Wegen Ukraine-Krieg und SanktionenDie Eigentümer von Briefkastenfirmen sollen ans Licht
Jahrelang blockten Bundesrat und Parlament sämtliche Versuche ab, ein Register zu schaffen, das über wirtschaftlich Berechtigte an Briefkastenfirmen Auskunft gibt. Nun bröckelt der Widerstand.
Es sind nicht nur die Oligarchen: Die Zahl der Schweizer Firmen mit russischen Staatsbürgern im Handelsregister hat sich seit 2005 versechsfacht. Für Fahnder ist es schwierig, rasch herauszufinden, wer tatsächlich hinter den Firmen steckt, ob zum Beispiel jemand auf der Sanktionsliste steht. Denn anders als die EU und viele andere Länder kennt die Schweiz kein Register, das die wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen ausweist.
Auf der politischen Traktandenliste ist das Thema zwar schon seit Jahren. Doch Bundesrat und Parlament blockten Vorstösse von links bisher stets ab. Das könnte sich nun ändern, hofft Baptiste Hurni.
Der Neuenburger SP-Nationalrat hat vergangenen Dezember eine Motion eingereicht, mit der er die Schaffung eines Registers zur Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung fordert. Dieses soll «allgemein zugänglich sein und unter anderem über Namen, Geburtsdatum, Wohnsitz, Nationalität und Umfang der wirtschaftlichen Berechtigung Auskunft geben».
Was gegen die geltende Regelung spricht
Die Umsetzung der Sanktionen, welchen sich die Schweiz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine angeschlossen hat, könnte dazu beitragen, diese Forderung mehrheitsfähig zu machen. Damit Vermögen eingefroren werden können, müssen sie zuerst gefunden werden.
Nach geltendem Recht müssen Unternehmen zwar Listen führen über Personen, welche Anteile ab 25 Prozent halten. Eine Behörde wie das Seco kann aber nicht darauf zugreifen, um zu kontrollieren, ob das Vermögen einer sanktionierten Person nicht gemeldet wurde. Hegt sie einen Verdacht, so muss sie nachfragen. Den Sanktionierten gebe das Zeit, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, erläutert David Mühlemann von der Nichtregierungsorganisation Public Eye.
Dieses Schlupfloch wäre gestopft, wenn die wirtschaftlich Berechtigten der Briefkasten- und sonstigen Firmen zentral erfasst würden – etwa in einem zusätzlichen Kapitel im Handelsregister. So handhaben das nicht nur die europäischen Staaten einschliesslich Liechtensteins. Selbst die USA haben ein Gesetz erlassen, das Fahndern erlaubt, die Identität von Eigentümern von Firmen festzustellen.
«Sicherer Hafen für Oligarchen» soll Transparenz schaffen
Dass sich die Schweiz weiterhin ziert, ist für Franziska Ryser, Nationalrätin der Grünen aus dem Kanton St. Gallen, schwer verständlich: «Die Schweiz war und ist ein sicherer Hafen für Oligarchen und deren Gelder, viele Geschäfte mit russischem Gas und Öl werden über unser Land abgewickelt», sagt sie. Transparenz herzustellen über diejenigen, die wirklich dahinterstünden, sei da das Minimum.
International nimmt der Druck zu. Die internationale Arbeitsgruppe Financial Action Task Force (FATF), der auch die Schweiz angehört, verschärfte an ihrer Plenarversammlung Anfang März ihre Empfehlungen und fordert jetzt ein zentrales Register. Unter anderem auf Bestreben der Schweiz lassen die neuen Bestimmungen aber auch «alternative Mechanismen» zu. Wie genau diese Hintertür aussehen soll, ist noch offen.
In seiner Antwort auf die Motion von Hurni kündigt der Bundesrat eine umfassende Situationsanalyse dazu an. Er werde bis Mitte 2022 Handlungsoptionen prüfen und das Parlament über die Folgearbeiten informieren. Voraussichtlich im September, heisst es beim Staatssekretariat für internationale Finanzfragen.
Ein Register für alle oder nur für die Behörden?
Bereits jetzt beginnt der bürgerliche Widerstand langsam zu bröckeln, wie eine Umfrage bei Wirtschaftspolitikern zeigt. Der Solothurner Mitte-Ständerat Pirmin Bischof etwa nennt ein Register «ein mögliches Mittel», um den Vermögen sanktionierter Russen auf die Spur zu kommen. Allerdings müsste dieses ähnlich ausgestaltet sein wie diejenigen der konkurrierenden Finanzplätze, namentlich der USA sowie Grossbritanniens.
Das Register, zu dessen Schaffung sich die amerikanische Anti-Geldwäsche-Behörde Financial Crimes Enforcement Network verpflichtet hat, ist nicht öffentlich. Jenes in Grossbritannien und den EU-Staaten hingegen schon: Gegen eine Gebühr bekommt dort jeder und jede Auskunft.
«Bestehende Instrumente nutzen»
Hierzulande stehen die Chancen für das US-Modell deutlich besser. Der Zürcher FDP-Nationalrat Beat Walti etwa könnte sich ein solches durchaus vorstellen: «Das könnte auch eine Entlastung für die Beteiligten geben», sagt er. Zur Durchsetzung der Sanktionen gegen russische Vermögen bringe das allerdings nichts: «Um schnellen Nutzen zu erzielen, muss man die bestehenden Instrumente nutzen, statt auf neue Regulierungen zu setzen.»
Ein Register sei durchaus prüfenswert, erklärt der Walliser Mitte-Nationalrat Philipp Matthias Bregy. Man solle es aber nicht nur vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine entscheiden, sondern in Ruhe die Vorschläge des Bundesrats abwarten.
Diese Grundsatzfrage sei losgelöst von der aktuellen Situation zu betrachten, pflichtet der Schwyzer SVP-Ständerat Alex Kuprecht bei. Der Präsident der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) verhehlt nicht, dass er wenig Sympathien für die Idee hegt. Ebenso WAK-Vizepräsident Hans Wicki. «Man kann schon über ein Register der wirtschaftlich Berechtigten sprechen, wenn man den Behörden die Arbeit erleichtern will.» Zu glauben, dass es, einmal geschaffen, nur den Behörden vorbehalten bleibe, sei aber eine Illusion.
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