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Basketballliga gegen Rassismus
Die Spiele gehen nicht weiter

Spieler protestierten zuerst nur mit T-Shirts und Niederknien, doch die Spiele gingen weiter. Letzte Nacht hat der Protest in der Sportwelt ein neues Niveau erreicht.

Es sei an dieser Stelle noch einmal an das Ehepaar McCloskey erinnert, das auf dem Parteitag der Republikaner zehn der von Andy Warhol prognostizierten 15 Minuten Lebensruhm erhielt. «Täuscht euch bloss nicht: Wo immer ihr auch lebt, eure Familie wird nicht sicher sein in einem Amerika der radikalen Demokraten», sagte Patricia McCloskey. «Was uns passiert ist, das kann jedem passiert, der uns gerade zusieht.»

Was ihnen am 28. Juni passiert war: die fünf restlichen Minuten Ruhm. Friedliche Demonstranten marschierten an ihrem Haus in St. Louis, Missouri, vorbei. Obwohl die Protestierenden unbewaffnet waren, geriet das Ehepaar nach eigenem Bekunden derart in Angst, dass es sich schwerbewaffnet vor der Haustür positionierte. Patricia mit einer Pistole, Ehemann Mark mit einem semiautomatischen Gewehr.

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Am Parteitag der Republikaner erhielt das Ehepaar Redezeit.
Das Ehepaar McCloskey wollte die Demonstranten mit Waffen einschüchtern.
Die Demonstranten zogen friedlich an ihrem Haus vorbei.

Es ist dieses Narrativ der vermeintlichen Furcht, weswegen sich Doc Rivers am Dienstagabend die Maske vom Gesicht riss. Der Trainer der Basketballmannschaft Los Angeles Clippers wollte, dass die Leute seinen bibbernden Mund sahen und die Tränen in seinen Augen angesichts der Nachrichten, dass schon wieder ein unbewaffneter Afroamerikaner von hellhäutigen Polizisten niedergeschossen worden war. Der 29 Jahre alte Jacob Blake liegt nach sieben Schüssen in den Rücken in einem Krankenhaus im US-Bundesstaat Wisconsin, er dürfte gelähmt sein. Zwei seiner vier Kinder sassen in dem Auto, in das Blake steigen wollte, als die Schüsse abgefeuert wurden.

«Ich sehe diesen Parteitag der Republikaner. Und alles, worüber Donald Trump und alle anderen reden, ist Angst», sagte Rivers mit zitternder Stimme: «Aber wir sind es doch, die getötet werden. Wir sind es, die niedergeschossen werden. Wir sind es, die erhängt wurden und nicht in bestimmten Gegenden leben dürfen. Und die reden über Angst. Es ist bestürzend, dass wir nicht aufhören, dieses Land zu lieben – und diese Liebe unerwidert bleibt. Das ist traurig. Es muss sich endlich etwas tun.»

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Eine Geste mit historischer Dimension

Es tat sich was an diesem Mittwoch. Zuerst weigerten sich die Milwaukee Bucks, die ihre Heimspiele im Bundesstaat Wisconsin austragen, das Spielfeld gegen Orlando Magic aus Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt zu betreten. Kurz darauf sagte die Basketballliga NBA alle drei für diesen Tag geplanten Playoff-Partien ab. Die Botschaft könnte deutlicher kaum sein: Die Spiele gehen nicht weiter, aus dem Umfeld der NBA heisst es sogar, dass der Abbruch der kompletten Saison möglich sei.

Es ist eine Geste, die von der Dimension her an Tommy Smith und John Carlos erinnert, die bei den Olympischen Spielen 1968 ihre Fäuste in den Himmel reckten, als die US-Hymne gespielt wurde. Oder an Muhammad Ali, der 1966 den Kriegsdienst verweigerte und dafür verhaftet wurde. Und an Colin Kaepernick, der vor exakt vier Jahren begann, sich beim Abspielen der Hymne vor Footballspielen hinzuknien, von Trump deshalb als «Hurensohn» beschimpft wurde und seit 2017 arbeitslos ist.

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Colin Kaepernick brachte die Rassismus-Proteste 2016 in den Sport.
Protest der 200-Meter-Medaillengewinner Tommy Smith und John Carlos (rechts) in Mexico City, 1968. Die Silbermedaille ging an den Australier Peter Norman
Am 17. März 1966 verkündete Mohammad Ali, dass er den Kriegsdienst in Vietnam verweigern will. «I ain't got no quarrel with those Viet Cong», sagte der Box-Champion («Ich habe keinen Streit mit diesen Vietcong»).

Der grosse Unterschied: Es ist kein Einzelsportler, der jetzt protestiert, während alle anderen dafür sorgen, dass die Spiele weitergehen und glanzvolle Bilder um die Welt geschickt werden. Die NBA ist eine der mächtigsten Sportligen der Welt, ihr Einfluss erreicht über Sneakers, Musik, Twitter-Einträge und gesellschaftliches Engagement weite Teile von Popkultur, Wirtschaft und auch Politik.

Am Mittwoch blieben Bildschirme in mehr als 200 Ländern dunkel oder zeigten Bilder von Sportlern, die protestierten. Und es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die NBA weltweit über deutlich mehr Fans verfügt als die republikanische Partei. Es ist ein Protest, der nicht ignoriert oder abgetan werden kann.

Die Milwaukee Bucks traten nicht zu ihrem Playoff-Spiel gegen Orlando Magic an und lösten damit eine Kettenreaktion in der Sportwelt aus.

Es ging weiter: Die Football-Franchise Detroit Lions sagte das Training ab, in der Baseballliga MLB wurden ebenso drei Partien verschoben wie in der Frauen-Basketballliga WNBA, in der Fussballliga MLS waren es fünf.

Die Tennisspielerin Naomi Osaka kündigte an, auf die Teilnahme am Halbfinale der Western & Southern Open in New York zu verzichten. Begründung: «Ich bin eine Tennisspielerin, aber noch mehr bin ich eine afroamerikanische Frau. Ich habe es satt, die immergleiche Debatte zu führen. Wann ist es endlich genug?» Kurz darauf verkündeten die Veranstalter der Generalprobe für die US Open, dass am Donnerstag überhaupt kein Tennis gespielt werde.

Naomi Osaka verzichtet aus Protest gegen Polizeigewalt auf ihr Halbfinalspiel beim Master-Turnier in New York.

«Wir müssen riskieren, dass wir etwas verlieren»

Die NBA hatte sich bereits vor der Fortsetzung der Saison in der Disneyworld-Bubble in Florida klar positioniert. Ein Grossteil der Spieler trug T-Shirts mit der Aufschrift «Black Lives Matter» und kniete beim Abspielen der Nationalhymne, die meisten liessen gesellschaftliche Botschaften auf die Trikots drucken wie etwa «Power to the People» oder «Gleichberechtigung» (Maxi Kleber von den Dallas Mavericks). Das waren starke Worte und Gesten, letztlich aber auch nicht mehr als das. Die Spiele gingen weiter.

Die Spiele gehen nicht weiter: Die NBA hat nach dem Bucks-Boykott auch die restlichen Playoff-Spiele des Tages abgesagt, Mitarbeitende räumen auf.

«Wir reden über Veränderungen», sagte Fred VanVleet vom Titelverteidiger Toronto Raptors am Dienstag: «Aber irgendwann müssen wir unsere Chips auf den Tisch legen und riskieren, dass wir etwas verlieren.» Also: Fans, die diesen Boykott nicht begrüssen, Sponsorenverträge und TV-Gelder. Das hat die NBA hiermit getan, und wie wichtig das ist, zeigt die Nacht zum Mittwoch: Ein hellhäutiger Teenager schoss in der Stadt Kenosha in Wisconsin – dem aktuellen Zentrum der Black-Lives-Matter-Bewegung – auf Demonstranten. Er tötete mutmasslich zwei und verletzte einen schwer.

Von Trump ist dazu bisher nichts zu vernehmen. Wohl aber hat er angekündigt, die Nationalgarde nach Kenosha zu entsenden, um für «Recht und Ordnung» zu sorgen. Trumps Spiele müssen weitergehen.

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