Regionalwahlen in ItalienDie Linke verteidigt ihre toskanische Festung
Die Sozialdemokraten überraschen mit drei Siegen in der Toskana, in Kampanien und Apulien. Für Matteo Salvini läuft alles schief. Und die Cinque Stelle setzen ein altes Anliegen durch.
Der Sturm auf die Toskana ist verweht. Italiens Linke behält ihre alte Hochburg im Herzen des Landes, doch so gezittert wie diesmal hatte sie seit republikanischem Gedenken noch nie. Eugenio Giani, der Kandidat des sozialdemokratischen Partito Democratico und von Matteo Renzis Partei Italia Viva, hat die wichtigste von sieben italienischen Regionalwahlen am Ende einigermassen deutlich gewonnen – gemäss Hochrechnungen mit 47 Prozent der Stimmen. Die junge Bewerberin der rechten Lega, Susanna Ceccardi, brachte es demnach auf 40 Prozent.
Wahrscheinlich spielte eine Rolle, dass die Linke den Urnengang zuletzt zu einem nationalen Drama stilisiert hatte – zu einem Showdown mit Matteo Salvini, dem Chef der Lega. Der hatte alle Hoffnung in einen symbolisch spektakulären Wahlsieg in der Toskana gesetzt, in einen Befreiungsschlag nach einem stetigen Gunstverlust seit seinem Sturz im August 2019. Doch wie schon im Januar in der Emilia Romagna, der anderen «roten Festung», scheiterte sein Coup.
Das Signal aus Venedig
Das progressive Lager gewann auch in Kampanien, wo Regionspräsident Vincenzo De Luca mit grossem Vorsprung seine Wiederwahl schaffte. Überraschend klar und wider alle Prognosen konnte sich auch der bisherige Gouverneur Apuliens, Michele Emiliano, gegen den Bewerber der Rechten behaupten. Die Marken, Ligurien und Veneto gehen oder bleiben rechts – wie erwartet. Im Aostatal werden Gouverneure nicht direkt vom Volk gewählt.
Besondere Aufmerksamkeit kam Venetien zu, wo Luca Zaia von der Lega sein drittes Mandat mit einem Plebiszit gewann: wohl mehr als 75 Prozent. Und da Zaia, ein Vertreter der alten Lega Nord, Salvinis parteiinterner Rivale ist, galt das Votum für ihn auch als Misstrauensvotum gegen den anderen. Zaias eigene Wahlliste holte fast dreimal so viele Stimmen wie die offizielle Liste der Lega. Plötzlich steht Salvinis Rolle als Parteichef infrage.
Ein Triumph für die Cinque Stelle
Neben den Regionalwahlen fand auch eine Volksabstimmung über eine Verfassungsreform statt. Nach vielen Versuchen und tausend Debatten verkleinert Italien sein Parlament – von 945 auf 600 Sitze. Knapp 70 Prozent der Wahlteilnehmer stimmten für die Reform, die das Parlament schon in doppelter Lektüre passiert hatte und nur noch einer Bestätigung durch das Volk bedurfte. Das Votum ist ein Triumph für die Cinque Stelle, die einst als systemkritische Bewegung mit solchen Vorschlägen Furore gemacht hatte und nun das Land mitregiert.
Die Italiener haben pauschal keine sehr grosse Achtung für die Schaffenskraft ihrer nationalen Volksvertreter, die sie auch gemeinhin für überbezahlt halten – insofern ist das Ergebnis keine Überraschung. Erstaunlich ist allenfalls, dass es nicht viel massiver ausfiel. Bei Umfragen vor dem Sommer sagten bis zu 90 Prozent der Italiener, dass sie für den Schnitt stimmen würden – also «Sì».
In den vergangenen Wochen hatte das Lager des «No», das quer durch alle Parteien Anhänger hatte, jedoch mit einer Schlussoffensive viel Terrain wettgemacht. Die Gegner bemängelten, dass da für einen relativ dürftigen Sparbetrag die Vertretung der Bürger im Parlament ausgedünnt würde. Die Befürworter entgegneten, dass weniger Senatoren und Abgeordnete ihr Amt ernsthafter und effizienter wahrnehmen würden. Das sei ein erster Schritt in Richtung einer umfassenderen Reform des Parlaments.
Contes privater Fingerzeig
Die Fünf Sterne können nun behaupten, dass sie eines ihrer Grundanliegen umgesetzt haben. Auch die Sozialdemokraten jubeln ein bisschen mit. Sie hatten zwar dreimal gegen die Reform gestimmt im Parlament und erst am Schluss dafür, weil sie sich unterdessen mit den Cinque Stelle alliiert hatten: Doch für die Volksbefragung gaben sie die Ja-Parole aus. Zu den heimlichen Siegern gehört auch der parteilose, den Fünf Sternen nahe stehende Premier Giuseppe Conte. Er hatte vor dem Referendum gesagt, dass er Ja stimmen würde. Sozusagen eine private Meinungsäusserung – eine mit politischer Gravitas jedoch.
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