. 

Aus dem Weissen Haus hiess es daraufhin, dass Russland ein Gegenangebot gemacht habe, das man für «böswillig» halte und deshalb nicht ernst nehmen könne. Es wird spekuliert, dass Russland die Freilassung von Wadim Krasikow erreichen will. Der ist im Dezember 2021 zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt worden – in Deutschland, wo er inhaftiert ist. Adrienne Watson, Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, sagte: «Zwei zu Unrecht inhaftierte Amerikaner als Geiseln für die Freilassung eines russischen Mörders in Gewahrsam eines Drittlandes zu halten, ist kein ernsthaftes Gegenangebot.»

Die Zwickmühle für die Amerikaner: Der Druck, Griner nach Hause zu holen, wird immer grösser in den USA, zumal Biden in seinem Statement nicht nur Russland aufgefordert hat, sie sofort freizulassen. Er hatte auch versprochen: «Meine Regierung wird weiterhin unermüdlich daran arbeiten und jede Möglichkeit ausschöpfen, Brittney und Paul Whelan so schnell wie möglich sicher nach Hause zu holen.» Der Basketballstar Kyrie Irving etwa richtete sich auf Twitter danach direkt an Biden und dessen Stellvertreterin Kamala Harris: «Was passiert denn nun wirklich mit unserer Königin Brittney Griner, Präsident und Vizepräsidentin? Bitte gebt uns ein Update.»

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Im Grunde kann die US-Regierung nur zwischen zwei Alternativen wählen, die beide gleichermassen unbefriedigend sind. Erstens: Sie beharrt auf dem ursprünglichen Angebot, Griner und Whelan im Tausch gegen But nach Hause zu holen, oder sie verhandelt hinter den Kulissen über weitere Möglichkeiten – und das erfordert Zeit. Es heisst, dass das erste Angebot bereits im Juni nach Moskau geschickt wurde.

Die Reaktion des stellvertretenden russischen Aussenministers Sergej Rjabkow nach Bekanntwerden des amerikanischen Angebots im Juli: Die Amerikaner sollten mal nicht so einen Lärm veranstalten. Nach dem Urteil wird dieser Lärm allerdings immer lauter, zumal die Rede von «Strafkolonie» ist; es ist erstaunlich, wie einig sich die sonst so unversöhnlichen politischen Lager in den USA sind: Griner muss nach Hause geholt werden, und zwar so schnell wie möglich.

Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Aussenministers, sagte dagegen, es gäbe derzeit keine Eile, sich mit einem Angebot der Amerikaner zu befassen. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich zu dieser Aussage ein sarkastisches Grinsen ihres Chefs vorzustellen.

Werden diplomatische Bemühungen der USA die Basketballspielerin vor neun Jahren Strafkolonie bewahren können? Brittney Griner hält während des Gerichtsprozesses ein Bild in die Kamera. 

Die zweite Alternative deshalb: Die USA akzeptieren ein russisches Angebot zur möglichst schnellen Freilassung von Griner und Whelan. Doch wie weit ist die Regierung bereit zu gehen – die einerseits einen aussenpolitischen Erfolg vor den Zwischenwahlen ganz gut brauchen könnte, andererseits aber auch nicht als «von Russland abgezockt» dastehen will? Und wäre die Annahme eines unverschämten, womöglich gar böswilligen Angebots der Russen nicht eine Blaupause für andere Nationen, um Gefangene aus den USA nach Hause zu holen?

Müsste man ein Bild dieser Situation zeichnen, es würde einen US-Präsidenten zeigen, der grübelt über die Möglichkeiten, die er hat; während vor dem Fenster Landsleute protestieren, endlich eine Lösung zu präsentieren. Und im Hintergrund einen russischen Präsidenten, der sich diebisch freut darüber, in welch missliche Lage er den anderen da gebracht hat.