Kommentar zum CO₂-GesetzDie Klimajugend hilft ihrem ärgsten Feind, der Öl-Lobby
Die Klimastreikbewegung hätte dem CO₂-Gesetz zum Durchbruch verhelfen können. Stattdessen schwadroniert sie jetzt von einem schärferen Gesetz. Wie dumm!
Es gibt nach diesem Abstimmungssonntag ein paar politische Gewinner und deutlich mehr Verlierer. Aber es gibt niemanden, der seiner eigenen Sache so sehr geschadet hat wie der Klimastreik.
Wie laut diese Jugendbewegung doch 2019 war! Und wie erfolgreich! Zuerst die ökologische Wende bei der FDP, dann der Grün-Rutsch bei den eidgenössischen Wahlen und schliesslich die Verabschiedung eines scharfen CO₂-Gesetzes im Parlament: Ohne die eindrücklichen Strassenproteste der Klimajugend wäre all das kaum so passiert.
Doch jetzt, in der Volksabstimmung über das CO₂-Gesetz, verpasste es die Klimajugend, den Sack zuzumachen. Die Bewegung war gespalten. Einige ihrer Gruppen sammelten sogar Unterschriften für das Referendum, Seite an Seite mit SVP, Erdöl- und Autolobby. Eine unheiligere Allianz sah man noch kaum je.
Zwar gab es auch Klimajugendliche, die sich für das Gesetz ins Zeug legten. Einige Regionalgruppen gaben eine Ja-Parole heraus, aber bestenfalls eine lauwarme. Wirklich wahrnehmbar war die Klimajugend nur im Abstimmungskampf gegen das Antiterrorgesetz PMT. Eine bizarre Prioritätensetzung für eine Bewegung, die das Klima im Namen trägt!
103‘114 Stimmen gaben am Schluss den Ausschlag für das Nein zum CO₂-Gesetz – wenig genug, dass der Klimastreik mit einer kräftigen Kampagne den Unterschied hätte machen können, vor allem bei seinen jungen Altersgenossen. Die Online-Nachbefragung von Tamedia und «20 Minuten» zeigt, dass es in keiner Altersgruppe mehr Nein-Stimmen gab als bei den 18- bis 34-Jährigen (lesen Sie hier mehr darüber).
Dabei rief der Klimastreik am 21. Mai, nur drei Wochen vor der Abstimmung, zu einer grossen Demonstration auf. Es wäre die Gelegenheit gewesen, dem CO₂-Gesetz den entscheidenden Schub zu geben. Doch im Manifest zur Demonstration wurde das Gesetz nicht einmal erwähnt. Stattdessen beklagte das Manifest Sexismus, Rassismus und alles übrige Unrecht in der Welt.
Das Problem des Klimastreiks ist, dass er sich von der extremen Linken aufsaugen lässt.
Es ist das Privileg der Jugend, von einer besseren Welt zu träumen. Doch das Problem des Klimastreiks ist, dass er sich von der extremen Linken aufsaugen lässt. Inzwischen klingt er mehr nach Klassenkampf als nach Klimaschutz. Damit verliert er jede politische Glaubwürdigkeit. Aus der seriösen Debatte um realistische und rasch wirksame CO₂-Massnahmen meldet er sich ab.
Das zeigte sich am Abend der Abstimmung, als ein paar seiner Vertreterinnen und Vertreter auf dem Bundesplatz unverzüglich ein schärferes Klimagesetz forderten – mit kürzeren Arbeitszeiten und einer teilweisen Abschaffung des Privateigentums. Wie naiv!
Die Erarbeitung eines neuen Gesetzes wird zwei bis drei Jahre dauern – im besten Fall. Und die Richtung vorgeben werden nach diesem Abstimmungsresultat nicht jene Kräfte, die einen radikaleren Klimaschutz wollen. Sondern jene Kräfte, die weniger Klimaschutz wollen.
Das Fazit dieses Abstimmungssonntags: Die SVP, die Erdöl- und die Autobranche können sich herzlich beim Klimastreik bedanken – für dessen Hilfe beim Abschuss des schärfsten CO₂-Gesetzes, das die Schweiz bisher gehabt hätte.
Und jeder Klimastreik-Jugendliche muss sich ernsthaft fragen lassen: Geht es ihr oder ihm wirklich um die Rettung des Klimas?
Oder bloss um politischen Radau?
In einer ersten Version des Artikels war das Datum der letzten Demonstration falsch, weil es auf der offiziellen Website des Klimastreiks falsch angeben war.
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