Die Rugby-Kids der SchweizSchon Knirpse spielen Rugby
Über 1500 Kinder und Jugendliche sind in Vereinen aktiv – dazu gehören nicht nur Expats, sondern immer mehr Schweizer Chnöpf. Warum schicken Eltern ihren Nachwuchs ausgerechnet in diesen kampfbetonten Sport?
Lorenz Zellweger, Vorstandsmitglied beim Schweizer Rugby-Verband, steigt mit seinen Kollegen ins Archiv, durchstöbert die Kartei. Gesucht ist: das jüngste Rugby-Küken der Schweiz. Zellweger wird fündig, schickt eine SMS: «Das Mädchen heisst Benedetta, sie kommt aus Genf.» Sie ist drei Jahre alt, trainiert beim Club Cern Meyrin.
Rund 230 Kilometer weiter östlich. Dort hält der dreijährige Hector den Altersrekord als jüngstes Mitglied bei der Rugby Academy in Zürich. Sein Vereinskollege Nikolaos ist vier. Mathieu und Shane, die ebenfalls hier trainieren, sind sechs.
1650 Kinder und Jugendliche spielen in der Schweiz Rugby
Die Rugby-Kids, die in Zürich über den Rasen flitzen, sind eine international breit aufgestellte Truppe. «Auf dem Platz werden alle möglichen Sprachen durcheinander gesprochen, Englisch, Französisch, Hochdeutsch oder Italienisch», sagt Rahel Bosshard, Technische Leiterin der Rugby Academy. «Wir haben aber auch immer mehr Schweizer Kinder.»
Die Sportart kann es zahlenmässig zwar nicht mit Fussball oder Handball aufnehmen. Aber 724 Kinder in der Alterskategorie U-06 bis U-12 (jünger als 6 Jahre bis jünger als 12) haben inzwischen in der Schweiz eine Rugby-Lizenz, hinzu kommen 352 Kinder in der Kategorie U-14. Weitere 574 Spieler sind U-18 bis U-16. Macht total: 1650 lizenzierte Kinder und Jugendliche, die in der Schweiz Rugby spielen. Bei den ganz Kleinen, sagt Zellweger, könne man nicht von eigentlichem Rugby sprechen. «Hier geht es mehr um: ‹Ich und der Ball›.»
Rugby ist ein Sport mit hartem Körperkontakt. Warum schicken Eltern ihre Kinder ausgerechnet dahin? Dieser Sport sei eine gute Lebensschulung, sagt Claudia Ricklin vom Rugby Club in Bern. «Er bietet allen Kindern die gleichen Chancen, mit dem Ball zu laufen, anzugreifen und zu verteidigen. Rugby ist ein echter Teamsport. Es braucht jede und jeden.»
Man kann es auch so sagen: Einen Lionel Messi, der das Spiel dominiert, gibt es in dieser Sportart nicht. Es gibt auch keine separierten Fansektoren – da sitzen alle zusammen und schauen sich das Spiel an.
Doch nicht alles ist nur himmelblau. Es gibt ein Verletzungsrisiko, das zum Teil höher ist als in anderen Sportarten. Durch einen Sturz auf den Kopf oder einen Zusammenprall kann es zu Hirnerschütterungen kommen. Darum, sagt Ricklin, gebe es neben der regulären Ausbildung für Rugby-Trainer «einen speziellen Erste-Hilfe-Kurs, bei dem Kopfverletzungen im Zentrum stehen».
Wenn Eltern ihre Kids im Rugby-Verein anmelden, hat das auch mit Tradition zu tun. In der Schweiz wird vor allem dort Rugby gespielt, wo es viele Expats gibt. Frankreich, England, Irland, Neuseeland – das sind die grossen Rugby-Nationen. Der Einfluss Frankreichs ist in der Romandie zu spüren – dort wird mehr Rugby gespielt als in der Deutschschweiz.
Auch Zellwegers erwachsene Kinder – zwei Söhne und eine der Töchter – spielen Rugby. Verletzen würden sie sich eher beim Biken, Skaten oder Skifahren, sagt er. «Und bei den kleineren Rugby-Knirpsen ist die Verletzungsgefahr ohnehin gering, da stösst man mit viel weniger Gewicht und Geschwindigkeit aufeinander und purzelt einfach um.
Wie bei Boris Johnson, der in England für seine Überschwänglichkeit berüchtigt ist. Auf dem Rugby-Feld mischte der Mann mit der blonden Sturmfrisur bei einem Spiel mit Kindern mit und walzte einen Knaben um – der nahm es gelassen, stand auf und spielte einfach weiter.
Fehler gefunden?Jetzt melden.