Milliarden in der SchweizDie Jagd auf die Russen-Gelder stockt
Obwohl die Liste der sanktionierten Russinnen und Russen immer länger wird, steigt die Summe der blockierten Vermögen in der Schweiz kaum. Wie kann das sein?
Lange hat sich das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit Informationen zu den gesperrten russischen Vermögen in der Schweiz zurückgehalten. Am Freitagmorgen veröffentlichte es nun erstmals seit dem 12. Mai wieder Zahlen. Sie dürften die Debatte darüber, ob die Schweiz wirklich genug tut bei der Durchsetzung der Sanktionen, neu lancieren.
So viel Vermögen ist gesperrt
Konten, Aktienpakete und andere Vermögenswerte von sanktionierten Russinnen und Russen im Wert von 6,7 Milliarden Franken sind derzeit von der Schweiz gesperrt. Diese Summe hat sich im Vergleich zur letzten Meldung im Mai kaum verändert. Und das obwohl seither weitere Personen und Organisationen auf die Sanktionsliste gesetzt wurden: 1156 Personen und 98 Organisationen sind es inzwischen.
Diese Entwicklung widerspricht den Erwartungen aus dem Frühjahr, wonach mit der Zeit noch deutlich mehr Vermögen entdeckt werden würden. Immerhin schätzte die Bankiervereinigung nach Kriegsausbruch, dass bis zu 200 Milliarden Franken Vermögen von russischen Kunden in der Schweiz verwaltet werden. Von den Sanktionen betroffen ist jedoch nur ein Teil von ihnen.
Den Höchststand erreichten die gesperrten Vermögen Anfang April mit total 7,5 Milliarden Franken. Seither mussten Vermögenswerte in der Höhe von 3,4 Milliarden wieder freigegeben werden. Das kommt laut Seco-Sprecher Fabian Maienfisch daher, weil Banken proaktiv vorgehen, um zu verhindern, dass Gelder abfliessen, die gesperrt werden müssten. Sie suchten aktiv nach Vermögenswerten und sperrten diese vorsorglich. Abklärungen und Rücksprachen mit dem Seco hätten aber «in Einzelfällen» gezeigt, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Sperrung nicht gegeben sind.
Hinzugekommen sind zwischen April und Mai neue gesperrte Vermögen im Umfang von 2,2 Milliarden Franken. Von Mai bei bis heute waren es noch gut 400 Millionen. Auch einige zusätzliche Liegenschaften wurden gesperrt. Ihre Zahl ist seit Mai von 11 auf 15 gestiegen.
So erklärt der Bund die Stagnation
Laut Seco-Sprecher Fabian Maienfisch stammen die Meldungen zu den gesperrten Vermögen zum aller grössten Teil von Schweizer Banken. Sie reagierten jeweils schnell auf Anpassungen bei den Sanktionslisten. Dies zeige, dass das System funktioniert.
Allerdings ist ein Teil der russischen Vermögen in der Schweiz nicht im Namen der Sanktionierten angelegt, sondern über Finanzkonstrukte. Statt der Banken könnten hier oftmals nur die Anwälte der Russinnen und Russen dem Seco Meldung erstatten. Doch diese sind dazu nicht verpflichtet. Das Parlament hat es letztes Jahr abgelehnt, sie dem Geldwäschereigesetz zu unterstellen.
So reagieren die Kritiker des Bundes
Die Organisation Public Eye recherchiert seit vielen Jahren zum Geschäft des Schweizer Finanzplatzes mit reichen Russinnen und Russen. Zur Umsetzung der Sanktionen sagt Sprecher Oliver Classen: «Es fehlt auch fast fünf Monate nach Kriegsbeginn weiter an politischem Willen und aktiven Bemühungen, um Vermögenswerte von sanktionierten Personen aufzuspüren.» Public Eye fordert deshalb erneut eine nationale Taskforce, ein Register für wirtschaftliche Berechtigte an Tarnfirmen sowie eine Meldepflicht für Anwälte.
Der Bundesrat lehnt die Schaffung einer Taskforce ab, und die SP ist im Juni mit einer entsprechenden Forderung im Juni im Nationalrat unterlegen. Der Ständerat lässt die Forderung derzeit vertieft prüfen.
So steht die Schweiz im Vergleich mit anderen Staaten da
Wiederholt ist die Schweiz in den letzten Monaten auch im Ausland in die Kritik geraten, weil sie die Sanktionen nicht konsequent genug umsetze. Die zuletzt veröffentlichten Zahlen zu den gesperrten russischen Vermögen in anderen westlichen Staaten bewegen sich jedoch in ähnlichen Dimensionen:
Ende Juni hat die internationale Taskforce zur Durchsetzung der Russland-Sanktionen, der neben den USA mehrere grosse europäische Staaten wie Grossbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien angehören, neue Zahlen gemeldet. Seit Kriegsausbruch sind demnach Vermögen von Russinnen und Russen von total über 30 Milliarden Dollar gesperrt worden.
Deutschland allein hat Mitte Juni die Sperrung von russischen Vermögen in der Höhe von 4,48 Milliarden Euro vermeldet.
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