Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Verlage in der Corona-Krise
Die Umsatzeinbrüche sind katastrophal

Gestapelte Bücher auf der Buchmesse in Leipzig. Die Messe fiel aus und mit ihr eine der wichtigsten Literatur-Plattformen des Frühjahrs.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Die Stimmung ist besser als die Lage. Und die Lage ist fürchterlich: Die Buchhandlungen sind geschlossen, die Leipziger Buchmesse, diese wichtigste Frühlingsplattform, ausgefallen, sämtliche Veranstaltungen abgesagt. Das literarische Leben liegt am Boden. Die Umsätze der Verlage gehen gegen null – oder sogar ins Minus, weil Buchhandlungen Bücher, die sie nicht verkaufen können, remittieren. Das bedeutet: Kosten, aber keine Einnahmen. Wie gehen die Schweizer Publikumsverlage mit dieser katastrophalen Situation um?

Erstaunlich gelassen, wie eine Telefonumfrage ergibt. Verleger oder Pressechefinnen erreicht man zu Hause, alle Verlage praktizieren Homeoffice, mit einer Stallwache im Büro. Das funktioniert in einer weitgehend digitalisierten Branche recht gut, und zu tun haben alle auch etwas: Das Herbstprogramm muss vorbereitet, Manuskripte müssen lektoriert, Schwerpunkte und Kampagnen geplant werden. Und die Budgets reduziert: Denn niemand weiss, wie lange der Lockdown noch dauern wird. Aber: «Wir arbeiten und machen Bücher», sagt Lucien Leitess vom Unionsverlag.

Das Verlagsgeschäft ist ohnehin eine prekäre Sache, es muss viel vorfinanziert werden, Rückflüsse kommen spät und in der Höhe ungewiss: Jedes Buch ist ein Risiko. «Verlage sind Kulturinstitutionen, wir machen gezielt auch Bücher, die sich nicht rentieren», sagt Daniel Kampa. Grosse Rücklagen sind da nicht zu bilden. «Wir haben keine Kriegskasse», sagt auch Lukas Haller vom Limmat-Verlag.

Es ist die dritte Krise in wenigen Jahren. Und die schlimmste

Der Lockdown trifft eine Branche, die sich nach zwei schweren Krisen gerade einigermassen aufgerappelt hatte: 2015 war das Jahr des Frankenschocks, 2019 das der Insolvenz des deutschen Grosshändlers KNV. Und jetzt Corona. Krisenerfahrung kann allerdings auch eine Qualität sein; Sabine Dörlemann sieht gar einen möglichen «Innovationsschub» für die Branche. Auch diese Krise werde vorbeigehen, findet Oliver Kneidl von Nagel & Kimche, und Lucien Leitess wird deutlich: «Aufgeben ist keine Option.»

Keiner der Befragten, und das ist erstaunlich, sieht sein Unternehmen in der Existenz bedroht. Obwohl die Umsatzeinbrüche katastrophal sind. Der Gang in die Buchhandlung, das Stöbern in den Regalen, das Beratungsgespräch: unmöglich. Viele Verleger loben zwar das Engagement der Buchhändler in den höchsten Tönen, die zum Teil einzelne Titel mit dem Fahrrad an die Kunden ausliefern. Und mancher Leser, manche Leserin wird die Website der heimischen Buchhandlung jetzt entdecken und auch künftig «buy local». Denn Amazon, der grosse Staubsauger des Buchverkaufs, hat seine Kunden mehrere Wochen schmählich im Stich gelassen und Buchbestellungen ausgesetzt, «eine gigantische, zynische Täuschung des Buchkunden», wie Lucien Leitess kommentiert.

Aber unter dem Strich bleibt ein riesiges Minus. Wie reagieren die Verlage? Man kann Bücher, die im April erscheinen sollten, in den Sommer oder den Herbst verschieben. Dort warten allerdings schon die nächsten Titel, fest geplant, mit Buchpremieren oder Lesetourneen unterfüttert. Dass die Autoren die eigentlich Leidtragenden der Krise sind, weil ihr neues Buch nicht wahrgenommen wird, ihre Lesungen abgesagt sind: Darauf hinzuweisen, versäumt kein Gesprächspartner. Peter Haag von Kein & Aber hat seinen Autoren sogar angeboten, ihnen im Bedarfsfall finanziell unter die Arme zu greifen.

Viele haben Kurzarbeit angemeldet

Titel verschieben, Programme ausdünnen also, Auflagen reduzieren. Was sonst? Kurzarbeit haben etwa der Unionsverlag, Dörlemann und Kein & Aber angemeldet, andere prüfen das noch. Ruth Geiger von Diogenes erklärt dagegen: «Keine Kurzarbeit, keine Entlassungen». Obwohl die Krise den grössten Player in der Schweiz genauso trifft.

Einig sind sich die Befragten überwiegend darin, dass jetzt Hilfe vom Bund kommen muss. Der Branchenverband SBVV und das Bundesamt für Kultur verhandeln derzeit darüber. Seit einigen Jahren gibt es bereits auf Antrag Strukturhilfen vom BAK für Verlage, die sollten jetzt, meint Peter Haag, krisenbedingt in multiplizierter Höhe auf unbürokratische Weise ausgezahlt werden.

Verlage denken immer voraus, ans nächste, übernächste Programm. Vorausgesetzt allerdings, im Herbst können Bücher wieder normal in der Buchhandlung verkauft werden. Dann, so glauben alle Befragten, ist die Krise zu schaffen. Wenn nicht – daran mag lieber keiner denken. Im Moment halten sie sich lieber an der Zuversicht fest.