Unruhen in SüdafrikaDie Fahrt mit dem Taxi endet im Tod
Wie sich verfeindete Minibus-Verbände im südafrikanischen Kapstadt bekriegen.
«Sie erschiessen Unschuldige, man kann nur beten, dass es aufhört», sagt Yolisa, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte. Normalerweise wäre sie am Donnerstagmorgen mit dem Minibus aus ihrem Township in Guguletu in die Innenstadt von Kapstadt gefahren, um zu ihrer Arbeit als Putzfrau zu kommen. Bis zu zwei Stunden braucht sie normalerweise für die etwa 20 Kilometer.
Derzeit sind die Strassen leer, seit vergangener Woche sitzen Hunderttausende Pendler in der Region Kapstadt fest, weil die Minibusse grösstenteils den Betrieb eingestellt haben. Die Lage sei schrecklich, sagt Yolisa.
Blutiger «Taxi-Krieg»
Allein in diesem Monat sind 23 Menschen in der Region Kapstadt im sogenannten Taxi-Krieg ums Leben gekommen, 81 im laufenden Jahr. Manche Opfer waren Fahrer verfeindeter Taxiverbände, andere unschuldige Fahrgäste, Frauen und Kinder. Die Taxiverbände haben wegen der vielen Schiessereien fast alle ihre Fahrer angewiesen, zu Hause zu bleiben, bis ein nachhaltiger Waffenstillstand in Sicht ist.
Einige Bereiche von Kapstadt sind fast menschenleer, viele Geschäfte und Restaurants haben geschlossen, weil Beschäftigte und Kunden es nicht in die Innenstadt schaffen. Als die Krise vergangene Woche begann, rieten einige Politiker den Bürgern dazu, doch auf «Alternativen» auszuweichen. Die S-Bahn ist nach Jahren der Korruption, der Brandstiftung und des Kabeldiebstahls kaum mehr funktionsfähig.
Brandbomben auf Uber-Fahrer
Die Taxiunternehmer fahren zwar selber nicht mehr, wollen aber auch nicht, dass jemand anderes ihre Routen übernimmt: Mehrere Uber-Fahrer wurden mit Brandbomben angegriffen, einem Busfahrer des lokalen Unternehmens Green Arrow wurde in den Mund geschossen, worauf die meisten Linien eingestellt wurden.
Nach den Unruhen in den Regionen Durban und Johannesburg der vergangenen Woche, die von Anhängern des ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma angezettelt worden waren, droht Südafrika nun schon die nächste Krise in einer der wichtigsten Städte des Landes. Die Motive und Ursachen sind andere, das Ergebnis jedoch ähnlich: Der Staat kann seine Bürger nicht vor Gewalt beschützen. Als die lokale Polizei in der vergangenen Woche versuchte, einige Taxifahrer zu entwaffnen, weigerten diese sich, ihre Pistolen abzugeben. Sie sind längst mächtiger als die Polizei, teilweise arbeitet man auch zusammen.
Kampf um die lukrativsten Strecken
«Taxi-Kriege» gehören in Südafrika seit Jahrzehnten mehr oder weniger zum Alltag. Die Branche wurde schon vor dem Ende der Apartheid dereguliert. Etwa 200’000 Taxis gibt es in Südafrika, kleine Busse von Toyota, die etwa 60 Prozent des öffentlichen Nahverkehrs bedienen. Formal gesehen handeln die Taxiverbände mit den staatlichen Behörden die Routen und Preise aus, in der Realität wird mit Waffen um die lukrativsten Strecken gekämpft.
Die wirtschaftlichen Folgen von Corona und den vielen Lockdowns haben die Margen gesenkt und den Druck erhöht, der Konkurrenz Marktanteile abzunehmen. Es ist ein Konflikt, der vor allem die Ärmsten trifft. Eine Fahrt mit dem Uber-Taxi würde Yolisa zwanzigmal so viel Geld kosten, etwa 22 Franken. Das ist mehr als ihr Tageslohn.
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