Brutaler Machtkampf im SudanDie Kämpfe im Sudan versetzen die ganze Region in Angst
Die Hoffnung auf ein baldiges Ende des Machtkampfs im Sudan schwindet, die Zahl der Toten steigt schnell. Es ist ein Stellvertreterkrieg: Beide Konfliktparteien werden vom Ausland unterstützt.
Am dritten Tag in Folge waren am Montag rund um das Hauptquartier der sudanesischen Armee und an anderen strategischen Orten in Khartum schwere Explosionen zu hören. Ein Sprecher der angreifenden sogenannten RSF, der «Schnellen Unterstützungstruppe», verkündete am Mittag die Einnahme der grössten Armeekaserne, des Präsidentenpalasts und aller Militärstützpunkte in der Provinz Darfur. Der Ärzteverband des Sudan hatte am Sonntag einen kurzen Waffenstillstand erreichen und 1100 Verletzte in Spitäler bringen können.
Mit weissen Flaggen von der Frontlinie zurückgekehrte Ärzte berichten von weit mehr als den bisher offiziell genannten 100 Toten. In den Spitälern von Khartum seien die Vorräte an Medikamenten und Verbandsmaterial aufgebraucht. Die Rebellen der RSF geben sich siegesgewiss. Drei Kampfflugzeuge habe man abgeschossen und 200 Panzer der Armee erbeutet, sagte ein Kommandant in den sozialen Medien der Aufständischen.
Der Putsch von 2021
Das staatliche Fernsehen stellte am Sonntagnachmittag die Übertragung des Programms ein. RSF-Befehlshaber Mohamed Hamdan Dagalo war bis Samstag nicht nur mit Armeechef General Abdel Fattah al-Burhan verbündet, sondern auch dessen Stellvertreter. Gemeinsam hatten die Armee und seine RSF-Miliz 2021 mit einem Putsch die Macht übernommen. Dagalo warf seinem Partner zwar jüngst vor, die versprochene Machtübergabe an zivile Institutionen zu verzögern. Doch kaum jemand sah in den zunehmenden Spannungen die ernste Gefahr eines Krieges. Denn bisher hatte sich Dagalo mit der Armeeführung in Khartum stets arrangiert.
Bekannt wurde Dagalo in der Region unter dem Namen Hemedti. Seine 100’000 Mann starke Truppe hiess anfangs Janjawid und war im Auftrag des inzwischen gestürzten Regimes von Omar al-Bashir gegen die Rebellen in Darfur im Einsatz. Die Janjawid sind für viele Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung in Darfur verantwortlich. Sudanesische und internationale Menschenrechtsorganisationen haben die Vernichtung ganzer Dörfer dokumentiert und fordern eine Anklage der RSF-Führung vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
Die sudanesische Journalistin Kholood Khair warnte bereits Anfang März vor einem Konflikt. Kurz zuvor hatten vierzig Initiativen aus der Zivilgesellschaft, die Armee und Hemedti ein Abkommen zur Übergabe der Macht an Zivilisten beschlossen. Vermittelt worden war das «Rahmenabkommen von Khartum» von der UNO, der Afrikanischen Union und mehreren westlichen Ländern. Trotz seiner Kriegsverbrechen in Darfur sah Hemedti für viele in Khartum wie der Gewinner des Abkommens aus, sagt Kholood Khair im Gespräch: «Bei der Integration einer Miliz in die Armee und in staatliche Institutionen geht es um die Verteilung von Posten und Positionen. Und Hemedti konnte darauf hoffen, viele seiner Leute auf Lohnlisten zu bringen.»
Die politische Elite und die Offiziersclique in Khartum sehen in dem aus einfachen Verhältnissen stammenden Hemedti allerdings nicht mehr als einen Handlanger der Armee. Mithilfe Ägyptens schuf man mit der «Kairo-Initiative» einen parallelen Verhandlungsstrang, bei der die Armee bei der Machtübergabe an zivile Behörden deutlich mehr Einfluss behält. Nach dem Besuch des ägyptischen Geheimdienstchefs Abbas Kama im Januar stiegen in Khartum die Spannungen. Die Rebellen um Hemedti behaupten, mit ihrem Angriff vom Samstag einer Entwaffnung durch die Armee zuvorgekommen zu sein.
Am Sonntag veröffentlichte die RSF-Führung Videos von gefangen genommenen ägyptischen Soldaten auf einer Militärbasis in der Stadt Merowe. Man werde die Gefangenen den ägyptischen Behörden übergeben, sagte ein RSF-Kommandant vor den am Boden sitzenden entwaffneten Ägyptern. Die Regierungen in den Nachbarländern Libyen und Tschad fürchten bereits, in den Konflikt hineingezogen zu werden. Die Militärregierung in der tschadischen Hauptstadt N’Djaména unterstützt zwar offiziell Armeechef General Burhan. Aber mit den Janjawid-Anführern der RSF verbindet sie eine jahrelange Waffenbruderschaft, die Mehrheit der RSF-Milizionäre sind tschadische Staatsbürger.
Mehrere Hundert tschadische Soldaten wurden am Sonntag an die Grenze zum Sudan verlegt. Sie sollen verhindern, dass sich lokale Milizen im Grenzgebiet der RSF anschliessen. Hemedtis Janjawid war für Arbeitslose im Grenzgebiet oft der einzige lukrative Arbeitgeber.
Unklar ist, wie eng Hemedti derzeit mit den Söldnern der russischen Sicherheitsfirma Wagner kooperiert. Mit Wagner und dem libyschen General Khalifa Haftar hatten die Janjawid 2019 die libysche Hauptstadt belagert. Haftar und Söldner aus Syrien und von Wagner kontrollieren immer noch den Grossteil Südlibyens. «Wenn Hemedti die Schlacht um Khartum verliert, kann er zu seinen Verbündeten nach Libyen zurückkehren. Dann droht in Libyen ein neuer Krieg», sagt der politische Analyst Younis Issa aus der südlibyschen Stadt Jufra. Eine Folge habe der Krieg im Sudan bereits, sagt Issa: Die Zahl der nach Libyen kommenden Migranten sei am Wochenende dramatisch gestiegen.
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