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Reform der Bundesanwaltschaft
Die SP will Lauber durch drei Bundesanwälte ersetzen

Der ehemalige Bundesanwalt Michael Lauber: In der Wintersession wählt das Parlament voraussichtlich seinen Nachfolger. 
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Schon ein Jahr ist es her, dass Michael Lauber die Wiederwahl zum Bundesanwalt knapp schaffte – unter Dauerkritik von Medien und Politikern. Später trat er freiwillig zurück. Ebenfalls vor einem Jahr reichte SP-Ständerat Daniel Jositsch ein Postulat ein, in dem er eine Reorganisation der Bundesanwaltschaft anregte. Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats beschäftigt sich seither damit.

Doch die SP will nicht warten, bis der Bericht der Kommission da ist. Die Partei hat vor einigen Monaten selber eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die in diesen Tagen ihre Arbeit abgeschlossen hat. Die Gruppe – bestehend aus den beiden Ständeräten Daniel Jositsch und Carlo Sommaruga sowie zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern der Partei – schlägt einen radikalen Umbau der Bundesanwaltschaft vor: Es soll künftig nicht mehr einen Bundesanwalt geben. Stattdessen soll ein Gremium aus drei Bundesanwälten die Behörde mit 220 Mitarbeitenden an vier Standorten führen. Weiter will die SP die siebenköpfige Aufsichtsbehörde AB-BA abschaffen und eine Subkommission im Parlament für die Aufsicht einsetzen, unterstützt von einem neu zu schaffenden Justizinspektorat nach dem Vorbild der Finanzmarktaufsicht (Finma). Zudem will die SP den Aufgabenkatalog der Bundesanwaltschaft verschlanken. Zum Beispiel sollen Bundesanwälte nicht mehr bei Inland-Wirtschaftsdelikten ermitteln, diese Aufgabe würde an die Kantone delegiert. Die Bundesbehörden wären nur noch bei grenzüberschreitenden Fällen zuständig.

Die SP-Fraktion im Bundeshaus verabschiedete die Vorschläge der Arbeitsgruppe, die dieser Zeitung vorliegen, an ihrer Sitzung vom Dienstagnachmittag. Dabei nahm sie marginale Änderungen vor. Nun werden die Forderungen mittels parlamentarischer Initiative im Ständerat eingebracht.

«Nicht nur Michael Lauber ist gescheitert. Auch seine Vorgänger bis zurück in die Neunzigerjahre sind alle in Ungnade gefallen», sagt Jositsch. «Man kann das Prozedere nicht einfach so weiterführen, ohne die Systemfrage zu stellen.» Jetzt sei der richtige Moment dafür, bevor das Parlament voraussichtlich in der Wintersession den Nachfolger von Michael Lauber wählt.

Nicht nur Michael Lauber ist gescheitert. Auch seine Vorgänger sind in Ungnade gefallen. Man kann das Prozedere nicht einfach so weiterführen.»

Daniel Jositsch, SP-Ständerat

Die Bundesanwaltschaft ist während ihres 172-jährigen Bestehens immer wieder reformiert worden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts legte ein Bundesanwalt gar sein Amt nieder, weil er zu wenig Arbeit hatte. Um die Jahrtausendwende wurde die dem eidgenössischen Justizdepartement angegliederte Behörde zu einem professionellen Strafverfolgungsapparat ausgebaut. Später kamen die Aufsicht und das Bundesstrafgericht in Bellinzona dazu. Heute wählt zudem das Parlament den Bundesanwalt, bis vor einigen Jahren war der Bundesrat dafür zuständig.

Caroni: «Das heutige System ist unschweizerisch»

Die Vorschläge der SP werden in anderen Parteien wohlwollend aufgenommen. Ein Dreiergremium anstelle eines einzigen Bundesanwalts ist für FDP-Ständerat Andrea Caroni eine denkbare Variante. «Das heutige System mit nur einem Bundesanwalt ist an sich sehr unschweizerisch. Niemand in der Schweiz vereint so viel Macht auf sich. Sogar der Bundespräsident oder die Ratspräsidenten sind in Kollegien eingebunden.» Ein Kollegium würde nach Ansicht von Caroni nicht nur die Machtverhältnisse ausbalancieren, sondern hätte weitere Vorteile. «Auch hätte Lauber so während seines Disziplinarverfahrens einfacher zur Seite treten können.»

Den Zuständigkeitskatalog zu verschlanken, halten alle angefragten Parlamentarier für eine gute Idee. Erst jüngst wurde die Bundesanwaltschaft davon entlastet, Sprenganschläge auf Robidog-Behälter oder die Fälschung von Autobahnvignetten zu verfolgen. Andrea Caroni empfiehlt jedoch, zuerst die Analyse der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats abzuwarten.

«Auch wir machen uns Gedanken über eine Reorganisation», sagt SVP-Nationalrat Gregor Rutz. Allerdings denke die SVP eher daran, die Bundesanwaltschaft wieder dem Justizdepartement anzugliedern. Das sei womöglich effizienter. Ausgegliederte Bundesbehörden seien faktisch nicht viel unabhängiger, sondern einfach aufwendiger zu betreiben.

Gegen das «Zerschlagen von Strukturen»

CVP-Ständerat Beat Rieder lehnt die Reformvorschläge der SP ab. «Weil einzelne Personen grobe Fehler gemacht haben, sollte man keine Totalreform vornehmen», sagt der Walliser. Er sei gegen das «Zerschlagen von Strukturen». Eine geteilte Verantwortung über die Bundesanwaltschaft würde neue Probleme ergeben, eine parlamentarische Aufsicht wäre zu wenig kompetent und ein neues Justizinspektorat zu aufwendig. Die Tatsache, dass auch mehrere von Michael Laubers Vorgängern in Ungnade gefallen sind und ihre Amtszeit auf unrühmliche Art beenden mussten, ist für Beat Rieder kein Grund, die Behörde zu reorganisieren. «Eher das Wahlsystem», sagt er. Dieses müsse professionalisiert werden, auch für die Wahl von Bundesrichtern. Er arbeite an einem Vorstoss, mehr wolle er dazu nicht sagen.

Die SP-Fraktion hat das Thema nicht zufällig in der letzten Sessionswoche beraten. Am Mittwoch wählt das Parlament voraussichtlich Stefan Keller zum ausserordentlichen Bundesanwalt. Er soll eine Strafuntersuchung gegen den ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber führen.