Prozess gegen Pierre Maudet«Die Reise nach Abu Dhabi war privat»
Der Genfer Staatsrat Pierre Maudet steht wegen seiner Luxusreise in die Arabischen Emirate vor Gericht. Sein ehemaliger persönlicher Mitarbeiter hat ihn zu entlasten versucht.
Die Anklagebank als Möbelstück ist aus Schweizer Gerichtssälen längst verschwunden. Angeklagte sitzen heute üblicherweise an Bürotischen direkt neben ihren Anwälten. Nicht so im Genfer Palais de Justice. Dort steht noch eine Anklagebank, direkt unter dem Richterpodium, mehrere Meter lang und komfortabel gepolstert für tagelange Verhandlungen.
Auf dieser berüchtigten Bank sitzt seit Montag der Genfer Staatsrat Pierre Maudet. Der Grund ist eine Luxusreise an den Formel-1-Grand-Prix von Abu Dhabi, bezahlt vom Kronprinzen des Emirats. Staatsanwalt Stéphane Grodecki wirft Maudet Vorteilsannahme vor. Der Prozess dauert eine Woche. Auch Maudets Ehefrau will als Zeugin aussagen.
Am ersten Prozesstag konnte sich Pierre Maudet zu den Anschuldigungen noch nicht äussern. Die Gerichtspräsidentin befragte unter anderen Patrick Baud-Lavigne, Maudets ehemaligen persönlichen Mitarbeiter. Dieser hatte die Reise im Austausch mit dem Kronprinzen von Abu Dhabi organisiert und flog mit Maudet und dessen Familie in den Wüstenort.
Der 40-Jährige wies die Vorwürfe vor Gericht zurück. Er beschrieb den Trip in die Emirate als «Privatreise» und betonte, anders als Maudet habe er weder die Schweizer Botschafterin noch Minister getroffen. Die Reise habe pro Person auch nicht über 10’000 Franken gekostet, wie die Staatsanwaltschaft dies behaupte, sondern nur 6000 bis 7000 Franken. VIP-Tickets für den Formel-1-Grand-Prix von Abu Dhabi hätten sowieso keinen Preis, so Baud-Lavigne. Man könne sie nicht kaufen, man bekomme sie geschenkt.
«Haben Sie kein Risiko für passive Korruption gesehen?»
Als Reaktion verwies Staatsanwalt Stéphane Grodecki auf ein kantonales Gesetz, das Genfer Staatsangestellten verbietet, Geschenke von über 100 Franken anzunehmen. Andernfalls droht die Entlassung. Baud-Lavigne ging darauf nicht ein. Er betonte, die Organisatoren des Genfer Autosalons würden regelmässig Staatsangestellte mit Begleitpersonen auf Wochenendtrips einladen. Andere hätten an den Reisen stets teilgenommen, er habe aber solche Einladungen immer ausgeschlagen, so Baud-Lavigne.
Die Gerichtspräsidentin fragte wiederum: «In der Korrespondenz mit dem Kronprinzen werden Sie als ‹Chief of Staff› bezeichnet: Haben Sie kein Risiko für passive Korruption gesehen?» Baud-Lavigne verneinte. Die Finanzierung der Reise halte er für «kein strafrechtliches Problem, sondern ein Imageproblem».
«Das ist keine Copinage, das ist behördlicher Pragmatismus.»
Ob ein strafrechtliches Problem vorliegt, dürfte sich unter anderem an der Frage klären, ob Staatsrat Maudet oder sein Stabschef als Dank für die Reise Gegenleistungen erbrachten. Die Staatsanwaltschaft sieht diverse Gefälligkeiten. Sie beschuldigt Baud-Lavigne, mitunter Amtsgeheimnisverletzungen begangen zu haben. Er soll einen Genfer, der bei der Organisation der Abu-Dhabi-Reise half und wegen Vorteilsgewährung mitangeklagt ist, mit Informationen über ein Einbürgerungsverfahren beliefert haben. Natürlich habe er die Information besorgt, bestätigte Baud-Lavigne. Das sei aber «keine Copinage, sondern behördlicher Pragmatismus» gewesen. Dies machten übrigens alle 30’000 Genfer Staatsangestellten, und sowieso habe jeder Bürger «einen Copain» auf der Verwaltung, der ihm Informationen beschaffen könne.
Demselben Mann soll Baud-Lavigne geholfen haben, im Schnellverfahren an eine Betriebsbewilligung für ein Restaurant zu kommen, obschon das Gesuch wegen fehlender Dokumente unvollständig war. Der damalige Chef der Gewerbepolizei sagte vor Gericht, Baud-Lavigne habe ihm befohlen, die Betriebsbewilligung auszustellen. Es sei klar gewesen, dass der Befehl von ganz oben kam: von Staatsrat Pierre Maudet. Am Dienstag wird Maudet vor Gericht aussagen.
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