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Anti-Lockdown-Proteste in den USA
Die «Frau aus Michigan» gerät ins Visier von Trump und Demonstranten

Gouverneurin Gretchen Whitmer (48) ist als Pragmatikerin angetreten. Ihr Bundesstaat Michigan spielt bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst eine wichtige Rolle.
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Gretchen Whitmer ist jetzt zum Ziel geworden. Für wütende Demonstranten mit Transparenten, auf denen «Stoppt die Tyrannei» steht und «Heil Whitmer». Und für US-Präsident Donald Trump, der sie abwertend «diese Frau aus Michigan» nennt oder «Half-Whitmer». Ein halfwit ist auf Englisch ein Schwachkopf.

Die Abneigung nährt sich aus zwei Dingen: Gretchen Whitmer ist Gouverneurin von Michigan, einem Bundesstaat, der mit strengen Vorschriften gegen den Ausbruch des Coronavirus vorgeht. Die 48-Jährige gilt zudem als aussichtsreiche Kandidatin für die US-Vizepräsidentschaft. Joe Biden, der demokratische Herausforderer Trumps, hat bereits gesagt, dass er Whitmer für das Amt in Betracht zieht.

Besonders in der Stadt Detroit wütet das Virus

In den USA bringt der Kampf gegen das Virus fast jeden Gouverneur an seine Grenzen. Doch im Fall von Whitmer ist die Herausforderung noch etwas grösser. Michigan zählt zu jenen Bundesstaaten, die zu Beginn des Ausbruchs sehr viele Fälle zu verzeichnen hatten. 2700 Menschen sind bereits gestorben, fast doppelt so viele wie in der Schweiz. In der Stadt Detroit richtet das Virus besonders unter den afroamerikanischen Einwohnern grosses Leid an.

Whitmer erliess deshalb eine Ausgangssperre für den ganzen Bundesstaat. Die Geschäfte müssen geschlossen bleiben, und bis mindestens Ende April dürfen die Einwohner ihre Häuser nur noch zum Einkaufen verlassen. Selbst Fahrten zu Ferienhäusern, wie es sie an den Grossen Seen viele gibt, sind verboten. Dabei kommen manche Regeln nicht ohne eine gewisse Willkür daher: So ist Bootfahren erlaubt, aber nur, wenn das Boot keinen Motor hat.

Doppelte Bewährungsprobe

Es sind solche Vorschriften, die zu Protesten gegen die Politik der Gouverneurin geführt haben – gegen die «Tyrannei», wie auf den Schildern der Demonstranten zu lesen war. Trump hat die Proteste noch ermuntert, obschon er damit auch die Handlungsempfehlungen der eigenen Regierung unterlief. Unterstützt wurden die Proteste auch von konservativen Lobbyorganisationen.

All dies macht aus der Corona-Krise eine doppelte Bewährungsprobe für Whitmer: Die Art und Weise, wie die auch von Republikanern für ihre Umgänglichkeit gelobte Juristin die Pandemie bewältigt, wird darüber entscheiden, ob diese Proteste grösser werden oder wieder verschwinden. Und sie könnte auch darüber entscheiden, ob Biden sie als Kandidatin an seiner Seite auswählt.

Gretchen Whitmer (im Amerikanischen ausgesprochen: Gret-schen) ist erst seit 2018 Gouverneurin. Sie stammt aus einer politischen Familie, ihre Eltern machten eine Karriere im politischen Dienst von Michigan, der Vater als gemässigter Republikaner, die Mutter als gemässigte Demokratin, beide bestens vernetzt – so wie heute auch Tochter Gretchen. Sie hat selbst fünf Kinder aus zwei Ehen.

Ihre Wahl verdankt sie auch ihrem Versprechen, endlich die «verdammten Strassen» zu reparieren.

Bei ihrer Kandidatur für das Gouverneursamt unterstrich Whitmer, dass sie als Pragmatikerin regieren wolle. Ihr Slogan lautete «Fix the damn roads», flickt die verdammten Strassen, was angesichts der deprimierend vielen Schlaglöcher im Bundesstaat gut ankam. Als sie ihren republikanischen Konkurrenten mit grossem Vorsprung besiegte, wurden auch die nationalen Medien auf sie aufmerksam. Bei Trumps diesjähriger Ansprache zur Lage der Nation hielt sie die Konterrede der Demokraten – ein Zeichen dafür, dass viele in der Partei sie sich für grössere Aufgaben vorstellen können.

Der Weg ins Weisse Haus führt über Michigan

Dabei war Whitmers erstes Amtsjahr nicht unbedingt gut verlaufen. Ihr Plan, die Strassen Michigans zu reparieren, scheiterte am Widerstand der Republikaner, die im Landesparlament eine Mehrheit halten. Auch von ihrer Idee, die Investitionen mit einem Zuschlag auf Benzin zu finanzieren, musste sie abrücken.Doch das sind Probleme aus einer anderen Zeit – vor Corona. «Ich habe die vergangenen drei Jahre damit verbracht, über die verdammten Strassen zu reden», sagte Whitmer dem Webmagazin «Politico». «Jetzt rede ich nur noch über fehlende Schutzausrüstungen für das medizinische Personal.»

Dass Joe Biden so genau darauf schaut, wie sich Whitmer schlägt, hat auch mit der Rolle zu tun, die Michigan bei der Präsidentschaftswahl spielt. Der Bundesstaat ist einer jener entscheidenden Staaten des Mittleren Westens, den die Demokraten 2016 an Trump verloren. Will Biden Präsident werden, muss er in Michigan gewinnen.

Mit Whitmer an seiner Seite, glauben manche Demokraten, wäre das bedeutend einfacher. Für Trump wäre sie wohl spätestens dann nicht mehr nur «die Frau aus Michigan» – sondern eine gefährliche Gegnerin.