Jagd auf Oligarchen-GelderDie Schweiz wird gerade als Putins Geldträgerin entblösst
Hiesige Banken haben über Jahrzehnte toxische Gelder der russischen Elite verschoben und versteckt. Jetzt ermittelt eine internationale Taskforce. Es droht ein riesiger Imageschaden.
Die USA haben am Mittwoch zur wohl grössten Schatzsuche der Geschichte geblasen. Vertreter der Finanz- und Innenminister verschiedener Länder trafen sich per Videotelefon und organisierten die gemeinsame Jagd nach den Hunderten Milliarden von Dollar, die russische Oligarchen im Westen verstecken. Mit dabei: die USA, Australien, Kanada, Deutschland, Italien, Frankreich, Japan, Grossbritannien und die EU-Kommission. Nicht mit dabei: die Schweiz. Dies, obwohl ein guter Teil des Reichtums, nach dem nun gefahndet wird, in der Schweiz liegt oder von hier aus verwaltet wird.
Das eidgenössische Finanzdepartement sagt auf Anfrage, man habe von der Lancierung der Taskforce «Kenntnis genommen» und stehe mit den massgeblichen Ländern «in Kontakt». Doch es erklärt nicht, warum die Schweiz trotz ihrer zentralen Rolle nicht mit am Tisch sitzt. Womöglich ahnen gerade viele in Bern, Zürich, Genf, Zug und Lugano: Wir gehören gar nicht zu den Jägern – sondern zu den Gejagten. Denn beim Verstecken von Vermögen stand die Schweiz über Jahrzehnte stramm aufseiten der Russen.
Nach dem Gold der Juden und Schwarzgeldern aus den USA, Deutschland oder Frankreich droht dem Finanzplatz nun bei den Russenvermögen ein weiterer, heftiger Reputationsschaden. Und das gleich an zwei Fronten.
Problem 1: Die Banken akzeptierten grosse Mengen toxischer Russengelder
Laut der Bankiervereinigung liegen derzeit schätzungsweise 150 bis 200 Milliarden Dollar aus Russland auf Schweizer Konten. Über die letzten Jahrzehnte sind noch wesentlich höhere Summen durch die Schweiz geflossen. Sicher ist: Ein Teil dieser Geldflüsse war absolut toxisch.
2008 akzeptierten Schweizer Banken zum Beispiel Millionen Dollar, die aus einem grossen Wirtschaftsverbrechen in Moskau stammen. Der russische Whistleblower Sergei Magnitsky, der das Ganze aufgedeckt hatte, wurde gefoltert und starb in russischer Haft.
2009 liefen rund 50 Millionen Dollar über eine Zürcher Bank, die laut dem russischen Oppositionsführer Alexei Nawalny dem Bau eines milliardenteuren Palastes für Präsident Putin dienten.
2014 verschob die Gazprombank Zürich Millionen Dollar und Rubel des Jugendfreundes von Putin, Sergei Roldugin. Laut Sanktionslisten des Staatssekretariats für Wirtschaft ist er «der Kassenwart von Wladimir Putins Vermögen».
2015 veröffentlichte wiederum Oppositionsführer Nawalny ein Dossier, das den unerklärten Reichtum der beiden Söhne des russischen Generalstaatsanwalts in der Schweiz zeigte.
Dies sind nur vier Beispiele einer langen Liste. Zu befürchten hatten die Banken bei all diesen Transaktionen wenig. Sowohl im Fall Magnitsky als auch bei den Millionen für Putins Palast und von den Söhnen des russischen Generalstaatsanwalts wollte die Bundesanwaltschaft ermitteln. Doch sie musste die Verfahren ergebnislos einstellen, weil von Russland keine Rechtshilfe kam. Die Banken konnten sich stets darauf verlassen, dass Putins Staat nichts verraten würde, sollte irgendetwas an diesen Geldern illegal sein.
Doch jetzt jagen die mächtigsten Länder der Welt diesen Geldern nach, und sie werden immer wieder auf Schweizer Bankkonten stossen. Schaut man sich an, welche Geschäfte aus Putins Umfeld über die Schweiz liefen, ist zu befürchten, dass der hiesige Finanzplatz einmal mehr am Pranger stehen wird. «Die Schweiz ist die erste Wahl für korrupte Russen», sagte Nawalny einst.
Problem 2: Anwälte und Treuhänder haben die Russenvermögen oft versteckt
Fast genauso gross wie bei den dubiosen Geldern sind die Risiken für die Schweiz bei all den anderen Gütern, nach denen die Ermittler jetzt auf der ganzen Welt suchen: Jachten, Privatjets, Chalets, Paläste, Aktien, Kunst und so weiter. Hier sind nicht nur die Vermögen in der Schweiz das Problem, sondern weltweit.
Denn ein Grossteil der Russenreichtümer ist in Briefkastenfirmen in der Karibik oder anderen Steuerparadiesen versteckt. Nun haben aber verschiedene Datenlecks in den letzten Jahren gezeigt, dass Schweizer Treuhänder und Anwälte eine global führende Rolle eingenommen haben bei der Gründung und Errichtung all dieser Versteckfirmen. Die Pandora Papers zeigten, dass ein Drittel der 7000 Briefkastenfirmen von einem der grössten Offshoreanbieter aus der Schweiz geführt wurden.
Wenn nun also die neue internationale Taskforce die Eigentümer all der Edelwohnungen in London und der Luxusjachten am Mittelmeer anschaut, wird sie in vielen Fällen auf Briefkastenfirmen stossen, die in Genf und Zürich gegründet und betreut wurden. Auch hinter den Geldströmen für Putins Kassierer und Putins Palast stecken Offshorefirmen, die Zürcher Anwälte steuerten. Genau wie die Banken hätten auch die Anwälte und Treuhänder diese Geschäfte nicht machen müssen. Aber die Milliarden aus Russland waren offenbar zu verlockend.
Für die Schweiz kann das nun schlimme Folgen haben. Wir riskieren, dass man uns als Geldträger und Gehilfen für ein Regime wahrnimmt, das für eine humanitäre Katastrophe historischer Dimensionen verantwortlich ist. Einmal mehr muss das ganze Land den Kopf hinhalten für die Skrupellosigkeit einiger Akteure auf dem Finanzplatz.
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