Sudan droht neuer BürgerkriegZwei Generäle kämpfen um die Macht
Der Sudan hat zwei parallele Armeen, das ist nun eine zu viel. Der Konflikt zwischen den regulären Streitkräften und Paramilitärs ist zu einer blutigen Staatskrise eskaliert.
Als drohender Bürgerkrieg werden die Kämpfe im Sudan immer wieder bezeichnet, die am Samstag in der Hauptstadt Khartum ausgebrochen sind und sich nun über das ganze Land ausbreiten, das drittgrösste auf dem afrikanischen Kontinent. Die meisten Bürger beteiligen sich aber gar nicht an den Kämpfen, sie sitzen in ihren Kellern, Garagen und Schlafzimmern. Sie warten ab, ob das Militär ihr Land in den Abgrund reisst.
Fast 60 Menschen sollen bis Sonntag bei Kämpfen ums Leben gekommen sein. Der Flughafen wurde geschlossen, das staatliche Rundfunkgebäude gestürmt, der Präsidentenpalast beschossen. Einen Präsidenten hat der Sudan schon lange nicht mehr. Das Land wird seit 18 Monaten von zwei Generälen regiert: von Mohamed Hamdan Dagalo, den alle nur «Hemedti» nennen, und von General Abdel Fattah al-Burhan, der nominell der Chef des sogenannten Souveränen Rates ist, mit Hemedti als Stellvertreter. Nun kämpfen beide um die Macht im Land. Sie beschuldigen sich gegenseitig, den Konflikt begonnen zu haben.
Gebrochenes Versprechen einer zivilen Regierung
«Es tut uns leid, dass wir gegen unsere Landsleute kämpfen, aber dieser Verbrecher ist derjenige, der uns dazu gezwungen hat», sagte Hemedti in einem Interview mit dem TV-Sender al-Jazeera. «Wir werden Burhan gefangen nehmen und ihn vor Gericht stellen, oder er stirbt wie jeder andere Hund.» Ein Sprecher von Burhan bezeichnete Hemedti als «Rebellen», mit dem es keine Verhandlungen geben könne. Und so gingen die Kämpfe auch am Sonntag weiter, trotz aller internationalen Aufforderungen, das Gegenteil zu tun. (Lesen Sie zum Thema ein Porträt von Hemedti: «Im Hauptberuf ist er Massenmörder».)
Eigentlich hätte der Sudan in diesen Tagen wieder eine zivile Regierung bekommen sollen, nach fast vier Jahren beinahe ununterbrochen andauernder Proteste. Im Jahr 2019 waren Millionen vor allem junger Sudanesen auf die Strasse gegangen, hatten gegen den Endlosdiktator Omar al-Bashir protestiert, der 30 Jahre lang der Präsident gewesen war, an die Macht gekommen durch einen Militärputsch im Jahr 1989. Es war dann aber letztlich nicht nur die Macht der Strasse, die ihn aus dem Amt drängte, sondern auch die eigenen Generäle, die lange seine treuesten Verbündeten waren: Burhan und Hemedti.
Wie viele andere Militärherrscher haben Burhan und Hemedti wenig Interesse, die Macht an Zivilisten abzugeben.
Etwas mehr als zwei Jahre regierten die beiden mit einer Koalition aus oppositionellen Zivilisten, 2021 putschten sie erneut. Seitdem wurde mit ihnen verhandelt, wie der Übergang zu einer zivilen Regierung aussehen könnte, im Dezember 2022 einigte man sich. Schon damals gab es viele Zweifler, die nicht wirklich glauben konnten, dass die Generäle ihre Macht abgeben würden.
Ihnen gehören viele Unternehmen, dazu Goldminen und Banken. Hemedti prahlte einst damit, mehr als eine Milliarde US-Dollar auf dem Konto zu haben. Wie so viele andere Militärherrscher mit Blut an den Händen haben auch die beiden Generäle im Sudan wenig Interesse, ihre Macht an Zivilisten abzugeben, die sie später womöglich zur Rechenschaft ziehen. (Lesen Sie auch den Artikel «Zwei Generäle haben die Revolution gestohlen».)
Das grösste Hindernis war aber, dass aus derzeit zwei Armeen eine werden sollte. Burhan steht den regulären Streitkräften vor, die das Land seit Jahrzehnten dominieren. Hemedti kontrolliert die Rapid Support Forces, die Nachfolgeorganisation der Janjaweed-Milizen, die einst vom Diktator al-Bashir gegründet wurden, um in der Region Darfur gegen Rebellengruppen zu kämpfen. Hunderttausende wurden dort getötet, al-Bashir schliesslich vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Er sollte eigentlich an das Gericht in Den Haag ausgeliefert werden, befindet sich aber bis heute im Sudan.
Aus der Miliz von damals ist mittlerweile eine parallele Privatarmee von Hemedti geworden. Das im Dezember vereinbarte Übergangsabkommen sah nun eigentlich vor, dass aus zwei Armeen wieder eine wird, was vor allem Hemedti missfallen haben soll, der sich für die Auflösung der Rapid Support Forces einen Zeitraum von zehn Jahren gewünscht habe. Burhan hat angeblich nur zwei Jahre zugestehen wollen.
Paramilitärs mit guten Kontakten zu Wagner-Söldnern
Der Konflikt zwischen den beiden hatte sich in den vergangenen Monaten immer weiter intensiviert, Burhan und Hemedti bereisten getrennt die Region, auf der Suche nach Verbündeten. Burhan wird von Ägypten unterstützt, das auch Kampfjets im Sudan stationiert hat, Dutzende ägyptische Soldaten werden mittlerweile von den Rapid Support Forces festgehalten.
Hemedti selbst hat gute Kontakte in die Emirate und zu den russischen Wagner-Söldnern, die im Sudan Goldminen betreiben. Sie könnten über Libyen auch Waffen an die Rapid Support Forces geliefert haben, was sich aber bislang nicht bestätigen liess.
Wie es weitergeht, ist völlig unklar. US-Aussenminister Antony Blinken äusserte die Hoffnung, dass der Friedensprozess noch nicht am Ende ist und die Spirale der Gewalt unterbrochen werden kann. Die Lage vor Ort einzuschätzen, wird derweil immer schwieriger. Das in südafrikanischem Besitz befindliche Mobilfunkunternehmen MTN soll auf Geheiss der Armee das Internet abgeschaltet haben, der kuwaitische Konkurrent Zain war Sonntagmittag noch erreichbar.
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