Kommentar zur GendermedizinDie Medizin muss Frauen endlich ernster nehmen
Mit dem stärkeren Gewichten von geschlechtsspezifischen Unterschieden macht das Parlament einen Schritt, der überfällig ist.
Covid-19 verläuft bei Männern häufiger tödlich als bei Frauen. Letztere leiden dafür häufiger unter Langzeitfolgen. In der Pandemie hat sich gezeigt, was man eigentlich seit Jahrzehnten weiss: Das biologische Geschlecht und die Rollenzuschreibungen der Gesellschaft beeinflussen, wie jemand erkrankt und medizinisch betreut wird. Dies soll in der Forschung und im medizinischen Alltag künftig stärker berücksichtigt werden. Der Nationalrat hat letzte Woche zwei entsprechende Vorstösse angenommen. Sein Signal ist unmissverständlich: Die Gesundheitsversorgung in der Schweiz soll gerechter werden.
Im Moment sind es vor allem die Frauen, die unter der starken Orientierung am männlichen Körper zu leiden haben.
Frauen werden in Studien und bei der Entwicklung von Medikamenten kaum einbezogen. Sie werden weniger intensiv untersucht und erhalten häufiger keine oder eine falsche Diagnose. Als Folge davon werden sie erst verzögert oder nicht angemessen behandelt. Im Fall von Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann sie dies das Leben kosten.
Es ist höchste Zeit, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in der Medizin stärker gewichtet werden. Frauen und ihre Leiden müssen ernster genommen werden. Die Gesundheitsversorgung muss für alle von gleicher Qualität sein. Dafür sprechen nicht nur ethische Überlegungen. Auch mit Blick auf die Gesundheitskosten und die volkswirtschaftlichen Auswirkungen lohnt es sich, von der männlichen Norm wegzukommen.
Denn: Wenn man mehr über unterschiedliche Symptome, Ausprägungen und Verläufe von Krankheiten weiss, kann man sie wirksamer behandeln. Gerade bei Erkrankungen, die ausschliesslich Frauen betreffen, ist die Forschung gefordert. Etwa bei der Endometriose, einer krankhaften Wucherung der Gebärmutterschleimhaut. Es ist unverständlich, dass Betroffene durchschnittlich zehn Jahre warten müssen, bis ihr Leiden erkannt wird – und ihnen dann kaum Therapien zur Verfügung stehen.
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