Umstrittenes Treffen in RomDie spezielle Osterüberraschung des Papstes
Franziskus feiert am Gründonnerstag ausgerechnet mit Kardinal Becciu – einem Kardinal, der wegen eines Finanzskandals eigentlich als gefallen galt.
Rom an Ostern – in normalen Zeiten ist das wahrscheinlich das schönste Wochenende im Jahr. Endlich ist der Frühling da, die Temperaturen sind mild, die Bäume blühen, die Restaurants am Meer sind ausgebucht. Man überlässt die Stadt den Touristen und Pilgern, und die begehen das reiche Veranstaltungsprogramm des Vatikans, durchgetaktet mit den immer gleichen Ritualen im suggestiven Rahmen.
Nun ist also schon zum zweiten Mal alles anders. Rom ist «orange Zone», die Restaurants sind geschlossen. Und die katholische Kirche musste ihr Programm wieder auf ein Minimum reduzieren. Vor einem Jahr, als Franziskus allein auf dem verregneten Petersplatz stand und für ein Ende der Pandemie betete, ging das Bild um die Welt, so ungewohnt war es – als Symbol, als Ikone. Man hat sich seitdem an leere Plätze gewöhnt.
Ein Termin, der nirgends vermerkt war
Für eine Überraschung sorgte der Papst nun aber doch, mit einem ausserprogrammlichen Termin am Gründonnerstag, der gar nirgends vermerkt war und gerade deshalb viel zu reden gibt. Am Morgen feierte er die traditionelle Chrisammesse im Petersdom: 200 Bischöfe, Ordensfrauen und Priester waren geladen, das Ritual mit den Ölen fiel aus. Am Nachmittag übernahm dann der italienische Kardinal Giovanni Battista Re, Dekan unter den Purpurträgern, die Messe, in der man des letzten Abendmahls Jesu gedenkt. Schon das war speziell, wenn auch seit einer Woche bekannt: Denn normalerweise führt der Papst durch diese Messe, so war es schon immer.
Erklärungen gab es keine, und so wurde gerätselt, ob man ihm wohl eine Ruhepause im Feiermarathon gönne. Franziskus ist schliesslich 84 Jahre alt, und in jüngerer Vergangenheit litt er oft an Rückenschmerzen.
Nun, weit gefehlt, der Papst hatte gleichzeitig einen anderen Termin, nur einige Hundert Meter entfernt: in der Privatkapelle eines vatikanischen Palazzo. Franziskus besuchte da den neulich erst in Ungnade gefallenen sardischen Kardinal Angelo Becciu und feierte mit ihm Messe, während sich draussen alle fragten, wo er wohl sei.
Geladen waren auch die Ordensschwestern, die Beccius Haushalt besorgen, und einige Eingeweihte. Es soll eine sehr herzliche und emotionale Begegnung gewesen sein, erzählt ein Bruder Beccius. Offenbar hatte der die Erlaubnis erhalten, darüber zu sprechen. Bahnt sich eine Rehabilitierung an?
Am vergangenen 24. September hatte Franziskus den hohen Prälaten, damals Präfekt der Heiligsprechungskongregation, in einem fast beispiellosen Akt aus dem Amt gedrängt. Abrupt und hart. Becciu wird verdächtigt, dass er während seiner Zeit als Substitut im Staatssekretariat, von 2011 bis 2018, unter anderem an einem mysteriösen, 500-Millionen-Euro-Deal mit einer Londoner Luxusimmobilie beteiligt gewesen war. Und dass er womöglich auch seine drei leiblichen Brüder mit Geld und Aufträgen aus dem Vatikan begünstigt hat. Becciu verlor Amt und Rechte, die Wohnung im Palazzo aber behielt er.
«Väterliche Geste»
Als die Messe im privaten Rahmen publik wurde, liess der Vatikan ausrichten, es habe sich um eine «väterliche Geste» des Papstes gehandelt, um österliche Barmherzigkeit. Der «Corriere della Sera» nennt den Termin «sensationell». Stefano Maria Paci, ein bekannter Vatikanist des italienischen Fernsehens, begann seinen Beitrag zum Treffen so: «Es passierte am 1. April, aber es war kein Aprilscherz.»
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