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Meinung

Kolumne «Miniatur des Alltags»
Die App der Wahrheit

Am Tiefkühlregal begann die Misere von ZSZ-Redaktorin Celia Eugster.
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Der Mond. Aufgrund einiger physikalischer Gesetze sorgt er für Ebbe und Flut, diente einst Seefahrern als Orientierung, lockt monatlich Werwölfe und Hexen aus ihren Grotten und allem voran: ist er für Horoskope verantwortlich.

Der Mond lachte vermutlich höhnisch, als ich jenen Nachmittag im dunklen Wartezimmer des Passbüros verbrachte, um die Verlustanzeige für meine verlorene Identitätskarte vorzuweisen. Die ID lag indessen samt meinem vermissten Geldbeutel bei mir zu Hause, eingeklemmt in den Ritzen einer zusammengefalteten Migros-Papiertüte auf dem Stapel Altpapier.

Natürlich wusste ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst eine Woche später, beim Bündeln des Altpapiers, würde der Geldbeutel aus dem Stapel in meine Hände fallen.

Dabei wäre mir das alles nicht passiert, hätte ich einfach auf den Mond gehört. Ich hätte die Warnung ernster nehmen sollen. «Du sehnst dich fürchterlich nach etwas, traust dich aber nicht, danach zu fragen», war an dem Tag die Devise meiner Horoskop-App gewesen. Die App, in die man lediglich seinen Geburtstag, -zeit und -ort eintippte, und schon spuckte sie tägliche personalisierte Weisheiten aus.

Ich hatte mich an dem Tag des ID-Verlusts tatsächlich nach den frittierten Jalapeños gesehnt, hatte sie im Tiefkühlregal jedoch nicht gefunden. Anstatt nach Hilfe zu fragen, hatte ich enttäuscht wieder den Laden verlassen.

Hätte ich damals um Hilfe gebeten, wäre ich auch gezwungen gewesen, die mitgebrachte Papiertüte zu benützen, um die Jalapeños einzupacken. Mein Geldbeutel hätte sich aus den Ritzen befreit, und ich hätte keinen Nachmittag und 70 Franken für eine neue ID verschwendet. Ja, so einfach wäre das Leben, wenn man nur auf sein Horoskop hören würde.