Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Impfstoff-Tourismus, Schwarzmarkt, Darknet
Die Jagd nach der rettenden Spritze

Ein regelrechter Impf-Tourismus setzte in Florida ein: In dem US-Bundesstaat konnten zeitweise auch Nicht-Anwohner das Vakzin bekommen. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Hala Baidun wollte in Dubai eigentlich nur ihre Schwester besuchen. Aber als deren Firma in der Golf-Metropole im Januar zur Corona-Impfung lud, versuchte die Libanesin spontan auch ihr Glück. «Sie kopierten unsere Pässe, nahmen unsere Daten auf, gaben sie in den Computer ein und impften uns.» Einen Wohnsitz in Dubai hat die 50-Jährige nicht, einen Pass der Vereinigten Arabischen Emirate auch nicht. Offenbar durch einen glücklichen Zufall erhielt Baidun die Impfung, auf die dieser Tage weltweit Millionen hoffen.

In einigen Ländern haben sich Schlupflöcher aufgetan für diejenigen, die das seit über einem Jahr wütende Coronavirus mit der doppelten Spritze hinter sich lassen wollen – und die darauf in ihren Heimatländern Wochen oder Monate warten müssten. Menschen wie Baidun, die durchs Raster rutschen und eine Impfung erhalten, die sonst nur an Landsleute und Anwohner vergeben wird. Einige elitäre Zirkel und Reisebüros locken ebenfalls mit dem Impfstoff, fragwürdige Anbieter auf dem Schwarzmarkt ziehen mit.

Ein regelrechter Impf-Tourismus setzte in Florida ein: In dem US-Bundesstaat konnten zeitweise auch Nicht-Anwohner das Vakzin bekommen, weshalb neben wohlhabenden Besuchern aus New York und Kalifornien bald etwa auch das in Buenos Aires lebende TV-Sternchen Yanina Latorre auftauchte, die ihre 80-jährige Mutter impfen liess. Berichten zufolge zog es auch Reisende aus Brasilien und Mexiko nach Florida. Unfair, klagten Anwohner über die Vordrängler aus der Ferne.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Für Empörung sorgte auch das Millionärs-Paar aus Kanada, das sich die Spritze in einer Ureinwohner-Siedlung erschlichen haben soll. Der frühere Chef einer Casino-Firma und die Schauspielerin reisten mit einem kleinen Flugzeug ins abgelegene Yukon, wo die beiden laut Berichten erklärten, bei einem Gasthof in der Gegend zu arbeiten, um sich dann impfen zu lassen. Aber der Plan flog auf.

Hala Baidun, die in Beirut eine Bäckerei betreibt, hat nach ihrer Impfung in Dubai keinen üblen Nachgeschmack. «Ein Land wie die VAE wollen, dass alle glücklich sind und Geld ausgeben», sagt sie. Ein so reicher Staat sollte das Vakzin auch Touristen anbieten.

In Reichweite gerückt ist die Impfung vor allem für die besonders Wohlhabenden. Das «Wall Street Journal» zitierte ein Unternehmen in Kanada, dessen Kunden Tagesflüge nach Florida mit dem Privatjet anfragten. Kosten: Umgerechnet zwischen 20 000 und 65 000 Euro. In Grossbritannien machte der exklusive «Reise- und Lifestyle-Club» Knightsbridge Circle von sich reden, dessen Mitglieder umgerechnet rund 28 000 Euro pro Jahr bezahlen sollen. Im Angebot seien Impf-Reisen in die Emirate und Indien, berichtete der «Telegraph».

«Wir buchen (unseren Mitgliedern) eine schöne Villa mit einem Schwimmbad, einem Koch und Hausangestellten», sagte Clubgründer Stuart McNeill demnach. «Sie landen, kriegen ihre erste Impfung und warten auf die zweite.» Einige Gäste würden die gesamte Zeit etwa in Indien bleiben, andere würden zwischen den zwei Spritzen nach Madagaskar fliegen. Per E-Mail teilte der Club mit, dass wegen einer Flut von Anfragen derzeit keine neuen Mitglieder aufgenommen würden.

In Indien bieten Reisebüros wie Zenith Leisure Holidays Limited seit einigen Wochen Impf-Reisen ins Ausland an. Dessen Chef Manoj Mishra sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass er damit gleich zwei Kundenbedürfnisse befriedige – Abenteuerlust und Gesundheit. Auf bunten Flyern verspricht seine Firma Angebote je nach Budget nach Grossbritannien, Russland und in die USA. Für umgerechnet rund 2800 Euro geht es dafür etwa zweimal nach London, Vier-Sterne-Hotel, Visum, Schutzanzüge und Desinfektionsmittel inklusive.

Kuba hat sogar angekündigt, dass Touristen sich nach Zulassung des kubanischen Impfstoffs Soberana2 auf der Karibikinsel impfen lassen können. Ob Urlauber dafür zur Kasse gebeten werden, ist bislang unklar. Der Direktor des Impfstoffentwicklers Finlay, Vicente Vérez, sagte allerdings bereits: «Wir sind kein multinationales Unternehmen, dem es vor allem um Gewinn geht. Unser Ziel ist es, für mehr Gesundheit zu sorgen.» In den Staatsmedien hiess es bereits, Ausländer könnten Urlaub und Impfung verbinden.

In den meisten Fällen gibt es bisher aber einen Haken: Die Emirate impfen keine Touristen mehr, wie das Gesundheitsministerium dort bestätigt. Das Reisebüro in Indien, das von 800 Vorab-Registrierungen im Internet und 1500 telefonischen Anfragen von Kunden berichtet, hat noch gar keine Erlaubnis der betroffenen Länder. Der Knightsbridge Circle in London musste auf Nachfrage des «Guardian» klarstellen, dass in den Emiraten nur Club-Mitglieder geimpft werden könnten, die dort eben auch Anwohner sind (derzeit insgesamt fünf Personen).

Wer sich die Wartezeit mit anderen Mitteln verkürzen will, sucht auf dem Schwarzmarkt: Beim Nachrichtendienst Telegram behaupten Nutzer, Astrazeneca-, Pfizer/BioNTech- sowie Moderna-Ampullen pro Stück für umgerechnet 125 bis 183 Euro mit Versand zu verkaufen – «eisgekühlt, doppelt vakuumversiegelt, mit Tracking-Nummer», wie es dort heisst. In Deutschland steigt derweil auch die Zahl der Internet-Suchanfragen nach Begriffen wie «Corona-Impfstoff online kaufen».

Im Darknet verspricht ein User: «Das Vakzin ist innerhalb weniger Tage bereit und kann in alle Länder verschickt werden.» Dort fand die Cybersicherheitsfirma Check Point im Januar 340 solcher Angebote, die Preise lägen inzwischen bei umgerechnet bis zu 820 Euro. Aber: «Nach unserer Erfahrung beim versuchten Kauf einer einzigen Dosis ist es wahrscheinlich, dass ein Käufer überhaupt nichts erhält.»

SDA/sep