Abholzung im AmazonasLula ist nicht so grün, wie er sich gibt
In Europa halten viele den brasilianischen Präsidenten für einen Umweltschützer. Tatsächlich spielen Umwelt- und Klimapolitik beim 79-Jährigen nur eine Nebenrolle.

- Lula legt mehr Wert auf wirtschaftliche Interessen als auf Umweltschutz.
- Seine Regierung plant umstrittene Strassenbauprojekte im Amazonasgebiet.
- Lula blockiert internationale Initiativen gegen Ölbohrungen im Amazonas.
- Brasiliens Regierung propagiert globale Anstrengungen für den Klimaschutz, zeigt aber wenig Eigeninitiative.
Als Luiz Inácio Lula da Silva Ende 2022 zum Präsidenten Brasiliens gewählt wurde, jubelten Umweltaktivisten im In- und Ausland. Der 79-Jährige löste nicht nur den ultrarechten Jair Bolsonaro ab, unter dem Wilderer und Bauern ungestraft Amazonaswälder in Rekordtempo abholzten. Lula setzte im Wahlkampf auch auf den Umweltschutz als zentrales Thema und gewann damit viele junge Wählerinnen und Wähler.
Die ersten Signale waren vielversprechend. Lula ernannte die bekannte Naturschützerin Marina da Silva zur Umweltministerin. Zudem sank die Abholzung im Amazonasgebiet auf den niedrigsten Stand seit neun Jahren. Der Umweltschutz schien eine hohe Priorität zu haben.
Vom Wahlversprechen ist nicht mehr viel übrig
Doch von der anfänglichen Euphorie ist wenig übrig geblieben. Das wurde schon wenige Monate nach seiner Wahl beim Thema Öl deutlich. Als Kolumbiens Präsident Gustavo Petro ein Moratorium für die Ölförderung im Amazonas forderte, legte Lula sein Veto ein. Mit den Gewinnen der staatlichen Ölgesellschaft Petrobras will er unter anderem seine Sozialprogramme finanzieren.
Auch bei den Verhandlungen der EU mit dem südamerikanischen Handelsbündnis Mercosur im vergangenen Jahr zeigte Lula, wo seine Prioritäten liegen. Seine Regierung wollte einen Passus zum Schutz des Regenwalds aus dem Freihandelsabkommen streichen. Auch hier gewichtete der ehemalige Gewerkschafter wirtschaftliche Interessen höher als Umweltziele.
Lulas Prioritäten zeigen sich jetzt auch bei zwei grossen Strassenbauprojekten im Amazonas. Er hat angekündigt, die Fernstrasse BR-319 vollständig asphaltieren zu lassen. Diese Schotterpiste mit zahllosen Schlaglöchern führt über Hunderte Kilometer quer durch das Amazonasgebiet. Die Erfahrung zeigt, dass Strassenbauprojekte dieser Grössenordnung die Abholzung entlang der Routen fördern. Wilderer freuen sich, dass ihnen der Staat die notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellt.
Besonders unverständlich ist das Projekt mit dem poetischen Namen «Avenida Liberdade» (Strasse der Freiheit). Ausgerechnet für den Weltklimagipfel im November in Belém lässt seine Regierung eine vierspurige Autobahn durch ein geschütztes Amazonasgebiet bauen. Die 50’000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen so schneller in den abgelegenen Austragungsort gelangen.

Die bittere Ironie des Projekts ist unübersehbar. Kein Wald ist für das Weltklima so wichtig wie der Amazonas, er kühlt die Atmosphäre und speichert riesige Mengen Kohlenstoff. Ohne ihn ist der Kampf gegen die Erderwärmung verloren. Ausgerechnet hier lässt Lula jetzt Wälder roden, damit Politikerinnen und Politiker leichter über die Rettung des Klimas diskutieren können.
In den Stellungnahmen der brasilianischen Regierung zum Klimagipfel taucht immer wieder das Wort einer «mutirão» auf – eine gemeinsame, globale Anstrengung. Diese müsse die Weltgemeinschaft erbringen, um den Klimawandel zu stoppen. Es bleibt die Frage, ob auch Brasiliens Präsident Lula bereit ist, seinen Teil beizutragen.
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