ZoomDie Renaissance des Plattenbaus
In seinem Bildband «Plattenbau Berlin» feiert der Fotograf Jesse Simon die zeitlose Eleganz der Berliner Betonmonolithen.
«Hässlich», «horrormässig», «Schandfleck»: Berlins Plattenbauten geniessen nicht den besten Ruf. Sie gelten als steril, monoton, anonym, als soziale Problemviertel. Doch auf Plattencovern und Social Media werden die riesigen Betonmonolithen gerade wiederentdeckt.
So auch auf dem Twitter-Account von Jesse Simons, britischer Fotograf, Dozent und Autor, der seit 2012 in Berlin lebt. Über Jahre postete er hier Bilder von Plattenbauten, denn «in den Rhythmen, Texturen und Details der Ost- wie der Westberliner Nachkriegswohnbauten lässt sich grosse Schönheit entdecken», so Simon.
Sein Bildband «Plattenbau Berlin» feiert aber nicht nur die grafische Klarheit dieser Bauten, sondern dokumentiert auch ein Stück Zeitgeschichte.
Von der Grosssiedlung am Fennpfuhl in Lichtenberg über die «Platte» in Marzahn bis Gropiusstadt: Ihren Boom erlebten die Plattenbauten in der Nachkriegszeit. Damals galt es, viele Menschen schnell und günstig unterzubringen. Die Lösung waren vorgefertigte Stahlbetonplatten, die vor Ort in kurzer Zeit zu Gebäuden aufgetürmt wurden, die sich im Himmel breitmachten.
Die Häuser, so wie sie Simon fotografiert, haben oft keinen Boden, zum Teil wirken sie wie konstruktivistische Gemälde. Menschen sieht man keine. Warum bloss begeistern sich so viele wieder für dieses architektonische Phänomen? Einerseits ist es der zeitliche Abstand, den die heutige Generation zu ihrer Vergangenheit hat, ein bisschen Nostalgie vielleicht auch. Andererseits haben sich die Bauten als extrem langlebig erwiesen, durch beständige Sanierungen und Modernisierungen hat man sie für die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts hergerichtet – «ein Beweis für ihre zeitlose Eleganz und Anpassungsfähigkeit», so Simon.
Doch es gibt auch die andere Seite: Für viele bedeutet das verdichtete Wohnen bis heute eine geringe Lebensqualität, Armut, Vereinsamung. Damit stellt «Plattenbau Berlin» nicht zuletzt auch die Frage nach der Zukunft des Städtebaus, in welchem der soziale Aspekt trotz Wohnungsnot nicht vergessen werden darf.
Fehler gefunden?Jetzt melden.