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Wahlkampf in Polen
Die nationalistische PIS-Partei wirkt planlos

Die Rechtsnationalen versuchen, sich Vorteile zu verschaffen, um an der Macht zu bleiben: Polens Vizepremier Jaroslaw Kaczynski.
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Noch drei Monate bis zur Wahl. Und noch immer hat Präsident Andrzej Duda den Polinnen und Polen nicht verkündet, wann genau sie den neuen Sejm und somit eine neue Regierung wählen dürfen. Doch alle setzen auf den 15. Oktober. Duda selbst hat das kürzlich in einem Interview nahegelegt. Das sei ein «sehr schönes Datum» – an diesem Sonntag wird der sogenannte Tag des Papstes begangen, der an Johannes Paul II erinnert. Ausserdem, sagte Duda, «hätte sicher niemand etwas dagegen, wenn der Wahlkampf nicht allzu lange dauert».

Letzteres mag für viele wie ein Scherz geklungen haben. Denn auch wenn der Wahlkampf offiziell erst am Tag der Verkündigung des Wahldatums eröffnet wird – begonnen hat er längst.

Kommunalwahlen verschoben

Es ist eine Wahl, auf die ganz Europa schaut. Im Europäischen Parlament bereitet man sich schon vor. Eine unabhängige Wahlbeobachtermission soll entsendet werden, eine entsprechende Resolution verabschiedeten die Abgeordneten Anfang Juli.

Für die rechtsgerichtete, nationalistische Partei «Recht und Gerechtigkeit», kurz PIS, geht es um viel. Zwar führt sie die Umfragen an, doch nach einer Mehrheit sieht es derzeit nicht aus. Die PIS kämpft gegen den Verlust ihrer Macht – und wirkt dabei im Moment etwas planlos.

Wohl auch deshalb machen sich einige Sorgen um die Unabhängigkeit der Wahlen. Denn die Regierung zeigt zugleich, dass sie bereit ist, ihre Macht auch für den Machterhalt einzusetzen. Sie hat bereits Änderungen am Wahlrecht vorgenommen, die ihr zumindest kleine Vorteile verschaffen können. Die anstehenden Kommunalwahlen hat sie ins Frühjahr verschoben, sie sollten eigentlich auch im Herbst stattfinden. Doch bei den Kommunalwahlen sind häufig die Oppositionsparteien stark – die Regierung fürchtete deshalb wohl negative Auswirkungen auf ihr eigenes Ergebnis.

Die Tageszeitung «Rzeczpospolita» veröffentlichte eine Umfrage, laut der 40 Prozent befürchten, es könne zu Unregelmässigkeiten bei den Wahlen kommen.

Zuletzt erliess sie noch die sogenannte Lex Tusk, mit der Kritiker kaltgestellt werden könnten. Eine Untersuchungskommission soll darüber richten, ob jemand im Interesse Russlands gehandelt hat – wenn ja, kann derjenige von politischen Ämtern vorerst ausgeschlossen werden. Die PIS hatte schon deutlich gemacht, dass sie als Erstes Oppositionsführer Donald Tusk vorladen möchte.

Die Bürgerrechtsbewegung Akcja Demokracja kündigte bereits an, für den Wahltag möglichst viele Beobachter zu rekrutieren. Am Wochenende veröffentlichte die Tageszeitung «Rzeczpospolita» eine Umfrage, laut der 40 Prozent der Befragten befürchten, es könne zu Unregelmässigkeiten bei den Wahlen kommen.

Seit acht Jahren ist die PIS an der Macht. 2019 ging sie gestärkt aus den Wahlen hervor. Nun führt die Partei die Umfragen mit zwischen 31 und 35 Prozent Wählerzustimmung an – doch im Vergleich zum Wahlergebnis 2019 hätte sie damit verloren. Damals kam die PIS, die zusammen mit kleineren Listenpartnern als «Vereinte Rechte» antrat, auf knapp 44 Prozent und konnte sich damit eine Mehrheit der 460 Sitze im Sejm sichern.

Eine traurige Vereidigung

Wohl um weniger kopflos zu wirken, holte die Partei erst vor vier Wochen den 74-jährigen Jaroslaw Kaczynski zurück in die Regierung, der Parteivorsitzende ist nun stellvertretender Ministerpräsident. Zuvor hatte Premier Mateusz Morawiecki vier Stellvertreter gehabt, sie wurden alle entlassen. Die Partei wollte es als Zeichen der Stärke verstanden wissen. Präsident Duda lobte, damit sei die Sicherheit Polens garantiert.

Verbündete: Premier Mateusz Morawiecki empfängt die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni in Warschau (5. Juli).

Kritiker überzeugt das alles nicht. Die Krakauer Wochenzeitung «Tygodnik Powszechny» etwa schreibt am Wochenende von einer «ausgebrannten Regierung». Nie habe es eine traurigere Vereidigung gegeben als die von Kaczynski am 21. Juni. Es habe Begräbnisstimmung geherrscht.

Auch der Aufstieg der rechtsextremen Partei Konfederacja lässt die PIS im wahrsten Wortsinne alt aussehen. Die Konfederacja, die Steuern abschaffen und die EU verlassen will, stellt die PIS als Establishment-Partei alter Männer dar, die inzwischen den Bezug zu den Leuten verloren hat. Tatsächlich sind die PIS-Anhänger am ältesten, während die Konfederacja massiv Jüngere anzieht. Sie liegt mit etwa 15 Prozent Zustimmung derzeit auf Platz 3 in den Umfragen.

PIS setzt sich für Braunkohletagebau

Die Wahlkampfthemen der PIS zeugen bislang von wenig Einfallsreichtum. Wichtigstes Thema der PIS: die Bewahrung von Souveränität und Identität. Damit lassen sich Reparationsforderungen an Deutschland für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs begründen. Aber auch Vorwürfe gegen die Opposition, zu eng mit Russland oder auch Deutschland zusammenzuarbeiten. Die «Verteidigung des guten Namens von Johannes Paul II.» gehört ebenfalls dazu. Mit demselben Eifer setzt sich die PIS für den umstrittenen Braunkohletagebau Turow ein – dem ein Warschauer Gericht zuletzt unzureichende Umweltprüfungen bescheinigte.

Der neue Vizepremier Kaczynski versucht, mit dem Thema Flüchtlinge Stimmen zu gewinnen – 2015 hatte das funktioniert. Nun will die PIS am Wahltag auch ein Referendum über die Frage abhalten, ob Polen sich an der Umverteilung von Migranten beteiligen soll. An der Entscheidung der EU-Staaten im Flüchtlingskompromiss wird das allerdings nichts ändern.

Mehr Kindergeld

Am Wochenende reiste Ministerpräsident Mateusz Morawiecki durch Pommern, im Nordosten Deutschlands. Der 55-Jährige liess sich mit Familien fotografieren, versuchte, entspannte Picknick-Atmosphäre zu verbreiten. «Wir lassen die Menschen nicht allein», sagte er. Dazu warb er damit, nach der Wahl das Kindergeld von 500 Zloty monatlich auf 800 Zloty anzuheben, also um etwa 70 Franken. Etwas, das viele Polen angesichts der anhaltend hohen Inflationsraten für selbstverständlich erachten müssten. Ausserdem, sagte Morawiecki, sollten mehr Autobahnen von der Maut befreit werden.

In allen Umfragen ist eine Gruppe immer noch grösser als die der PIS-Wähler: die der Nichtwähler. Sie liegt bei etwa 40 Prozent. Um sie zu mobilisieren, muss sich die PIS möglicherweise mehr einfallen lassen.