Nervenkitzel im AbstiegskampfDie Auferstehung einer kaputten Mannschaft
Sion war schon abgeschrieben – nun reicht ein Sieg in Genf, um die Not von Zürich, St. Gallen und Vaduz im Kampf um einen Platz in der Super League zu verstärken.
FC Zürich: Das Gespenst von 2016
Massimo Rizzo, wie ist die Lage beim FCZ? «Sie ist nicht einfach. Man muss nur auf die Tabelle schauen.»
Er kennt sie auswendig. Der FCZ, den er seit der Absetzung von Ludovic Magnin im Oktober trainiert, ist Siebter und mittendrin in diesem Pulk von Mannschaften, die um ihre sportliche Existenz in der Super League kämpfen. So war das nicht geplant Anfang Saison. Der Club wollte vorn mitspielen. Noch Anfang März nach dem 1:0 in Lugano lag er auf Platz 4, nur einen Punkt hinter dem Zweiten. Dann fiel er wieder ins Loch und holte in sechs sieglosen Spielen noch drei Punkte.
Am Donnerstag ist er besser als YB, das allerdings auch ziemlich schlecht ist. Er hat seine Chancen, das stimmt Rizzo positiv, und Benjamin Kololli sagt: «Wenn wir so spielen, brauchen wir in den nächsten Spielen keine Angst zu haben.» Seine Aussage lässt sich auch anders interpretieren: Wenn sie weiter so spielen, weiter dem Gegner solche Tore schenken und weiter Chancen vergeben wie gerade Dzemaili oder auch Tosin, wenn sie eben weiter nicht gewinnen, dann kann das noch böse enden.
Immerhin ist da Captain Yanick Brecher, er sagt: «Es bringt uns nichts, wenn wir Komplimente bekommen, aber keine Punkte machen.» Und da ist auch Rizzo, er appelliert an die Mentalität seiner Spieler, dass sie noch mehr den Willen zeigen, etwas zu erzwingen, noch einen grösseren Effort leisten, noch mehr bereit sind, Fehler zu vermeiden. Er sagt: «Sie müssen einen Zacken zulegen.» Oder: Sie müssen sehr schnell lernen, mit einer ungemütlichen Situation umzugehen.
Vor fünf Jahren waren die Zürcher letztmals in vergleichbarer Bedrängnis. Rizzo war der Assistent des komplett überforderten Sami Hyypiä. Er erinnert sich, dass damals der Ernst der Lage «nicht dem Hintersten und Letzten bewusst war». Jetzt sieht er diese Gefahr nicht. Den Beweis kann seine Mannschaft am Sonntag um 16 Uhr in Luzern antreten.
St. Gallen: Von Federer und Sisyphos
Es ist ja nicht so, dass die St. Galler nicht wüssten, wo das gegnerische Tor ist. 441-mal haben sie schon aufs Tor geschossen, nur YB hat mehr Versuche als sie. Ihr Pech ist nur, dass sie schlecht zielen und darum 29 Tore weniger erzielt haben als in der letzten Saison zum gleichen Zeitpunkt. Und darum haben sie 25 Punkte weniger als damals und sind nicht mehr Leader, sondern Achter. «Wir sind uns der Situation bewusst», sagt Präsident Matthias Hüppi.
Vor zwei Monaten waren die St. Galler noch Dritter, einen Punkt hinter dem Zweiten. 3:1 hatten sie damals Basel besiegt, «wir spielten genau so, wie wir uns das vorstellen», erinnert sich Hüppi. Seither spielen sie genau gleich weiter, zumindest versuchen sie es, weil sie vor drei Jahren beschlossen haben, wie der Fussball à la St. Gallen aussehen soll: «fulminant», wie es Hüppi zusammenfasst. Der Ertrag seit dem Basel-Match ist dünn: acht Spiele, kein Sieg, drei Punkte, deshalb die schlechteste Mannschaft der Rückrunde.
Der Präsident fühlt sich an Sisyphos erinnert, der ewig einen Stein den Berg hochschleppen muss und kurz vor dem Gipfel scheitert. Und wir, sagt Hüppi, «wir haben sehr oft mehr vom Spiel, wir tragen den Ball zum Sechzehner, aber da geht es nicht mehr weiter. Am Ende des Tages geht es darum, dass man Tore schiesst.» Die letztjährigen Topstürmer Cedric Itten und Ermedin Demirovic sind in dieser Beziehung nicht ersetzt.
Vielleicht fehlen die Zuschauer nirgends mehr als in St. Gallen, ihre Energie, die sich auf die Mannschaft übertrug. Am Samstag dürfen 100 im Kybunpark sein, wenn der FC Vaduz zum Derby anreist. Hüppi spürt die Belastung, aber er will alles unternehmen, sie nicht auf die Mannschaft zu übertragen. «Es gibt nichts Schwierigeres, als gewinnen zu müssen», sagt er, «das können nur die Topcracks wie Roger Federer. Das haben wir nicht.»
Vaduz: Der Aufstand mit einem Minibudget
Der 20. Januar ist ein kalter Mittwoch, Vaduz spielt in St. Gallen, und Vaduz spielt «brutal schlecht», sagt Franz Burgmeier. Das 0:2 ist ein Tiefpunkt und zugleich ein Schlüsselerlebnis für alle aus dem «Ländle». «Wir sagten uns: Wenn wir so spielen, wird es brutal schwer», erinnert sich der Sportchef.
Vier Tage später trotzten die Vaduzer dem Leader YB ein 0:0 ab, danach sagten sie sich, so Burgmeier: «Doch, wenn wir so weitermachen, können wir es schaffen.»
Als Aufsteiger mit einem Minibudget von 6 Millionen Franken waren sie als krasser Aussenseiter in die Saison gegangen. Nach vierzehn Runden hatten sie erst sieben Punkte gewonnen. Dann beginnen sie aufzumucken, sie bestehen innert kurzer Zeit nicht nur gegen YB, sie besiegen den FCZ gleich zweimal und werden langsam als Gefahr für alle anderen im Abstiegskampf wahrgenommen. In der Rückrunde hat nur YB mehr Punkte geholt, «wir haben sie nicht mit Glück geholt, wir haben sie uns verdient», sagt Burgmeier. Sie sind nur noch einen Punkt hinter St. Gallen.
Eine ihrer Stärken ist der Teamgeist, dieser war auch dann immer gut, als es sportlich harzte. Bis dann Mario Frick einmal sagte: «Es stinkt mir, mit einer guten Stimmung abzusteigen.» Frick leistet als Trainer bemerkenswerte Arbeit, weil er alles aus seinen Spielern herausholt und noch ein bisschen mehr. Neun Punkte sind nun das Ziel für die letzten sechs Spiele. Der Schlussspurt beginnt am Samstag in St. Gallen.
Sion: Neues Leben mit Hoarau
Es scheint eine Ewigkeit her zu sein, dass Christian Constantin feststellte: «Die Mannschaft ist tot.» Keine zwei Wochen sind seit dem dramatischen 0:3 in Vaduz vergangen, und Constantin, der Sion-Vordenker, sagt: «Wir sind wieder aufgewacht.»
Das 2:2 gegen den FCZ hat, trotz des späten Ausgleichs, erstmals wieder etwas Leben eingehaucht, und dann kommt am Donnerstag dieses 5:3 bei Servette dazu, «ein verrücktes Spiel», sagt Constantin. Mittendrin ist ein Mann, dessen Verpflichtung schon als Fehler Constantins bezeichnet wurde: Guillaume Hoarau.
37 ist der Franzose inzwischen, auf diese Saison gekommen als grosse Attraktion für die Walliser. Aber dann bekam er mit Fabio Grosso einen Trainer, der nicht auf ihn setzte. Zumindest sagt Constantin: «Grosso machte keinen Effort, Hoarau zu integrieren. Das war ein unglaublicher Fehler von ihm.»
Wie Kasami letzte Saison
Hoarau hatte auch Mühe, fit zu werden, zuletzt verlor er zwei, drei Wochen wegen einer Knieverletzung. Aber jetzt ist er da: ein Tor beim 2:2 gegen den FCZ und dann eben dieser Auftritt gegen Servette mit zwei Assists und einem Tor, bei dem er mit einer Geste drei Genfer slapstickartig vorführte. Genau deshalb sieht Constantin im Franzosen den Spieler, wie es Pajtim Kasami letzte Saison war: den Spieler, der vornweg geht und Dynamik in die Mannschaft bringt.
Constantin coacht lautstark von der Tribüne aus, sein Sohn und Sportchef Barthélémy tobt zuweilen über Gebühr an der Seitenlinie, und der Chef sagt: «Es geht nur gemeinsam. Die vier Punkte geben uns Hoffnung.»
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