Gastbeitrag zur BVG-RevisionDie linke Kompromisslosigkeit gefährdet eine nachhaltige Altersvorsorge
Die SP und die Grünen verweigern jede konstruktive Mitarbeit an der Reform der beruflichen Vorsorge. Sie weichen keinen Millimeter von ihrer Haltung ab – und ignorieren die Kosten für die Nachfolgegenerationen.
In ihrem Gastbeitrag im «Tages-Anzeiger» vom 22. Dezember 2022 stellt Mattea Meyer die 55-jährige Maria vor. Für die Co-Präsidentin der SP Schweiz steht Maria stellvertretend für die in ihren Augen ungerechtfertigte Anhebung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre in der Reform AHV 21 sowie für «unerfüllte Rentenversprechen» in der laufenden Reform der beruflichen Vorsorge. Bei genauerer Betrachtung steht Maria aber für eine destruktive Vorsorgepolitik der SP, die in der Altersvorsorge die gebotene Nachhaltigkeit konsequent ignoriert.
Das schweizerische Dreisäulensystem hat sich bewährt. Um Lasten zu verteilen und Risiken zu diversifizieren, gibt es die staatliche (AHV), die berufliche (BVG) und die private Vorsorge. Damit ist unsere Altersvorsorge systemisch ausgeglichen: Während in der ersten Säule auf das Umlageverfahren gesetzt wird, kommt in der zweiten und dritten Säule das Kapitaldeckungsverfahren zur Anwendung, also das Ansparen und Anlegen von eigenem Vermögen.
In der bevorstehenden Differenzbereinigung soll nun, basierend auf den Modellen der beiden Räte, eine mehrheitsfähige Reformvorlage entstehen.
In der zweiten Säule äufnen Arbeitnehmende mit Unterstützung ihrer Arbeitgebenden mit monatlichen Beiträgen ein individuelles Altersguthaben. Auch Maria baut ihr eigenes Altersguthaben in der zweiten Säule auf. Allerdings sind kleine Einkommen, Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigung aktuell noch ungenügend berücksichtigt, da die Eintrittsschwelle und der Koordinationsabzug den Ansparprozess relativ stark begrenzen. Dem diesbezüglich bestehenden Anpassungsbedarf wird in der BVG-Reform Rechnung getragen. Nach einer Reduktion von Eintrittsschwelle und Koordinationsabzug wird der Ansparprozess auch für Personen wie Maria besser funktionieren.
Während die Frauenorganisation Alliance F diesen Ansatz unterstützt, verfolgen Meyer und ihre SP eine ganz andere Stossrichtung. Trotz der düsteren Finanzperspektiven der AHV fordern sie eine 13. AHV-Rente, und im Rahmen der Reform der beruflichen Vorsorge wollen sie das für die zweite Säule systemfremde Umlageverfahren etablieren. Konkret soll innerhalb der kapitalmässig finanzierten beruflichen Vorsorge eine Art «Mini-AHV» eingerichtet werden, das heisst ein sogenannter Rentenzuschlag, der im Umlageverfahren finanziert und ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Bedarf ausgerichtet wird.
Wenn wir über zusätzliche, im Umlageverfahren finanzierte Leistungen diskutieren, müssen wir uns bewusst sein, dass wir die Rechnung dafür den kommenden Generationen aufbürden.
Sowohl der Nationalrat als auch der Ständerat haben in der Beratung der BVG-Reform diesen Vorschlag gegen die Stimmen von Sozialdemokraten und Grünen klar abgelehnt und eigene Modelle entwickelt. In der bevorstehenden Differenzbereinigung soll nun, basierend auf den Modellen der beiden Räte, eine mehrheitsfähige Reformvorlage entstehen. SP und Grüne tragen zu einer Kompromisslösung leider gar nichts bei. Vielmehr drohen sie seit dem Erscheinen der Botschaft des Bundesrats damit, gegen jede BVG-Reform, die nur einen Millimeter vom Bundesratsmodell abweicht, das Referendum zu ergreifen. Das wäre nach ihrem Verständnis immer dann der Fall, wenn die erwähnte «Mini-AHV» nicht Teil der Reform ist. Sie verweigern damit faktisch jede konstruktive Mitarbeit. Darüber hinaus wecken sie Erwartungen, die nichts mit den Reformzielen zu tun haben, um die Reform aufgrund «leerer Rentenversprechungen» schlechtzureden.
Nachhaltigkeit bedeutet in der Altersvorsorge konkret, dass wir den kommenden Generationen keine Schuldenberge hinterlassen, sondern langfristig finanzierbare Leistungsversprechen abgeben. Wenn wir über zusätzliche, im Umlageverfahren finanzierte Leistungen diskutieren – wie eine 13. AHV-Rente oder einen Rentenzuschlag in der beruflichen Vorsorge –, müssen wir uns bewusst sein, dass wir die Rechnung dafür den kommenden Generationen aufbürden. Das ist alles andere als nachhaltig.
Thierry Burkart ist Präsident der FDP Schweiz und Aargauer Ständerat.
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