Kommentar zum EU-EntscheidDie Kabel-Vereinheitlichung ist dirigistisch und innovationsfeindlich
Die Europäische Union will die Handy-Anschlüsse vereinheitlichen, die Schweiz übernimmt den Entschluss. Doch der Schuss könnte nach hinten losgehen.
Am Donnerstag hat die EU-Kommission einen Gesetzesentwurf vorgestellt, nach dem künftig nur Smartphones, Tablets, Kameras oder Spielekonsolen verkauft werden, die mit Kabeln des Typs USB-C aufgeladen werden können. Dieser Anschluss ist der am meisten verbreitete bei Handys. Nur der US-Konzern Apple verwendet seinen eigenen Standard namens Lightning.
Stimmen auch das EU-Parlament und der Ministerrat zu, tritt das Gesetz in Kraft, auch hierzulande: Die Schweiz würde den Entscheid der EU übernehmen.
Die neue Regelung ist zwar vordergründig bequem für Konsumenten und gut für die Umwelt. Schliesslich kann so das Ladegerät von Freunden nutzen, wer seines daheim vergessen hat. Zudem sollen neue Smartphones künftig immer auch ohne Ladegerät zu kaufen sein. Die Hoffnung: Wer ohnehin ein passendes Ladegerät in der Schublade liegen hat, erwirbt nur das Telefon. Das spart den Verbrauchern Geld und verkleinert Rohstoffverbrauch und Berge an Elektromüll.
Apple muss das Design seiner Geräte ändern, wider Willen
Für die Produzenten bedeutet das etwas weniger Umsatz, doch das werden sie verkraften. Einziger grosser Verlierer, so scheint es erst einmal, ist Apple. Die Kalifornier müssen gegen ihren Willen Technik und Design ihrer Handys und Tablets ändern, vermutlich weltweit. Schliesslich wäre es zu teuer, eine Version für Europa und eine für den Rest der Welt zu produzieren. Eine milliardenschwere Firma wie Apple wird damit aber klarkommen.
Trotzdem ist es ein Fehler, dass die EU-Kommission per Gesetz einheitliche Ladekabel für Handys und Tablets erzwingen will. Denn das Festschreiben von USB-C als – de facto wohl weltweiten – Standard kann Innovationen behindern. Apple könnten tolle Verbesserungen beim Lightning-Modell gelingen, oder vielleicht würde ein anderer Produzent einen überlegenen dritten Standard entwickeln. Das wird nun kaum mehr passieren.
Alles nur EU-Imagepflege?
Ausserdem ist dieses Gesetz ein sehr harter Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit für ein doch eher kleines Problem. Die Industrie hat durch freiwillige Selbstverpflichtungen die Zahl der Ladekabeltypen in zehn Jahren von 30 auf 3 und bald nur 2 verringert: Der dritte überlebende Standard, Micro-USB, ist ein Auslaufmodell.
Die Konsumenten haben also viel weniger Ärger als früher. Und wäre der Leidensdruck wirklich noch so gross, könnten die Kunden den Apple-Konzern für seinen Sonderweg ganz einfach abstrafen: indem sie lieber ein Smartphone von Samsung oder anderen Rivalen kaufen. Auf diese Weise würde der Markt sein Urteil sprechen.
Doch die EU-Kommission vertraut nicht dem Urteil des Marktes. Stattdessen setzt sie auf Dirigismus und detaillierte Vorgaben von ganz oben. Das ist ein beunruhigendes Signal für eine Behörde, die über die Wirtschaftspolitik des ganzen Kontinents mitbestimmt.
Zudem liegt der Verdacht nahe, dass die Kommission das Gesetz auch der Imagepflege zuliebe ersonnen hat: Die EU ist abstrakt und kompliziert; da ist es gut, dem Bürger zwischendurch immer wieder zu zeigen, welche ganz konkreten Vorteile Brüssel bringt. Aber derart plumpes Werben hat die EU gar nicht nötig.
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