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Parteitag des rechtsnationalen Rassemblement National
Die Provokateurin will an die Macht

Marine Le Pen hat es eilig. Auf dem Parteitag positionierte sie sich für die Präsidentschaftswahl 2022.
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Die Kulisse soll vom Erfolg erzählen. Zu seinem 17. Parteitag hat der Rassemblement National (RN) nach Perpignan ans Mittelmeer eingeladen. Dort stellt Louis Aliot seit 2020 den Bürgermeister – er ist der erste RN-Politiker, dem es gelang, eine 100’000-Einwohner-Stadt zu gewinnen. Nun stehen Aliot, seine Parteichefin Marine Le Pen und die anderen Spitzenmänner des RN an diesem Sonntagmorgen auf der Dachterrasse des Kongresszentrums von Perpignan. Aber der Erfolg fehlt, denn auch bei der zweiten Runde am vergangenen Sonntag gelang es den Rechtsextremen nicht, eine Region für sich zu gewinnen.

Für Le Pen ändert das nichts daran, dass sich der RN im unaufhaltsamen Aufstieg befinde. Tatsächlich sehen alle Umfragen auch nach der Regionalwahl Le Pen in der Stichwahl 2022 gegen Emmanuel Macron. «Auf den Marktplätzen haben mich alle nach der Präsidentschaftswahl gefragt», sagt Le Pen.

Weil sich bei den Regionalwahlen zwei Drittel der Wähler enthalten haben, gehe es nun darum, die Nichtwähler bei der Präsidentschaftswahl für den RN zu mobilisieren. Denn tatsächlich zeigen die Analysen nach den Regionalwahlen, dass vor allen Dingen die Rechtsextremen die Konsequenzen der niedrigen Beteiligung zu spüren bekamen. Die Protestwähler gaben nicht mehr Le Pen ihre Stimme, sie blieben zu Hause.

Le Pens Partei wird beliebig

Hat Le Pen durch ihre Strategie der «Entdiabolisierung» also Wähler verloren? Auch wenn sich auf den Listen für die Regionalwahl Neonazis befanden und auch wenn Einzelne wegen rassistischer und antisemitischer Äusserungen ihre Kandidatur zurückziehen mussten – der RN wirkt auf die Franzosen zunehmend wie eine Partei wie alle anderen. Das ist unter anderem das Ergebnis der verbalen Selbstzähmung Le Pens.

Wobei sie am Sonntag im Gespräch mit Journalisten deutlich zeigte, wie bewusst ihr ist, dass ihr Erfolg darauf beruht, dass sie als eine Politikerin wahrgenommen wird, die «ausserhalb des Systems» steht. Sie müsse sich «fast bei ihren Konkurrenten bedanken», die Allianzen schlossen, um die Wahl von RN-Kandidaten zu verhindern. So könnte sie sich «das Argumentieren sparen». Schliesslich will Le Pen beweisen, dass sie nicht Teil der Eliten sei, gegen die sie routinemässig schimpft.

Sie will diejenige sein, die «laut sagt, was alle leise denken».

Das Bild, das Le Pen zehn Monate vor der Präsidentschaftswahl von sich vermitteln will, ist widersprüchlich. Sie will einerseits das Enfant terrible der Politik bleiben, diejenige, die «laut sagt, was alle leise denken», so ein altes Mantra der Rechten. Tatsächlich gibt es kaum eine öffentliche Stellungnahme Le Pens, die man nicht auf die Faustregel reduzieren könnte: Ohne Ausländer hätten wir keine Probleme.

Nur will Le Pen sich anders als ihr offen faschistischer Vater, den sie aus der von ihm gegründeten Partei geworfen hat, nicht mehr mit der Rolle der Dauerprovokateurin zufriedengeben. Sie will an die Macht. Sie will beweisen, dass sie einen Staat führen kann. Und so klingt sie an diesem Sonntag auf einmal, als stünde nicht Macron, sondern sie vor der Wiederwahl. «Die Franzosen wollen nichts Neues, sie wollen keine Abenteuer», sagt Le Pen.

2017 habe Macron die Wahl gewonnen, weil die Menschen sich von seiner Jugend einen Neuanfang versprochen hätten. Doch nun wollten die Franzosen «Klarheit», sagt Le Pen. Und mit Klarheit meint sie: Le Pen. Also eine Frau, die vor ein paar Jahren noch aus dem Euro austreten wollte, inzwischen aber Teil der Europäischen Union bleiben möchte, um «das System von innen zu verändern». Sie sei eben «keine Ideologin, sondern Pragmatikerin», so Le Pen.

Marine Le Pen wurde am Sonntag mit 98 Prozent als Parteivorsitzende bestätigt.

Die Stabilität, für die Le Pen stehen will, zeigt sich bei diesem RN-Parteitag am eindrücklichsten personell. Frankreichs radikale Rechte wirkt wie ein grosses Familientreffen – immer die gleichen Gesichter. Le Pen selbst wird am Sonntag mit 98 Prozent der Mitgliederstimmen erneut als Parteivorsitzende bestätigt.

Auch im richtunggebenden Organ der Partei, dem Exekutivrat, ändert sich wenig. Allerdings finden sich nun unter den Mitgliedern des Exekutivrats – für den RN eine kleine Revolution – drei Frauen. Es sind die ersten Frauen in hervorgehobener Position in der Partei, die nicht Le Pen heissen. Die Parteichefin sprach von einer «Feminisierung» der Partei, die «ohne jede Quote» erreicht worden sei. Möglicherweise um Platz für die Frauen zu schaffen, wurde der Mitgliederkreis des Exekutivrats erweitert. Statt wie bislang 10 zählt das Führungsorgan nun 15 Mitglieder.

In ihrer Rede klang sie zum Teil wie der amtierende Präsident, bediente aber auch die bekannten Ressentiments.

Worauf sich die Franzosen im kommenden Wahlkampf einzustellen haben, zeigte Le Pen in ihrer Abschlussrede des Parteitags am Sonntagnachmittag. Frisch als Parteichefin bestätigt, war es ihr erster Auftritt als offizielle Präsidentschaftskandidatin des RN. Le Pen machte dabei Anleihen beim amtierenden Präsidenten Macron, als sie ihre Politik ein «Projekt» nannte und die Franzosen zu Optimismus und Selbstbewusstsein aufforderte.

Gleichzeitig bediente sie alte RN-Themen: Frankreichs Zivilisation stehe «kurz vorm Verschwinden», sagte Le Pen. Und: «Wir glauben nicht an die multikulturelle Gesellschaft, weil das eine Multi-Konflikt-Gesellschaft ist.» Le Pen versprach ein Migrationsreferendum, das «alle Aspekte des Problems» lösen solle, es drohe die Einwanderung von «70 Millionen Menschen nach Europa».

Die zentralen Themen der Rede waren Sicherheit und Schutz der Bürger. Die EU zeichnete Le Pen dabei als totalitäre Repressionsmacht, von der «die Nationen befreit» werden müssten. Der RN sei «nach zehn Jahren Arbeit eine Regierungspartei» geworden, sagte Le Pen. 2011 hatte sie von ihrem Vater den Front National übernommen, den sie 2018 in Rassemblement National umbenannte.