Porträt von Schwedens PremierministerinDie «feministische Regierung» bekommt endlich eine Chefin
Vor 100 Jahren hat das Land das Frauenwahlrecht eingeführt, nun bekommt es mit Magdalena Andersson erstmals eine Regierungschefin.

Jetzt hat auch Schweden eine Frau als Regierungschefin. Magdalena Andersson, 54 Jahre alt, bislang Finanzministerin. Eine Frau, die von sich gesagt hat, sie geniesse es, entscheiden zu dürfen und die letzte Verantwortung zu tragen: «Ich stehe gern an vorderster Front.» Nun, ihre Sozialdemokraten werden einige bittere Schlachten zu schlagen haben in nächster Zeit, über mangelnde Herausforderungen wird sie sich nicht beklagen können.
Er ist ein historischer Tag für Schweden, dieser Mittwoch. Es hat aber auch gedauert: 100 Jahre liegt es schon zurück, dass Schweden das Frauenwahlrecht eingeführt hat; 33 Männer waren Magdalena Andersson seit 1876 in dem Amt des Ministerpräsidenten vorausgegangen. Und nun ist Schweden das letzte aller nordischen Länder, in dem eine Frau das Sagen über die Regierungsgeschäfte hat. Ausgerechnet Schweden, das Land, dessen Regierung sich als weltweit einzige seit Jahren schon offiziell «feministisch» nennt.
«Beste Finanzministerin der Welt»
Möglich gemacht hat Anderssons Aufstieg der bislang amtierende Ministerpräsident Stefan Löfven, der zurücktrat, um den mutlos vor sich hindümpelnden Sozialdemokraten ein Jahr vor der nächsten Parlamentswahl einen Neuanfang zu ermöglichen. Und nein, man darf davon ausgehen, dass Magdalena Andersson nicht wegen ihres Geschlechts zur Nachfolgerin Löfvens als Chefin der Partei und nun auch der Regierung gewählt wurde, sondern wegen ihrer Leistung. Der zugegebenermassen parteiische Löfven nannte sie einmal die «beste Finanzministerin der Welt».

Und dennoch erkannte auch Andersson diese Woche an, dass ihre Wahl den schwedischen Mädchen etwas bedeuten würde: «Viele Mütter und Väter kamen mit ihren Töchtern zu mir und sagten: Schau, sie kann Schwedens erste Frau als Ministerpräsidentin werden. Wenn ich den Mädchen in die Augen schaue, dann merke ich, dass dort ein Gedanke wächst.»
Andersson wuchs auf als Tochter zweier Lehrer in Uppsala. «Mit der Wut eines Kindes» habe sie schon früh auf Ungerechtigkeit reagiert, sagte sie einmal in einem Interview. «Und mir geht es heute noch genauso.» Sie trat früh den Sozialdemokraten bei, studierte Wirtschaft in Stockholm und arbeitete als Beraterin verschiedener Top-Politiker, bis sie 2014 das Finanzministerium übernahm.
Beobachter beschreiben sie als schlagfertige Person mit trockenem Humor, kontrolliert und mit Kanten. In einem Porträt in «Dagens Nyheter» verglich eine Weggefährtin sie mit der kleinen My, dem so respekt- wie furchtlosen, latent zornigen Mädchen der Mumin-Familie der Kinderbuchautorin Tove Jansson: eine Figur von grosser Unabhängigkeit, die ihre Gegenüber regelmässig an die Wand redet.
Was ist mit den Schwedendemokraten?
Entschlossenheit und Überzeugungskraft wird sie brauchen, denn die Herausforderungen für Andersson und die schwedische Sozialdemokratie sind gewaltig. Der Mittwoch mag ein historischer Tag fürs Land sein, ein makelloser Triumph für Andersson wird er nicht werden. Denn die neue Premierministerin hat wohl keine Mehrheit für ihren Budgetvorschlag, der im Parlament liegt. Möglicherweise wird sie also als Regierungschefin im kommenden Jahr ein Budget verwalten, das ausgehandelt wurde von der bürgerlichen Opposition – und zwar erstmals gemeinsam mit den rechtspopulistischen Schwedendemokraten.
Die Lage ist verfahren: Andersson braucht für ihre Regierung die Unterstützung von Parteien in einem Spektrum von der Linkspartei bis zur wirtschaftsliberalen Zentrumspartei: zwei Parteien, die einander nicht ausstehen können. Das einzig einigende Band dieses Lagers ist die Abscheu vor den rechtspopulistischen Schwedendemokraten, denen man keinen Einfluss auf die Politik zugestehen möchte. Auf Dauer wird das nicht reichen als Daseinsbegründung für eine sozialdemokratische Regierung.
Magdalena Andersson weiss das. Auch deshalb hat sie in den letzten Monaten schon versucht, ihr Image als die konservative Sozialdemokratin mit dem eisernen Sparwillen abzulegen: Ihr grosses Thema soll nun die Spaltung der Gesellschaft sein, als Ziel hat sie ausgegeben, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Als Anliegen nimmt man ihr das durchaus ab, sie hatte dieses Ziel schon 2014 verkündet, als sie als Finanzministerin antrat. In der Praxis allerdings sind seit 2014 auch in Schweden die Reichen noch reicher geworden. Magdalena Andersson hat nun zehn Monate Zeit, für sich zu werben. Dann dürfen erstmals die Wähler über sie abstimmen.
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