Streit um US-WahlgesetzTrump und McConnell schiessen wieder gemeinsam – gegen einen neuen Feind
Aus der Wirtschaft kommt plötzliche Kritik an einer Wahlrechtsreform, die schwarze Wähler benachteiligen könnte. Das führt zu Streit mit ihren wichtigsten Verbündeten: den Republikanern.
Donald Trump und Mitch McConnell sind die faktischen Anführer der Republikaner. Seit Trumps Versuch, das Wahlresultat zu kippen, waren sich die beiden nicht mehr oft einig.
Doch nun haben der abgewählte Präsident und der Minderheitsführer der Partei im Senat einen gemeinsamen Feind gefunden: die grossen US-Konzerne, die sich gegen die Versuche der Republikaner aussprechen, das Wählen schwieriger zu machen. Trump hat zu einem Boykott dieser Firmen aufgerufen, und McConnell droht ihnen mit «schweren Konsequenzen».
Druck von Aktivisten zeigt Wirkung
Republikaner, die sich auf die Wirtschaft einschiessen: Das ist neu. Anlass für den Streit ist die kürzlich von den Republikanern beschlossene Wahlrechtsreform im Bundesstaat Georgia, die Schwarze bei der Teilnahme an der Wahl benachteiligen könnte. Das Gesetzespaket ist eine Reaktion auf die letzten Wahlen in Georgia, bei denen die Demokraten im traditionell konservativen Bundesstaat siegten.
Als die Gesetze ihren Weg durch das Parlament in Atlanta nahmen, war aus der Wirtschaft nicht viel Kritik zu hören. Das änderte sich, nachdem Gouverneur Brian Kemp das Paket unterschrieben hatte. Linke Aktivisten erhöhten den Druck auf die in Atlanta ansässigen Konzerne, darunter die Fluggesellschaft Delta und den Getränkegiganten Coca-Cola. Auch 70 schwarze Topmanager forderten die Industrie auf, sich gegen die Reform zu stellen.
«Die Reform basiert auf einer Lüge: dass es bei der letzten Wahl in Georgia weitverbreiteten Wahlbetrug gegeben habe.»
Die Reaktion aus den Konzernzentralen folgte vergangene Woche. Delta-Chef Ed Bastian nannte die Reform «inakzeptabel» und sagte: «Ihr ganzer Grundgedanke basiert auf einer Lüge: dass es bei der letzten Wahl in Georgia weitverbreiteten Wahlbetrug gegeben habe.» Die Folge sei, dass besonders schwarzen Wählern Hürden auferlegt würden. Die Gesetze machten es «schwieriger für Leute, an der Wahl teilzunehmen», sagte Coca-Cola-Chef James Quincey.
Inzwischen hat mehr als ein Dutzend Konzerne die Reform scharf kritisiert. Die Baseball-Liga MLB hat das in Atlanta geplante All-Star-Game aus Protest abgesagt und in die Stadt Denver verlegt.
«Haltet euch aus der Politik raus»
Und nun: der Backlash gegen den Backlash. Mitch McConnell wandte sich am Montag in einer wütenden Stellungnahme an die Konzerne. Die Amerikaner wollten keine Grossindustrie, die auf jede «künstliche Aufregung» der Linken reagiere. Die Unternehmen sollten aufhören zu handeln, als wären sie eine «aufgeweckte Parallelregierung». McConnell forderte die Firmen auf: «Haltet euch aus der Politik raus.» Andernfalls müssten sie mit Folgen rechnen.
Für McConnell war das eine Kehrtwende. Er hat Rufe nach einer stärkeren Regulierung von Wahlkampfspenden durch Unternehmen stets mit dem Argument bekämpft, dass auch Firmen das Recht auf freie Meinungsäusserung hätten. Wenn es um das Wahlrecht geht, sieht er das nun offenbar anders.
Einige Republikaner sind bereits zu Retorsionsmassnahmen übergegangen. In Georgia versuchte das Abgeordnetenhaus kurz vor Ende der Legislaturperiode noch, eine Steuererleichterung für die Fluglinie Delta zurückzunehmen – vergeblich. Mehrere Republikaner im US-Kongress haben angekündigt, gesetzlich gegen die Baseball-Liga vorgehen zu wollen, die von wettbewerbsfördernden Antitrust-Gesetzen ausgenommen ist.
Vor allem aber haben die Republikaner Trumps Boykottaufrufe gegenüber den Firmen und der Baseball-Liga übernommen. Der texanische Gouverneur Greg Abbott weigerte sich, den First Pitch beim ersten Baseball-Heimspiel der Texas Rangers zu werfen.
Wie schlimm ist das Gesetz wirklich?
Im konservativen Lager stellt man sich auf den Standpunkt, dass die Kritik an der Wahlrechtsreform in Georgia massiv übertrieben sei. Ganz falsch ist das nicht. So wird etwa die vorzeitige Stimmabgabe im Wahllokal erleichtert, und Wahlbezirke mit grossem Andrang werden verpflichtet, zusätzliche Wahlhelfer einzusetzen. Im Gegenzug werden die Regeln für die briefliche Stimmabgabe verschärft. Zudem wird bestraft, wer Wasser oder Essen an Wähler in den Warteschlangen abgibt, zu denen es in schwarzen Gegenden ständig kommt.
Unbestritten ist dagegen, dass die Gesetze aus der Feder von Parlamentariern stammen, die Trumps gegenstandslose Behauptungen über einen Wahlbetrug am lautesten ventiliert haben. Viele dieser Republikaner erhielten Spenden von denselben Konzernen, die nun Kritik an den Wahlgesetzen üben. Für linke Aktivisten ist das plötzliche Engagement der Spitzenmanager deshalb Heuchelei.
Der Kampf verlagert sich nun weiter. Auch in Texas, Arizona und anderswo wollen die Republikaner restriktivere Wahlgesetze erlassen, auch dort haben Konzerne schon Kritik angebracht. Was sie bewirkt, ist offen.
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